Ex-Verfassungsrichter Kirchhof: „Schutz des Weihnachtsfests ist kein legitimes Ziel“

Auch eine Woche nach seiner Verabschiedung reißt die Kritik am neu gefassten Infektionsschutzgesetz nicht ab. Juristen wie Ex-Verfassungsrichter Ferdinand Kirchhof beanstanden weitreichende Grundrechtseingriffe auf unpräzise formulierten Grundlagen.
Von 27. November 2020

Verfassungsrichter Ferdinand Kirchhof a. D. äußerte sich in einem ausführlichen Interview mit der „Welt“ zum neuen Infektionsschutzgesetz. Kirchhof zeigt sich wenig verwundert über die Aufregung über das Gesetzesvorhaben: „Derart tiefe, weitreichende Grundrechtseingriffe für jeden Bürger habe ich noch nicht erlebt.“

Die Frage, ob die Politik diese tiefgreifenden Eingriffe ausreichend begründet hat, bejahte er. Allerdings wendete er ein: „Zu wenig begründet hat die Politik aber, ob und warum beispielsweise Restaurant- oder Schulschließungen verhältnismäßig sind. Diese Maßnahmen wollte sie unbedingt durchführen. Damit erhitzt sich die Diskussion…“.

Bringt das Gesetz Rechtssicherheit?

Inwieweit das Gesetz die erhoffte Rechtssicherheit bringt, sieht er kritisch: Es bleibt weiterhin ein unvollkommenes Gesetz, das zumindest der verfassungskonformen Auslegung bedarf“. Es sei unklar, inwieweit die gesetzlich erlaubten Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen im privaten und öffentlichen Bereich oder Reisen gehen dürfen. Das Gesetz kläre es nicht.

Bei manchen Maßnahmen stellt er sich die Frage, ob sie überhaupt etwas mit Corona zu tun haben, etwa das Verbot der Alkoholabgabe auf öffentlichen Plätzen oder das Böllerverbot, das eigentlich nur unter feinstaublichem Aspekt zu verbieten sei.

Kirchhof: „Schutz des Weihnachtsfests ist kein legitimes Ziel“

Kirchhof betont:

Letztlich ist vom Staat zu verlangen, dass er sich auf konkrete Risiken in Branchen, Veranstaltungen oder Hotspots bezieht, die Tauglichkeit seiner Konzepte zur Eindämmung der Gefahr benennt und nachweist, dass seine Maßnahmen nicht nur am Rande zur Eindämmung beitragen.“

Regelungen zu rein erzieherischen Zwecken seien unzulässig. Somit sei auch der „Schutz eines fröhlichen Weihnachtsfests unter dem Tannenbaum kein legitimes Ziel zur Grundrechtseinschränkung und nicht Aufgabe des Staates“, so Kirchhof weiter.

Ebenso wenig könne eine Überlastung des Gesundheitssystems keine Rechtfertigung für massive Grundrechtseingriffe sein:

Die Verwaltung darf sich nicht ihre Aufgaben erleichtern, indem sie Bürgern etwas verbietet. Wenn eine Überlastung droht, müssen eben Gesundheitseinrichtungen geschaffen werden.“

Grundlegende Probleme des Gesetzes sieht er bei den tiefgreifenden Grundrechtseinschränkungen bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite: „Die Frage ist: Was passiert bei der nächsten Grippe-Epidemie? Wenden wir das Gesetz jetzt auf jede Epidemie an?“

Auch bei den enormen Staatsschulden sieht der Jurist ein großes Problem: „Und wieder dient Corona als Begründung, obwohl man damit auch längst geplante Vorhaben wie den Straßenbau und den Ausbau der IT-Strukturen finanzieren will.“

„Ferner wird ein Sonderfonds aufgelegt, der insgesamt die Hand auf 600 Milliarden Euro hat. Das ist erheblich mehr als der gesamte Umfang des Bundeshaushalts. Da wird mir angst und bange für die Zukunft“, sagte Kirchhof. Der Bundestag solle da unbedingt genauer hinschauen, so Kirchhof weiter.

Unbestimmtes mit Unbestimmtem erklärt

Mit seiner Kritik an der Neufassung des Gesetzes steht Kirchhof nicht allein. Der langjährige Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, äußerte auf Twitter, er habe „so einen schlechten Gesetzentwurf […] in 21 Jahren BMI nicht auf dem Tisch gehabt“.

Dazu verlinkt Maaßen einen Beitrag von Milosz Matuschek, ebenfalls aus der „Welt“, der mit dem Titel „Demokratiedämmerung“ umschrieben ist uns anhand dreier Punkte begründet, warum die jüngste Novelle zum Infektionsschutzgesetz ein „Schlag ins Gesicht der parlamentarischen Demokratie“ sei.

Zum einen, so Matuschek, werde im Umfeld der „Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“, die Voraussetzung für die Anwendung des Gesetzes sei, eine Fülle an unbestimmten Rechtsbegriffen verwendet, die ihrerseits wiederum unter Verwendung unbestimmter Begriffe erläutert würden.

Dies reiche von der drohenden „erheblichen Gefährdung des Funktionierens des Gemeinwesens“ bis hin zur Vorbeugung einer „Gefahr einer Destabilisierung des gesamten Gesundheitssystems“.

Rechtswissenschaftler Thorsten Kingreen von der Universität Regensburg erklärte in einem Gutachten für den Bundestag dazu:

Das rechtliche Problem besteht aber im Kern darin, dass die Feststellung der ‚epidemischen Notlage‘ ein verfassungsrechtlich hochgradig problematisches Ausnahmerecht auslöst und ihre dauerhafte Aufrechterhaltung den fatalen Anschein eines verfassungsrechtlich nicht vorgesehenen Ausnahmezustands setzt.“

„Mit Copy-and-paste in die Verordnungswillkürherrschaft“

Auch was den Verbotskatalog im neu geschaffenen Artikel 28a anbelangt, monierten mehrere Verfassungsrechtler in Gutachten, dass der Gesetzgeber damit „nicht erklärt, abgewogen, gewichtet, definiert“, sondern „letztlich der Status quo an Gesetzgebungsfantasien eines Ausnahmegremiums noch mal in Gesetzesform gegossen“ werde. Bereits dies könne den Entwurf an sich bereits verfassungswidrig machen.

Dazu komme noch, dass es der neu geschaffenen Verordnungsermächtigung an der erforderlichen Bestimmtheit fehle. Das Gesetz in der jetzigen Form sei eine „Wundertüte“ und eine „Blankovollmacht für ein Verordnungsregime des Bundesgesundheitsministers“.

Tatsächlich sei der Begründungsaufwand für den Gesetzgeber umso höher, je tiefer er in die Grundrechte eingreife. Der Rechtswissenschaftler und Einzelgutachter Christoph Möllers von der Humboldt-Universität Berlin wird zitiert als einer jener Juristen, die „gravierende Zweifel“ daran hätten, dass diese Vorgabe hier erfüllt sei. Stattdessen gehe es „mit Copy-and-paste in die Verordnungswillkürherrschaft“.

Aktivisten richten Seite mit Mustertexten ein

Mittlerweile haben Aktivisten unter der Adresse klagepaten.eu eine Plattform ins Leben gerufen, die Musterschreiben und Formulare für Beschwerden gegen Maßnahmen im Zusammenhang mit den Corona-bedingten Einschränkungen anbietet.

Die Themen betreffen Verpflichtungen zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes über PCR-Tests an Schulen bis hin zur Anmeldung einer Versammlung oder Beschwerde gegen deren Untersagung.



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