US-Lobbygruppen arbeiten pro bono für die Ukraine und nehmen Millionen Dollar von Rüstungsunternehmen

Einige der mächtigsten Lobbyisten Washingtons geben vor, die Ukraine zu unterstützen. Sie machen es unentgeltlich „für die gute Sache“. Und sie finden nichts dabei, im Nebenraum von Waffenproduzenten Geld für andere Dienstleistungen anzunehmen.
Ukrainische Soldaten laden Munition in eine von den USA gelieferte M777 Haubitze, um auf russische Stellungen zu schießen. Die Ukraine hofft auf mehr Waffen aus dem Westen.
Ukrainische Soldaten laden Munition in eine von den USA gelieferte M777 Haubitze, um auf russische Stellungen zu schießen. Die Ukraine hofft auf mehr Waffen aus dem Westen.Foto: Evgeniy Maloletka/AP/dpa
Von 8. März 2023

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Die britische Tageszeitung „The Guardian“ veröffentlichte vor wenigen Tagen zeitgleich mit der US-amerikanischen Denkfabrik Responsible Statecraft eine Investigativ-Recherche, die seit Kriegsbeginn eine Zunahme der Präsenz der US-amerikanischen Lobbyindustrie in der Ukraine festgestellt haben will.

US-Lobbyindustrie meint hier Interessenvertretungen von Unternehmen, die Einfluss auf Politik und Gesellschaft nehmen. Es geht insbesondere um die Beschaffung und den Austausch von Informationen. Zu den Aufgaben der Lobbyisten gehört es auch, Empfehlungen für eine zukünftige strategische Ausrichtung auszusprechen.

Laut „The Guardian“ waren vor dem Krieg elf wirklich namhafte US-amerikanische Lobbyunternehmen in den USA für ukrainische Interessen unterwegs, nach Kriegsbeginn sind jetzt mehr als ein Dutzend hinzugekommen.

Solche Lobbytätigkeiten in ausländischem Auftrag unterliegen in den USA einem Lobbygesetz. So zwingt der „Foreign Agents Registration Act“ (FARA) Lobbyisten dazu, solche Tätigkeiten offenzulegen und sich vollumfänglich zu erklären. Die Geschichte des FARA begann übrigens 1938, als die USA Propaganda für Nazi-Deutschland entgegenwirken wollte.

Im Internetzeitalter werden Berichte und Akten der FARA mittlerweile online gestellt und können seit 2007 öffentlich und zu Recherchezwecken eingesehen werden. Das Justizministerium der USA zählte damals etwa 1.700 Lobbyisten, welche die Interessen von mehr als einhundert Ländern in den USA gegenüber den politischen Institutionen vertreten.

Was konkret die Lobbyisten für die Ukraine tun, erzählt der „Münchner Merkur“, der sich auf den Bericht im „Guardian“ bezieht:

Mehrere der neuen Lobbyunternehmen, die sich in der Ukraine engagieren, setzten sich für eine stärkere militärische Unterstützung der USA für das ukrainische Militär ein.“

Laut einer bei FARA hinterlegten Lobbyarbeit, welche die englische Zeitung recherchierte, beabsichtigt einer der Ukraine-Lobbyisten „bei Mitgliedern der US-Regierung darauf hinzuwirken, dass die Ausgaben des US-Verteidigungsministeriums für Verträge über Ausrüstungen und andere Maßnahmen erhöht werden, die dem ukrainischen Militär helfen, seinen Kampf gegen das russische Militär erfolgreich zu führen“.

Wie viel Gemeinwohl steckt tatsächlich im „pro bono“ der Lobbyistenindustrie?

Die Investigativjournalisten zeigten sich erstaunt darüber, dass die nach Kriegsbeginn hinzugekommenen Lobbyunternehmen ihre Tätigkeit pro bono leisten, also unentgeltlich.

Diese ihrem Wesen nach uneigennützigen Tätigkeiten relativierten sich allerdings im Verlauf der Recherche, als die Autoren Einkünfte der Lobbyisten offenlegten. Der Verdacht liegt nahe, dass diese Zahlungen in Verbindung mit den Pro-Bono-Tätigkeiten stehen. So schreibt „The Guardian“:

Einige der mächtigsten Lobbyisten Washingtons bieten der Ukraine ihre Dienste kostenlos an – aber gleichzeitig kassieren sie Millionenhonorare von Auftragnehmern des Pentagons, die vom Krieg des Landes mit Russland profitieren.”

Zu den Auftragnehmern des Pentagons („Pentagon contractors“) gehören zahlreiche Firmen der US-Waffenindustrie. Dem russischen Angriffskrieg im Osten folgte demnach eine Invasion der Lobbyisten in Washington. Sie sind die Schnittstelle zwischen dem Begehren der ukrainischen Führung nach Waffen und der Waffenindustrie in den USA, die dieses Begehren gerne befriedigen möchte.

Der Artikel zitiert David Laufman, Partner einer Anwaltskanzlei, welche zuvor einmal die Durchsetzung von FARA im Justizministerium beaufsichtigt hatte. Laufman kommentiert den erstaunlichen Zuwachs an Lobbyvertretern für die ukrainische Sache so: „Ich kann mich an keinen vergleichbaren Anstieg der Pro-Bono-Arbeit für einen ausländischen Auftraggeber erinnern.“

Es geht um viel Einfluss, um Milliardenverträge und um Millionen Dollar für Dienstleistungen

Die Journalisten haben zudem von einem Mitarbeiter, der bei FARA die Anmeldungen entgegennimmt, erfahren, was diese Lobbyisten seinen Erkenntnissen nach konkret planen: Ihr Ziel sei es, „Mitglieder der US-Regierung zu beeinflussen, die Ausgaben des US-Verteidigungsministeriums für Verträge im Zusammenhang mit Ausrüstung und anderen Bemühungen zu erhöhen, die die Fähigkeit des ukrainischen Militärs unterstützen, in seinem Kampf gegen das russische Militär erfolgreich zu sein“.

„The Guardian“ bezweifelt nicht, dass es Lobbyunternehmen gibt, denen wirkliche Solidarität mit der Ukraine am Herzen liegt. Aber eben nicht alle. Einige der ohne Honorar arbeitenden Lobbyisten haben darüber hinausgehende monetäre Absichten.

So reichte ein Ex-Senator und Senior der Anwaltskanzlei Hogan Lovells, FARA-Dokumente ein, aus denen hervorgehen soll, dass er ehrenamtlicher Lobbyist für eine vom ukrainischen Oligarchen Victor Pinchuk kontrollierte Stiftung sei. Während die Anwaltskanzlei diese Arbeit ehrenamtlich durchführt, haben zwei der zahlenden Kunden der Firma umfangreiche Verträge mit Verteidigungsbehörden geplant oder schon in trockenen Tüchern und demnach ein Interesse am Konflikt in der Ukraine, schreibt der „Guardian“.

Ein zahlender Kunde der Kanzlei ist HawkEye 360. Das Unternehmen zahlte der Anwaltskanzlei des Ukraine-Lobbyisten 200.000 Euro. HawkEye 360 ist Auftragnehmer des Pentagons. Ihr Spezialgebiet ist die Identifizierung von GPS-Störungen in der Ukraine. Offenbar ist es Teil der russischen Kriegstaktik, das ukrainische Navigationssatellitensystem zur Positionsbestimmung zu beeinträchtigen.

„The Guardian“ nennt weitere Beispiele: Auch das große Lobbyunternehmen BGR Government Affairs (BGR) begann im vergangenen Mai, ehrenamtlich für zwei ukrainische Interessenvertreter zu arbeiten. Namentlich geht es um Verträge mit Vadym Ivchenko, einem Mitglied des ukrainischen Parlaments, und mit Elena Lipkivska Ergul, einer Beraterin des ukrainischen Präsidenten Selenskyj.

BGR verdiente im Jahr 2022 parallel zu dieser Pro-Bono-Arbeit mehr als eine halbe Million Dollar mit der Lobbyarbeit für Pentagon-Auftragnehmer, von denen einige bereits vom Ukraine-Krieg profitieren. Allein der Rüstungs- und Elektrokonzern Raytheon zahlte laut OpenSecrets davon 240.000 Dollar und erhielt im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg Regierungsaufträge über zwei Milliarden Euro. OpenSecrets ist eine Nichtregierungsorganisation, die sich für mehr Transparenz in der Politik starkmacht.

Nachfragen bei den „pro bono“-Lobbyisten bleiben unbeantwortet

Auch die große Werbe- und PR-Agentur Ogilvy Group registrierte sich im August 2022 bei FARA mit einer Pro-Bono-Tätigkeit für ein ukrainisches Ministerium. Während die Agentur die Botschaft verbreitet, die Ukraine sei immer noch für Geschäfte offen, setzt sich die Ogilvy Group für Pentagon-Auftragnehmer ein, die einer Schwesteragentur von Ogilvy im Jahr 2022 fast eine halbe Million Euro gezahlt haben.

Ogilvy antwortete nicht auf eine Bitte der Journalisten, die Recherchen zu kommentieren.

Der Bericht des „Guardian“ endet mit einem Zitat einer Mitarbeiterin einer Regierungsaufsichtsbehörde, die Verteidigungsausgaben der USA kontrolliert:

„Es besteht eine hohe Nachfrage nach Waffen für den Transfer in die Ukraine und zum Auffüllen schrumpfender US-Lagerbestände […] Vertragspartner sehen Milliarden Dollar in Verträgen mit Bezug zur Ukraine.”



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