Grüne in Wien kämpfen ums Überleben – Wenig Interesse an Urwahl

Nach dem Ausscheiden aus dem Nationalrat befindet sich auch die einst so mächtige Wiener Landesgruppe der Grünen in Wien in der Krise. Eine Basiswahl des Spitzenkandidaten für 2019 soll für Geschlossenheit sorgen – doch das Interesse hält sich bislang in Grenzen.
Titelbild
Ein Blick auf die Skyline von Wien.Foto: iStock
Von 10. September 2018

Anders als in Deutschland, wo ein dominanter Einfluss der Partei in Politik, Medien und Gesellschaft fast allgegenwärtig zu spüren ist, finden die Grünen in Österreich seit jeher ein schwieriges Terrain vor. Bei den vorgezogenen Neuwahlen zum Nationalrat 1986 mit 4,82 Prozent knapp über die Vier-Prozent-Hürde gekommen, blieb die Partei auf Bundesebene nie mehr als eine Fußnote am linken Rand.

Sie konnte zu keiner Zeit mitregieren und flog im Vorjahr, nachdem sich ihr prominenter Exponent Peter Pilz mit einer eigenen Liste selbstständig gemacht hatte, sogar mit 3,8 Prozent aus dem Parlament.

Das deutlich schwächere Abschneiden der Grünen in Österreich hat eine Reihe von Gründen. Einer der wichtigsten ist, dass die sozialdemokratische SPÖ in der Hauptstadt Wien seit der Zwischenkriegszeit und bundesweit seit der Zweiten Republik stets in der Lage war, die radikale Linke zu binden – und sei es lediglich durch Schaffung von Versorgungsposten in der lange vom Parteienproporz geprägten Alpenrepublik. Auch in Medien wie dem staatlichen ORF war ein SPÖ-Parteibuch ein wirksamer Türöffner für Karrieren. Politisch blieb für Kräfte links der Sozialdemokraten dadurch aber wenig Platz.

„Kronen Zeitung“ nahm den Grünen einst das Thema weg

Darüber hinaus konnten die Grünen bereits in ihrer Entstehungsphase die Impulse der 1980er-Jahre, als mit der Debatte um das Atomkraftwerk Zwentendorf und das geplante Wasserkraftwerk in der Hainburger Au ökologisch motivierte Protestbewegungen entstanden, nur wenig für sich nützen. Das Massenblatt „Neue Kronen Zeitung“ unterstützte 1985, ein Jahr nach der Aubesetzung, zum Zwecke der Verhinderung des Projekts, das Volksbegehren des erheblich NS-belasteten Naturforschers Konrad Lorenz. Am Ende unterschrieben fast 354 000 Österreicher, den Grünen war damit aber dieses Agitationsthema aus der Hand genommen.

Obwohl auch in Österreich der 68er-Bewegung auf breiter Ebene die Unterwanderung staatlicher, medialer und gesellschaftlicher Institutionen gelang, profitierten die Grünen nur begrenzt von diesem Umstand. Bedingt war dies auch durch einen Mentalitätsunterschied: Österreich erklärte sich 1945 offiziell zum ersten Opfer Hitlers. Das vor dem Anschluss 1938 in allen politischen Lagern präsente Selbstverständnis des Landes als Teil der deutschen Nation wurde von den großen Parteien aufgegeben. So blieb aber auch wenig Raum für jene Form der Vergangenheitsbewältigung, wie sie in Westdeutschland Platz griff. Es stand kein tief sitzender Schuldkomplex innerhalb der Bevölkerung zur Verfügung, den die Grünen ideologisch instrumentalisieren konnten.

Lediglich in Wien, in den Universitätsstädten anderer Bundesländer und in Vorarlberg, wo lange Zeit pragmatisch orientierte Politiker wie der Biobauer Kaspanaze Simma die Partei prägten, gelang es den Grünen, dauerhaft zweistellige Ergebnisse zu erzielen.

Hohe Miete und Heizkosten stellen  Hauptquartier infrage

Mittlerweile gilt aber auch die Bundeshauptstadt, wo die Grünen sogar an der Regierung beteiligt sind, immer mehr als Sorgenkind. Medienberichten zufolge sei die Bundespartei nach ihrem Nationalrats-Aus auf einem erheblichen Schuldenberg sitzen geblieben. Die noch florierende Wiener Landesgruppe habe demnach als Feuerwehr einspringen müssen, was deren Etat in nicht unerheblichem Maße belastet habe.

Die „Wiener Zeitung“ berichtete jüngst sogar von Überlegungen, das symbolträchtige Hauptquartier im Studentenbezirk Neubau aufzugeben, wo die Partei seit 2001 sogar den Bezirksvorsteher stellt. Aber auch ideologische Grabenkämpfe ziehen sich durch die erfolgreichste Landesorganisation der österreichischen Grünen – sogar nach der Abspaltung des einstigen Mitbegründers Peter Pilz. Der frühere Funktionär der „Gruppe Revolutionärer Marxisten“, der 1986 zur ersten Nationalratsfraktion gehört hatte, rief 2017 eine eigene Namensliste ins Leben.

Einer der wesentlichen Gründe dafür war, dass Pilz sich mit seiner Forderung nach einer restriktiveren Migrationspolitik und nach mehr linker und liberaler Islamkritik in der Partei nicht durchsetzen konnte. Mit einem Ergebnis von 4,4 Prozent bundesweit und 7,5 Prozent in Wien gelang seiner Liste im Vorjahr auf Anhieb der Einzug in den Nationalrat. Nach Vorwürfen sexueller Belästigung, die in die Jahre 2013 und 2015 zurückreichen, verzichtete Pilz jedoch auf sein Mandat.

Nur drei Kandidaten werden Chancen eingeräumt

Die Grünen können von dieser Entwicklung nach wie vor nicht profitieren. Anfang des Monats kündigte die seit 1996 dem Gemeinderat angehörige Wiener Vizebürgermeisterin und Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou an, nicht mehr für eine weitere Legislaturperiode anzutreten und sich spätestens Mitte 2019 aus der Kommunalpolitik zurückziehen zu wollen.

Gleichzeitig lobte die Partei die Position des künftigen Spitzenkandidaten für die Bundeshauptstadt aus. Eine Parteimitgliedschaft oder ein Mandat wäre dafür nicht nötig. Bewerber müssten lediglich 100 Unterstützungsunterschriften beibringen, davon 50 von Grünen-Mitgliedern. Langjährige Mandatsträger benötigten 200 Erklärungen, wiederum mindestens zur Hälfte von Parteimitgliedern.

Dennoch hielt sich das Interesse bislang in überschaubaren Grenzen. Nach einer Woche hatten sich in der Millionenstadt erst 410 Personen für die am 20. August bekanntgegebene Abstimmung registriert, zum Ende der Frist in der Vorwoche sollen es knapp über 1000 gewesen sein. Im November plant die Partei nun, die Basiswahl durchzuführen.

Mit Überraschungen oder erfolgreichen Quereinsteigern wird vor diesem Hintergrund nicht gerechnet. Am Dienstag der Vorwoche, so berichtet „Die Presse“, war die Rede von neun Kandidaten, die sich um die Spitzenkandidatur bemühen. Chancen werden jedoch nur Vassilakou-Zögling und Gemeinderat David Ellensohn, dem „Grüne Andersrum“-Sprecher und selbsternannten Realpolitiker Peter Kraus und der weit linken Sozialsprecherin Birgit Hebein eingeräumt. Ob einer der Genannten in der Lage sein wird, die in eine tiefe Krise geratene Partei zu stabilisieren, ist ungewiss.



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