Russland verhängt neues Mediengesetz – 15 Jahre Haft für „Fake-News“

Die russische Regierung unter Präsident Wladimir Putin hat neue Gesetze herausgebracht, offensichtlich um Einfluss auf die Medienberichterstattung über den Ukraine-Krieg zu nehmen. Vor allem ausländische Medien haben ihre direkte Berichterstattung von russischem Boden aus eingestellt, während einige russische Medien versuchen, den Spagat zwischen kritischer Berichterstattung und Gefängnis zu meistern.
Titelbild
Der Herausgeber der „Nowaja Gaseta“ und Mitinhaber des Friedensnobelpreises 2021, Dmitri Muratow, am 7. Oktober 2021 vor dem Eingang seines Moskauer Büros.Foto: Natalia Kolesnikova/AFP via Getty Images
Von 11. März 2022

Der russische Einmarsch in die Ukraine ist nun schon zwei Wochen her. Während der Westen von einem Angriffskrieg Russlands spricht, behauptet Moskau, dass es sich um eine „militärische Spezialoperation“ handle.

Seit 4. März „Militärzensur“

Der Kreml will künftig hart gegen Informationen vorgehen, die im Widerspruch mit der offiziellen Sichtweise stehen und als Falschnachrichten angesehen werden. Die als unabhängig geltende Moskauer Zeitung „Nowaja Gaseta“ berichtete, dass ab dem 4. März das „Gesetz über die tatsächliche Einführung der Militärzensur in Russland in Kraft“ getreten sei – ohne dass das Parlament sie ausdrücklich ausgerufen hätte.

Journalisten drohten bis zu 15 Jahre Lagerhaft für die „Verbreitung wissentlich falscher Informationen über den Einsatz der russischen Streitkräfte“. „Wissentlich falsche“ Informationen seien etwa „Informationen über getötete Gefangene, Beschuss von Zivilisten in der Ukraine. Wir werden gebeten zuzugeben, dass nichts davon passiert ist“. Der Umfang der Zensur wird mit allem angegeben, was nicht den Pressemitteilungen des russischen Verteidigungsministeriums entspräche.

„Wir werden nicht länger in der Lage sein, die Wahrheit über die Kämpfe in der Ukraine zu sagen“, erklärte Nikita Kondratjew, Leiter der Nachrichtenredaktion der „Nowaja Gaseta“. Man werde „den Beschuss in den Städten unseres Bruderlandes“ und das „Schicksal unserer Soldaten, unserer Kameraden“ vorübergehend vergessen müssen. Diese, so Kondratjew, würden sich oft gegen ihren Willen in Krisenherden wiederfinden.

Zur weiteren Vorgehensweise erklärte Kondratjew, dass man weiter Informationen sammeln werde, aber nicht wisse, wann und wie man diese veröffentlichen werde.

Wir schämen uns schrecklich für diesen Schritt, während unsere Freunde, Bekannten und Verwandten in der Ukraine die wahre Hölle erleben. Und zwar auf beiden Seiten.“

Es wäre jedoch noch beschämender, wenn man sich weigern würde, überhaupt über die Ereignisse zu berichten und kündigte an, „vorsichtig und leise“ darüber zu berichten, „wohin die globale Wende, die am 24. Februar um 5 Uhr morgens stattfand, das Leben aller Menschen führt“.

Geldstrafen, Arbeitsstrafen, Freiheitsstrafen

Von den neuen Gesetzen sind allerdings nicht nur russische Medien betroffen. Die britische „BBC“ berichtete vor einigen Tagen: „Es lässt uns keine andere Wahl, als die Arbeit aller Journalisten von „BBC News“ und ihres Hilfspersonals in der Russischen Föderation vorübergehend auszusetzen“, Tim Davie, Generaldirektor des Senders.

„Die Sicherheit unserer Mitarbeiter ist von größter Bedeutung, und wir sind nicht bereit, sie dem Risiko einer strafrechtlichen Verfolgung auszusetzen, nur weil sie ihre Arbeit erledigen“, sagte Davie. Er erklärte jedoch, dass „BBC-News“ weiterhin in russischer Sprache senden werde, aber von außerhalb Russlands.

Im Zuge dieses von der russischen Föderationsversammlung erlassenen Gesetzes habe Russland nach Angaben der „FAZ“ drei neue Straftatbestände eingeführt. Nach offizieller russischer Darstellung gehe es darum, einen Kampf gegen angebliche Falschinformationen über die nach russischer Ansicht „militärische Spezialoperation“ zur „Entmilitarisierung und Entnazifizierung“ der Ukraine zu führen.

Zum einen geht man aus Kreml-Sicht gegen die „öffentliche Verbreitung absichtlich falscher Informationen über die Benutzung der Streitkräfte der Russischen Föderation“ vor. Hohe Geldstrafen, „Besserungsarbeiten“ oder Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren werden dazu als Folge von Übertretungen angegeben.

Hinzu kämen jedoch noch eine Reihe vage gefasster, erschwerender Faktoren wie die „Benutzung dienstlicher Stellung“ oder Motive wie „Hass“, heißt es weiter. Das sich daraus ergebende erhöhte Strafmaß soll fünf bis zehn Jahre Haft umfassen – und sogar bei „schweren Folgen der Tat“ zehn bis 15 Jahre betragen.

Ein 12-jähriger „Dissident“

Um berichten zu können, geht die „Nowaja Gaseta“ nun indirekte Wege. Beispielsweise berichtete die Zeitung über einen Zwölfjährigen aus Moskau mit ukrainischen Wurzeln. Der Sechstklässler hatte im Geschichtsunterricht unangenehme Fragen über den russischen „Sondereinsatz“ gestellt, nachdem die Lehrerin die offizielle Sichtweise zur Sachlage dargestellt hatte.

Schließlich musste die Mutter den Jungen von der Schule nehmen. Zu Hause suchte die Polizei den Jungen und seine Familie auf. Die Zeitung kommentierte kritisch, wer wohl auf die Idee gekommen sei, sich über einen „unzuverlässigen Sechstklässler zu beschweren“?

Laut offizieller Darstellung der Lehrerin im Unterricht hätte die Ukraine mit dem Konflikt begonnen und es würde erst mit ihrer Kapitulation enden. Der Junge habe nach Angaben der Zeitung nach der Stunde auf dem Weg in eine andere Klasse im Flur gerufen: „Ruhm der Ukraine“ – wobei einige Schüler auf dem Gang mit dem gleichen Slogan geantwortet hätten.

Am nächsten Morgen lud die Klassenlehrerin die Mutter des Jungen für mittags in die Schule vor. Die Lehrerin sagte, dass Beamte des Jugendamtes mit ihr und ihrem Sohn sprechen wollten. In der Schule gab die Mutter dann eine schriftliche Erklärung ab, dass sie ihren Sohn wegen seiner politischen Ansichten von der Schule nehme, „aufgrund der Tatsache, dass das Kind unter Druck gesetzt wird und dies unerträgliche Bedingungen für die Bildung schafft“.

Beim Verlassen der Schule trafen sie an der Schultür noch auf eine Gruppe Polizisten. Dann stiegen sie ins Taxi und fuhren fort. Am nächsten Tag, ein Sonntag, soll der Junge allein zu Hause gewesen sein, als seine Mutter bei der Arbeit war. Plötzlich klopfte es an der Tür. Zwei Polizeibeamte sollen davor gestanden haben.

Der Junge öffnete aber nicht. Nach etwa einer halben Stunde Klopfen schalteten sie den Strom in der Wohnung ab und hinterließen eine Vorladung „zur Vernehmung“, berichtete „Nowaja Gaseta“. Allerdings sei der Termin unleserlich geschrieben gewesen und es sei bei Nichterscheinen mit „Verhaftung“ gedroht worden.

Der Junge schilderte seine Gedanken laut Zeitung so: „Ich saß auf dem Bett und fragte mich, was wohl passieren würde. Aber ich hatte keine Angst.“ Die Mutter wurde zitiert, dass es wichtig sei, „Kindern in solch schwierigen Situationen zu zeigen, dass man eine friedliche Lösung anstreben sollte, auch wenn die Standpunkte nicht übereinstimmen, anstatt Männer in Uniform zu schicken“.



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