Türkei: Erdoğan kündigt Vorverlegung der Wahlen auf 14. Mai an

Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat angekündigt, die Wahlen in der Türkei schon für den 14. Mai anzusetzen. Ursprünglich rechnete man mit einem Termin im Juni.
Will den Termin für die vorgezogenen Wahlen im Alleingang durchsetzen: Recep Tayyip Erdogan.
Will den Termin für die vorgezogenen Wahlen im Alleingang durchsetzen: der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.Foto: Christoph Soeder/dpa
Von 25. Januar 2023

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat angekündigt, den 14. Mai 2023 als Termin für die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen zu bestimmen. Bis dato rechnete man in der Türkei mit einem Wahltermin am 18. Juni.

Erdoğan sprach am Sonntag (22. Januar) auf einem Jugendkongress in Bursa. Dabei erklärte er, sich mit seinem Bündnispartner Devlet Bahçeli von der nationalistischen MHP auf die Aktualisierung des Zeitplans für die Wahlen verständigt zu haben. Die Opposition will an dem ursprünglich angedachten Termin festhalten. Erdoğan besitzt jedoch aufgrund des Präsidialsystems die Autorität, dem Wahlausschuss einen anderen Zeitpunkt vorzuschlagen. Stimmt der Ausschuss zu, ist die Wahl binnen 60 Tagen durchzuführen.

Wahlen vor Abschlussprüfungen und Erntesaison in der Türkei?

Wie „Hürriyet Daily News“ berichtet, will Erdoğan am 10. März den offiziellen Wahltermin bekannt geben. In weiterer Folge werde die oberste Wahlbehörde die Wahlen vorbereiten. Erdoğan begründete den geplanten Termin im Mai mit den Bedürfnissen der jungen Menschen, die zum ersten Mal ihre Stimme abgeben.

Diese sollten in der weiteren Folge die erforderliche Ruhe haben, um sich auf Schulabschlussprüfungen vorzubereiten. Auch aus anderen Gründen habe man „keine Zeit zu verlieren“, so Erdoğan. Schon bald nach dem Wahltermin stünden die Sommerferien oder die Ernten von Tee und Haselnüssen in der Schwarzmeerregion an.

Beobachter sehen in der geplanten Ansetzung am 14. Mai jedoch auch einen symbolischen Akt. An jenem Tag des Jahres 1950 gewann die Demokratische Partei (DP) unter Adnan Menderes die Parlamentswahlen. Menderes, der als Stimme der ländlichen und religiösen Bevölkerung galt, trat damals unter dem Slogan „Es reicht, jetzt wird das Volk sprechen“ an. Er war bis 1960 Premierminister, ehe ein Militärputsch ihn absetzte und er noch im selben Jahr hingerichtet wurde. 1990 rehabilitierte ihn das türkische Parlament posthum offiziell.

Bis 1943 hatte nur die Republikanische Volkspartei (CHP) bei Parlamentswahlen kandidiert. 1946 war die DP bereits zugelassen, die Wahl galt aber nicht als frei und fair. Erdoğan hatte in der Sitzung der AKP-Parlamentsfraktion am Mittwoch der Vorwoche auf die Wahl von 1950 Bezug genommen.

Seit 2003 bestimmt Erdoğan die Geschicke der Türkei

Erdoğan bestimmt seit 2003 erst als Premierminister, dann als Präsident die Geschicke der Türkei. Nun will er ein letztes Mal für fünf Jahre im Amt bestätigt werden. Die konservative AKP und ihre beiden kleineren Bündnispartner aus der nationalistischen „Idealistenbewegung“, MHP und BBP nominierten ihn erneut.

Das aus sechs Parteien bestehende Oppositionsbündnis will am 26. Januar beraten, wen sie als Gegenkandidaten aufstellen will. Am 30. Januar will sie ihren Favoriten und das gemeinsame Wahlprogramm der Öffentlichkeit vorstellen.

Dem Bündnis gehören unter anderem die CHP und die IYI-Partei an. Diese stammt ursprünglich aus der „Idealistenbewegung“. Die IYI-Vorsitzende Meral Akşener hatte sich jedoch mit Bahçeli wegen seines Bündnisses mit Erdoğan überworfen. Eine der Kernforderungen des Bündnisses wird eine Abschaffung des Präsidialsystems sein.

Absolute Mehrheit für Erdoğan ungewiss

Erhält kein Präsidentschaftskandidat am 14. Mai die notwendigen 50 Prozent plus eine Stimme, dann gehen die ersten beiden Kandidaten am 28. Mai in die zweite Runde. Der Kandidat mit den meisten Stimmen wird in der zweiten Runde zum Präsidenten gewählt.

In den Jahren 2014 und 2019 hatte Erdoğan bereits im ersten Wahlgang die erforderliche absolute Mehrheit erzielt. Diesmal steht er vor einer größeren Herausforderung, weil die wirtschaftliche Situation der Türkei schwierig ist.

Allerdings hatte Erdoğan bislang auch immer von einer wenig überzeugenden Opposition profitiert. Lange Zeit galt der Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoğlu als deren wahrscheinlicher Kandidat. Er war im Dezember jedoch zu mehr als zwei Jahren Haft verurteilt und mit einem Politikverbot belegt worden. Das Berufungsverfahren ist noch offen.

Mögliche Schließung der PKK-nahen HDP erst nach den Wahlen verhandeln?

Nun könnte der bislang als glücklos geltende Kemal Kılıçdaroğlu seine Chance bekommen. Er führt die CHP seit 2010. Bisher aber schaffte es Kılıçdaroğlu nicht, die Partei zurück auf den Erfolgsweg zu bringen. Um auch in religiösen Bevölkerungsschichten wählbar zu werden, schnitt er einige alte, kemalistische Zöpfe ab. Mittlerweile akzeptiert er beispielsweise ein Recht auf Kopftuch und verurteilt islamfeindliche Aktionen wie die jüngste Koran-Verbrennung in Schweden.

MHP-Chef Bahçeli hat unterdessen Kritik am Verfassungsgerichtshof geübt. Dieser hatte erkennen lassen, möglicherweise einem Antrag der vor allem in den Kurdengebieten starken HDP stattgeben zu wollen.

Zuvor hatte die MHP die Schließung der Partei wegen deren vermuteter Beeinflussung durch die terroristische PKK beantragt. Am Mittwoch, 25. Januar, will das Verfassungsgericht darüber entscheiden, ob das Verfahren bis nach den Wahlen vertagt wird.

Die HDP, die auch vom Oppositionsblock als außerhalb des Verfassungsbogens stehend angesehen wird, könnte in diesem Fall zu den Wahlen antreten. Allerdings ohne Wahlkampfetat. Den für die HDP bestimmten Anteil an der staatlichen Parteienfinanzierung in Höhe von 539 Millionen türkischer Lira (etwa 29 Millionen US-Dollar) sperrte das höchste Gericht bereits.

Neben den beiden großen Wahlblöcken und der HDP wollen auch noch ein ultranationalistisches und ein kommunistisches Bündnis zu den Wahlen kandidieren. Ihre Erfolgschancen sind gering. Allerdings könnten ihre Stimmen einem der größeren Bündnisse am Ende zur Mehrheit fehlen.



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