Frankreich: Priesterausweis mit QR-Code soll Missbrauchsfälle verhindern

Der digitale Priesterausweis soll die „Kirche sicher machen“. Mit der Karte sollen negativ aufgefallene Geistliche schneller aus dem Verkehr gezogen werden. Kritiker sehen in dem Ausweis jedoch keine Lösung des Problems.
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Ein Geistlicher bei einer Messe. Laut der Bischofskonferenz Frankreichs sollen die 18.000 Priester und Diakone bis Ende des Jahres ihren QR-Code erhalten.Foto: iStock
Von 26. Mai 2023

In Frankreich führt die katholische Kirche einen Priesterausweis mit QR-Code ein, der eine schnelle Überprüfung des Geistlichen ermöglichen soll. Per Smartphone sollen Gemeinden ablesen können, ob ein Priester etwa wegen Missbrauchsvorwürfen nicht mit Kindern und Jugendlichen arbeiten darf. Die Ankündigung erfolgte am 10. Mai von der französischen Bischofskonferenz und hat zum Ziel, „die Kirche sicher zu machen“.

Die Bischofskonferenz Frankreichs rechnet mit einer wirksamen Umsetzung dieses vollständigen Systems für die 13.000 Welt- und Ordenspriester sowie die 3.000 Diakone bis zum „nächsten Schuljahr“, wie aus einem französischen Medium hervorgeht.

Die Karte ist an ein nationales Register gekoppelt, das in Frankreich nach zahlreichen Missbrauchsfällen eingerichtet wurde. Sie soll verhindern, dass negativ aufgefallene Priester heimlich verschwinden und anderswo ihren Beruf ausüben, wo ihre Vorgeschichte nicht bekannt ist.

Das hört sich erst mal gut an. Denn in einer im Frühjahr publizierten Studie kam heraus, dass in Frankreich seit den 1950er-Jahren mehr als 300.000 Kinder in Einrichtungen unter kirchlicher Aufsicht missbraucht wurden, wie die „Zeit“ berichtete.

Und erst gestern hat ein Gericht im nordfranzösischen Douai einen Geistlichen zu acht Jahren Haft verurteilt. Er soll sich in den Jahren 2004 bis 2008 an einer damals 14- bis 18-Jährigen vergangen haben. Doch ist ein digitaler Ausweis wirklich die Lösung des Problems?

Ungerechtfertigte Stigmatisierung möglich

Laut Medienberichten verfüge die Oberfläche des digitalen Registers über ein Ampelsystem zwischen grün (bzw. blau bei Diakonen) für „keine Einschränkungen“ und rot für „Berufsverbot“.

Dazwischen gebe es noch orange. Die orange Kennzeichnung würden Priester erhalten, gegen die Missbrauchsvorwürfe vorliegen, aber keine Verurteilung stattgefunden habe. Sie dürften dann zwar nicht mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, aber andere Tätigkeiten ausüben.

Damit erinnert der digitale Ausweis stark an Chinas Sozialkredit-System, wo das Verhalten der Menschen mit einem Punktesystem bewertet wird. Ein mit orange gekennzeichneter Priester würde ab diesem Zeitpunkt automatisch als „verdächtig“ abgestempelt. Kritikern zufolge könnten Geistliche aber auch aus ganz harmlosen Gründen orange eingestuft sein. Zum Beispiel, wenn sie erst kürzlich geweiht wurden und daher noch keine Messen lesen dürfen.

Laut einem Twitter-Nutzer aus Deutschland „wird der Ausweis kein Problem lösen können“. In einem Post schreibt er: „Selbst wenn saubere Priester mit ihren Karten offensiv umgehen sollten, was passiert mit Tätern?“ Seiner Meinung nach müssten diese dann „Wege suchen, um ihre fleckige Weste zu verstecken“. „Das wird sicherlich mehr Probleme bereiten als lösen“, findet der Schreiber.

Auch „falsche“ Geistliche sollen identifiziert werden

Die Karte ähnelt dem französischen Personalausweis. Neben persönlichen Daten und QR-Code finden sich dort auch ein Foto und eine Identifikationsnummer, mit der Kirchenverantwortliche die Akte des Geistlichen aus dem Register aufrufen können.

Neben Missbrauch soll damit auch verhindert werden, dass sich Männer unberechtigt als Priester ausgeben, um aus religiösem Eifer oder sonstigen Motiven eine Messe abhalten zu wollen. Auch geben sich Betrüger mitunter als Geistliche aus.

So wurde 2021 in Südfrankreich ein Serienbetrüger zu einer Haftstrafe verurteilt, der mehr als zwei Jahrzehnte lang als „Pater Don Romano“ sein Unwesen trieb. Der Mann gab sich als Franziskaner-Mönch aus und entlockte beispielsweise einer gutwilligen Frau 2.500 Euro für ein vermeintliches Kinderheim in Afrika. Zudem nutzte er immer wieder das Wohlwollen von Kirchengemeinden aus, ließ sich einquartieren, las Messen und nahm Beichten ab.

Laut der Bischofskonferenz Frankreichs sollen die 18.000 Priester und Diakone bis Ende des Jahres ihren QR-Code erhalten. Gleichzeitig soll jede Diözese und jede Ordensgemeinschaft jährlich die Daten ihrer Bischöfe, Priester und Diakone aktualisieren. Eine umgehende Aktualisierung erfolgt, wenn gegen einen Priester eine zivilrechtliche oder kanonische Sanktion verhängt wurde.

In Deutschland gibt es auch einen nationalen Priesterausweis. Nach Angaben der Katholischen Bischofskonferenz besteht er aber nur aus Papier und ist mit einem Stempel versehen.

(mit Material von dpa)



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