Niger: Frankreich will „Putschisten nirgendwo akzeptieren“ – anders als in Libyen und der Ukraine

Frankreichs Präsident Macron hat die Ausweisungsverfügung der Putschgeneräle im Niger gegen seinen Botschafter Itté zurückgewiesen. Er befürchtet eine „Schwächung des Westens“ und erklärte, man dürfe nirgendwo Putschisten akzeptieren.
Junge Menschen im Niger. Der französische Präsident Emmanuel Macron besteht darauf, dass auch nach dem Putsch trotz eines gestellten Ultimatums Frankreichs Botschafter im Land bleiben soll.
Junge Menschen im Niger. Der französische Präsident Emmanuel Macron besteht darauf, dass auch nach dem Putsch trotz eines gestellten Ultimatums Frankreichs Botschafter im Land bleiben soll.Foto: Sam Mednick/AP/dpa
Von 30. August 2023

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Im Niger haben zahlreiche Unterstützer der Putschregierung für einen Abzug der noch 1.500 im Land verbliebenen französischen Soldaten protestiert. Zuvor hatten die Generäle Frankreich aufgefordert, seinen Botschafter Sylvain Itté binnen 48 Stunden aus dem Land abzuziehen.

Die Soldaten befinden sich im Land, seit die Regierung des abgesetzten Präsidenten Mohamed Bazoum EU-Länder zur Unterstützung eingeladen hatten. Diese sollten nigrische Sicherheitskräfte im Kampf gegen sogenannte dschihadistische Milizen unterstützen. Wie die „Tagesschau“ berichtete, hatten sich die Protestierenden nahe dem Flughafen in der Hauptstadt Niamey versammelt. Dieser grenzt an einen Luftwaffenstützpunkt der nigrischen Armee.

Macron: „Sonst werden wir nirgendwo mehr präsent sein“

Unterdessen hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron erklärt, die Aufforderung zum Abzug des Diplomaten aus dem Niger nicht befolgen zu wollen. Dies meldete „France24“. In einer Rede vor Botschaftern im Élysée-Palast sprach er der Putschregierung am Montag eine entsprechende Befugnis zur Ausweisung ab.

Gleichzeitig klagte er, dass die „internationale Ordnung, in welcher der Westen eine herausragende Rolle hatte, immer stärker infrage gestellt“ würde. In einer solchen Situation dürfe man „weder Paternalismus noch Schwäche“ zeigen, „denn sonst werden wir nirgendwo mehr präsent sein“. Die „komplexe Situation“ zeige sich anhand mehrerer Tendenzen:

Der Krieg ist auf europäischen Boden zurückgekehrt, es gibt weit verbreitete antifranzösische Gefühle. Diese werden durch einen Anti-Kolonialismus genährt oder was man dafür hält, und es sorgt dafür, dass ein Doppelstandard etabliert wird.“

Macron kritisiert auch die im globalen Süden verbreitete Auffassung, dass es sich in der Ukraine um „Europas Krieg“ handele. Zahlreiche Staaten zeigten sich deshalb etwa zögerlich, wenn es um eine Verurteilung der „russischen Aggression“ gehe.

Frankreich messe bei Putschisten „nicht mit zweierlei Maß“

Der französische Präsident hat in seiner Rede auch den Vorwurf zurückgewiesen, er setze sich „zu sehr“ für den gestürzten nigrischen Staatschef Mohamed Bazoum ein. Er warf die Frage auf, was man tun würde, „wenn es in Bulgarien oder Rumänien zu einem Staatsstreich käme“.

Man erkenne die Putschisten in Niamey nicht an. In diesem Zusammenhang kritisierte Macron auch Kräfte in den USA und in mehreren EU-Staaten, die Zurückhaltung und ein Beobachten der Lage empfehlen. Unter diesen befand sich jüngst auch Deutschland. Macron erörterte weiter, man erkläre Frankreich, es sei die richtige Politik, Bazoum fallen zu lassen, „weil das in Mode gekommen ist“. Paris messe mit Blick auf Putschisten aber „nicht mit zweierlei Maß“.

Macrons Amtsvorgänger Nicolas Sarkozy und François Hollande hatten diesbezüglich noch flexiblere Vorstellungen. So war Sarkozy 2011 die treibende Kraft bei der Unterstützung des gewaltsamen Sturzes des libyschen Staatschefs Muammar al-Gaddafi. Hollande hatte wie auch andere EU-Regierungschefs 2014 die Übergangsregierung nach der Vertreibung des gewählten Präsidenten Wiktor Janukowytsch in der Ukraine anerkannt.

Macron hofft auf militärische Intervention der ECOWAS

Am Donnerstag, 27. Juli, hatten die Streitkräfte im Niger die gewählte Regierung unter Präsident Mohamed Bazoum für abgesetzt erklärt. Gleichzeitig haben sie den Kommandanten der Präsidialgarde, General Abdourahamane Tiani, mit der Übernahme der Regierungsgeschäfte beauftragt. Als Begründung nannten die Militärs unter anderem die Verschlechterung der Sicherheits- und Wirtschaftslage und Mängel in der Amtsführung Bazoums.

Während Washington und mehrere EU-Regierungen eine diplomatische Lösung anstreben, hofft Macron auf eine Militärintervention. Diese könnte von den Staaten der „Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft“ (ECOWAS) ausgehen.

Das Bündnis hatte den neuen Machthaber nach dem Putsch von vor etwa einem Monat ein Ultimatum gesetzt. Diese sollten Bazoum binnen einer Woche wieder in sein Amt einsetzen, widrigenfalls werde man Maßnahmen bis hin zu einer Intervention erwägen. Für den Fall des Falles habe man auch eine „Eingreiftruppe“ zusammengestellt, hieß es jüngst aus dem Bündnis. Frankreich wäre bereit, ECOWAS zu unterstützen.

Die EU verfügt innerhalb des ECOWAS-Bündnisses nach wie vor über Einfluss – unter anderem aufgrund der Kopplung des in mehreren Mitgliedsländern verwendeten CFA-Franc an den Euro. Dieser wurde noch in der Kolonialzeit als Währung konzipiert.

Frankreich am weiteren Erwerb von Uran aus dem Niger interessiert

Der 1960 von Frankreich unabhängig gewordene Niger gehört zu den ärmsten und am wenigsten entwickelten Ländern der Welt. Mit einem Durchschnittseinkommen nach Kaufkraftparität von 1.443 US-Dollar pro Jahr an 188. Stelle aller UN-Mitgliedstaaten.

Allerdings ist das Land der weltweit siebtgrößte Produzent von Uran – und die nigrischen Uranerze gelten als qualitativ hochwertig. Vor allem Frankreich ist am Erwerb des Rohstoffs aus dem Niger interessiert, um seine Kernkraftindustrie zu versorgen. Im Jahr 2021 war das Land zudem weltweit auf Platz 29 bei den Goldexporten. Deren Gegenwert hatte in jenem Jahr 2,7 Milliarden US-Dollar betragen.

Die Militärregierung hat mittlerweile alle Exporte von Gold und Uran nach Frankreich gestoppt. Über 50 Prozent des in Niger geförderten Uranerzes finden derzeit bei der Befeuerung französischer Kernkraftwerke Verwendung. Die Regierung in Paris erklärte, es gebe derzeit keine Versorgungskrise.

Die nach Militärputschen von der ECOWAS suspendierten Mitgliedstaaten Burkina Faso und Mali haben mittlerweile vor einer militärischen Intervention gewarnt. Von ihrer Seite hieß es, jede Aktivität dieser Art komme auch gegenüber ihren Ländern „einer Kriegserklärung gleich“. Experten zufolge droht in einem solchen Fall sogar ein Bürgerkrieg, ähnlich wie über Jahre hinweg im Sudan.



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