
Wiener Islamologe: „Muslimbrüder sind auch für uns Muslime problematisch“
In einem Interview mit dem „exxpress“ verteidigt der Islamwissenschaftler Amir Zaidan das Vorgehen der österreichischen Behörden gegen die Muslimbruderschaft. Die Gruppe gelte in Europa nicht als gewalttätig, habe jedoch militante Organisationen im Hintergrund.

Demonstration der Muslimbrüder in Jordanien.
Foto: KHALIL MAZRAAWI/AFP/Getty Images
Der Gründer des „Islamologischen Instituts“ und von 2002 bis 2012 für die Weiterbildung österreichischer Islamlehrer zuständige Islamwissenschaftler Amir Zaidan hat die österreichischen Behörden bezüglich der „Operation Luxor“ im November des Vorjahres in Schutz genommen.
In einem Interview mit „express.at“ wies er den Vorwurf zurück, die damalige groß angelegte Razzia gegen mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer der Muslimbruderschaft wäre ein Ausdruck „staatlicher Islamophobie“.
Bekannter Politologe klagt über PTBS nach Hausdurchsuchung
Diesen hatte unter anderem der renommierte Politikwissenschaftler Farid Hafez erhoben, der neben etwa 60 anderen muslimischen Akademikern auch selbst von einer Hausdurchsuchung betroffen war, in der es unter anderem um Vorwürfe einer „staatsfeindlichen Verbindung“ oder „Geldwäsche“ gegangen war.
Hafez erklärte später unter anderem gegenüber „Al Jazeera“, es habe sich bei der Amtshandlung um einen Versuch der „Einschüchterung“ gehandelt. Seine Familie und sogar seine Kinder litten seit dieser Zeit an Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) und hätten im ersten Monat nach der Durchsuchung an erheblichen Schlafstörungen gelitten: „Im ersten Monat hat jeder Lärm, den wir wahrgenommen haben, uns zur Frage veranlasst, ob die Polizei wieder bei uns einbricht“.
Terror auch „Grund genug, Muslimbrüder zu untersuchen“
Amir Zaidan hält die Vorwürfe von Hafez und weiteren Betroffenen für unberechtigt. „Auf keinen Fall würde ich das als Islamophobie bezeichnen“, erklärt der Islamgelehrte. „Wäre der österreichische Staat islamophob, würde er generell gegen Muslime vorgehen. Bestimmte Gruppierungen wie die Muslimbrüder sind aber auch für uns Muslime problematisch.“
Zaidan widerspricht auch der Einschätzung von Hafez, die Regierung von Bundeskanzler Sebastian Kurz habe die Hausdurchsuchungen im Rahmen eines generellen „repressiven Vorgehens gegen Muslime in Österreich“ veranlasst.
Die Ermittlungen seien nicht von der Regierung, sondern von bereits vor der Ära Kurz im Amt befindlichen Beamten, Richtern und Staatsanwälten angeordnet worden nach entsprechenden Ermittlungen durch den Verfassungsschutz. Die Behörden hätten den Auftrag, die Sicherheit des Landes zu wahren.
Er selbst, so Zaidan, begrüße „jede Arbeit in diese Richtung“. Der Terroranschlag vom 2. November sei „Grund genug, um alle islamistischen Vereinigungen zu untersuchen“, erst recht, wenn diese – wie die Muslimbrüder – „im Hintergrund militante Organisationen haben“.
„Struktur erinnert an Sekte“
Zaidan wirft sowohl Hafez als auch mehreren führenden Persönlichkeiten der „Muslimischen Jugend Österreichs“ (MJÖ) vor, selbst der Muslimbruderschaft anzugehören und dieser gegenüber sogar einen Eid geschworen zu haben. Einige davon seien unter anderem in islamischen Jugend- und Familienberatungen engagiert oder sogar bei einem Verein für Extremismusprävention.
Dabei würden jedoch gerade die einflussreichen Drahtzieher innerhalb des Netzwerks mit ihren Namen kaum in öffentlichen Funktionen in Erscheinung treten. Vielmehr stehe die Unterwanderungsarbeit von Institutionen im Mittelpunkt. Es werde „eine Struktur aufgebaut, die an eine Sekte erinnert“.
Gegen vorschnelle Urteile
Seinen Einblick in die Strukturen verdanke Zaidan eigenen Erfahrungen, die er im Laufe seiner langjährigen Arbeit gesammelt habe. Er war offenbar auch bereit, seine Beobachtungen in Form von Zeugenaussagen vor Polizeibehörden und Gerichten darzulegen – was ihm weitere Anfeindungen eingetragen hätte.
Gleichzeitig kritisiert der Gelehrte vorschnelle Urteile über Vorgänge innerhalb der muslimischen Community, deren Sinn sich Außenstehenden ohne Kenntnisse des Zusammenhangs nicht erschließe. So etwa, als es Ende der 1990er-Jahre in Hessen um die sogenannte Kamel-Fatwa ging, die Zaidan bestätigte und der zufolge es muslimischen Frauen untersagt sei, ohne Begleitung eines Verwandten weiter als die Strecke eines eintägigen Kamelritts von der elterlichen Wohnung zu verreisen.
„Kamel-Fatwa“ war eine Finte
Dass muslimische Schülerinnen deshalb eine Klassenfahrt verpasst hätten, sei von diesen selbst gewünscht gewesen – die in der heutigen Zeit unpraktikable Fatwa habe diesem Ansinnen lediglich eine Grundlage gegeben:
„Es ging in Wahrheit um etwas anderes: Drei volljährige muslimische Schülerinnen wollten bei einer zweiwöchigen Matura-Reise nach Spanien nicht mitreisen, weil sie große Probleme mit dem Leiter der Reise hatten. Der juristische Leiter des Schulamtes sagte mir damals, er könne die Schülerinnen von dieser Matura-Reise nur dann befreien, wenn es dafür gesundheitliche oder religiöse Gründe gibt. Dafür diente dieses Gutachten als Vorwand.“
Zwei Jahre später hat die hessische Regierung unter Roland Koch dieses Gutachten veröffentlicht, um „uns als rückschrittliche Organisation abzustempeln und die Einführung des islamischen Religionsunterrichts zu verhindern“.
Aktuelle Artikel des Autors
Kommentare
Noch keine Kommentare – schreiben Sie den ersten Kommentar zu diesem Artikel.
0
Kommentare
Noch keine Kommentare – schreiben Sie den ersten Kommentar zu diesem Artikel.