
Hauptsächlich Geimpfte betroffen: Islands Corona-Zahlen schlimmer als in 2020
Islands Coronafall-Zahlen steigen steil nach oben. Chefepidemiologe Thorolfur Gudnason glaubt, dass das Nachtleben in Reykjavik dran Schuld ist, sowie einreisende Geimpfte, weil diese bis zum 27. Juli keine Tests mehr für die Reise nach Island benötigten. Schon plant man die dritte Impfung. Doch das könnte alles nur noch schlimmer machen.

Blick auf die Hallgrimskirkja von Reykjavik.
Foto: Istockphoto/Creative-Family
Island erwischt die Delta-Variante des Corona-Virus eiskalt mit explodierenden Infektionszahlen – trotz der höchsten Impfquote in Europa. Gerade die Isländer schienen bis Mitte Juli alles im Griff zu haben, nun gehören sie zur Spitze Europas bei den Infektionszahlen und bei den meisten der Fälle handelt es sich um Geimpfte.
Islands Chefepidemiologe Thorolfur Gudnason und andere Experten zeigten sich enttäuscht von der Wirkung der Impfung, wie die „Luzerner Zeitung“ schreibt. Gudnason erklärte, dass es sich zeige, dass auch Geimpfte die Infektionen relativ leicht weitergeben, wodurch eine Herdenimmunität so nicht möglich sei. Die Impfung wirkten aber insofern gut, da es nur wenig schwere Erkrankungen gebe.
Lauterbach: „erstaunlich“
Die neue isländische Entwicklung wurde unter anderem auch in Deutschland wahrgenommen. Der zu den Hardlinern der Corona-Maßnahmen-Politik gehörende SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach zeigte sich überrascht: „Das ist erstaunlich. In Island steigt die Fallzahl stark trotz sehr hoher Impfquote. Es mehren sich die Anzeichen, dass Durchbruchinfektionen eine steigende Rolle spielen“, äußerte der Bundestagsabgeordnete auf Twitter und verlinkte eine isländische Statistik mit den hohen Impfquoten in den verschiedenen Altersgruppen in Island und den neuen Inzidenzzahlen, die sogar die Inzidenzwellen vom März und Oktober 2020 in den Schatten stellen.
Island greift zur 3. Dosis
Aufgrund der vielen Quarantänefälle ist das Gesundheitswesen stark unter Druck, zudem sind gerade Sommerferien und das Personal ist ohnehin dünn gesät. Islands Regierung verstärkte aufgrund der Zahlen wieder die Corona-Maßnahmen und beschränkte Veranstaltungen auf 200 Personen. Es gibt Abstandspflicht von einem Meter und Maskenpflicht in Innenräumen. Bars müssen um Mitternacht schließen und in Lokalen gelten Zulassungsbeschränkungen. Einreisende benötigen einen negativen Corona-Test, egal ob geimpft oder ungeimpft. Auch versucht Island nun sein Glück mit einer dritten Impfdosis.
Nach Angaben der „Hamburger Morgenpost“ sagte Islands Premierministerin Katrin Jakobsdottir : „Wir können uns glücklich schätzen, denn obwohl die Fälle zunehmen, sehen wir immer noch keine ernsthaften Krankheiten.“ Man glaube jedoch immer noch, dass es sinnvoll sei, die Zahl der Fälle zu senken, so die Vorsitzende der Partei „Links-Grüne Bewegung“.
Wie „Tichys Einblick“ schreibt, seien nach Angaben der EU-Gesundheitsbehörde ECDC 87 Prozent der Erwachsenen in Island vollständig geimpft und 91 Prozent hätten mindestens eine Impfdosis erhalten. Das Onlinemagazin zitiert den Psychoneuroimmunologen Prof. Dr. Dr. Christian Schubert von der Universitätsklinik Innsbruck, der demnach erklärte: „RNA-Viren wie SARS-CoV-2 mutieren ständig und Massen-Injektionen begünstigen sogenannte Escape-Mutationen. Die verwendeten Injektionen werden dann wirkungslos.”
Geimpfte: kaum Sonderschutz bei Delta
Auch die Frage, ob die Impfungen wenigstens gegen schwere Krankheitsverläufe schützen, scheint neu untersucht werden zu müssen. Der Informatiker Professor Wolfgang Pree von der Universität Salzburg wertete Daten der US-Gesundheitsbehörde CDC und des israelischen Gesundheitsministeriums statistisch aus und kam zu dem Schluss, dass ab Mitte Juli in Israel die Zahl der schweren Verläufe unter Geimpften stärker zugenommen hat als die von Ungeimpften. „Die Kurve der voll Immunisierten“ habe sich dann immer stärker von jener der nicht Geimpften entfernt, so der Professor.
Pree kommt sogar zu dem Schluss, dass bei der Delta-Variante die Impfung „keinen zusätzlichen Schutz vor einem schweren Verlauf bei einer Ansteckung“ biete. Doch immerhin hätten die Daten aus Israel nahegelegt, dass bei geimpften Menschen über 60 Jahren immerhin noch „einen gewissen Schutz“ bestehe.

Die Infektionssituation in Island mit SARS-CoV-2.
Foto: WHO

Steffen Munter – Journalist und Autor. Er schreibt mit gesundem Menschenverstand über deutsche und internationale Politik, China und gesellschaftliche Entwicklungen.
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