Amtsärzte blicken skeptisch auf Vertagung weiterer Corona-Beschlüsse – Müller sieht kaum Chancen für Lockerungen

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Die Corona-Wirtschaftskrise wird sich nach der neuen EU-Prognose länger hinziehen als gedacht.Foto: Christoph Schmidt/dpa/dpa
Epoch Times17. November 2020

Die deutschen Amtsärzte sind mit der Vertagung konkreter Corona-Beschlüsse von Bund und Ländern auf die kommende Woche unzufrieden. Sie könne einerseits nachvollziehen, „dass man versucht, mit Appellen weiterzukommen“, sagte die Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärzte im öffentlichen Gesundheitswesen, Ute Teichert, am Dienstag (17. November) im WDR. „Aber andererseits steht tatsächlich den Gesundheitsämtern das Wasser bis zum Hals.“

Wir schaffen es nicht mehr, die Kontaktpersonen nachzuverfolgen“, sagte Teichert zur Lage der Gesundheitsämter. „Von daher wären einheitliche Beschlüsse für uns sehr hilfreich gewesen.“

Teichert verwies hier insbesondere auf die Schulen. „Viele Lehrer und auch Eltern sind sehr verunsichert“, sagte sie. „Hier wären klare Regeln gut gewesen, wie wir sie in anderen Bereichen ja auch schon haben.“

Der Bund war in das Gespräch mit den Ländern am Montag zunächst mit dem Vorschlag gegangen, eine generelle Maskenpflicht in der Schule auch während des Unterrichts einzuführen und Klassen zu teilen, um mehr Abstand zu ermöglichen. Die Länder lehnten dies aber vorerst ab.

Weltärztebund fordert „Einigkeit aller Demokraten und aller Menschen“

Scharfe Kritik an der Bund-Länder-Runde äußerte auch der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery. „Was wir dort erleben als Showdown von Eitelkeiten, hilft niemandem“, sagte er im SWR. „Wir brauchen eine Einigkeit aller Demokraten und aller Menschen, die wirklich an der Gesundheit der Bevölkerung interessiert sind.“

Ziel müsse es jetzt sein, auf das „wichtigste Pfund“ zu setzen, nämlich die Bevölkerung mitzunehmen, forderte der Ärztefunktionär. „Was soll denn ein einfacher Bürger noch denken, wenn sich diese Damen und Herren streiten und sich auf nichts Vernünftiges einigen können.“

Montgomery betonte zugleich die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger. „Wir müssen vor allem Kontakte einschränken. Und das geht nur, wenn die Bevölkerung das selbst macht“, sagte er. „Wir können nicht überall einen Polizisten hinstellen.“ Es bedürfe eines nationalen Ansatzes, um die Menschen zu überzeugen. Das gelinge aber nur, wenn sich die Politik in ihrer Meinung einig sei.

Berlins Regierender sieht kaum Spielraum für Lockerungen

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sieht kaum Chancen für Lockerungsbeschlüsse bei der geplanten Konferenz von Bund und Ländern am 25. November. „Das ist von den Zahlen auch abhängig. Wir sehen eine Tendenz“, sagte Müller im RTL/n-tv-„Frühstart“.

Man sehe, dass man höchstwahrscheinlich eingreifen müsse. „Allzu viele Stellschrauben gibt es nicht. Es sind vor allen Dingen die Kontakte, da kommen ja auch die Infektionen her“, sagte Müller der RTL/n-tv-Redaktion. Die nächste Abstimmung solle besser vorbereitet werden, kündigte der SPD-Politiker an.

Denn der Erfolg liegt ja auch darin, dass wir uns einig sind und dass wir gemeinsam Maßnahmen tragen. Es bringt nicht viel, zwei, drei Schnellschüsse zu machen, wo dann sofort vier, fünf Länder aussteigen.“ Es solle dabei nicht nur um einschränkende Maßnahmen gehen.

Ein Thema sei etwa die Umsetzung der Impfstrategie. Den von Schließungen und Arbeitsverboten betroffenen Branchen machte Müller wenig Hoffnung. „Es gibt einen großen Wunsch, da auch etwas möglich zu machen für Gastronomie und auch Kultur. Aber wenn, dann werden das auch nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten sein.“

Mit Auflagen, mit Maßnahmen, dass sehr wenige Menschen sich nur begegnen könnten. Zugleich müsse es auch für diese Bereiche Planbarkeit und Berechenbarkeit geben. „Ich glaube, dass das sehr wichtig ist und auch ein Stückchen Hoffnung gibt. Wir müssen ja auch mal sehen, dass so viele unsere Maßnahmen mittragen.“

Es gehe ja nicht darum, ihnen ständig zu sagen, was nicht gehe, sondern auch mal Dinge zu ermöglichen, so Müller. Bei Schulen und Kitas plädierte Müller für eine differenzierte Wahrnehmung. „Wir haben bundesweit eine Situation, wo wir auch Infektionsdynamik sehen, aber so schwach, dass wir uns immer noch im unteren Promillebereich bewegen, was die reinen Infektionszahlen anbelangt bei den Schülerinnen und Schülern und auch bei den Lehrern.“

Daher sollten Schulen offenbleiben. Vielmehr gehe es um weitere Schutzmaßnahmen an Bildungseinrichtungen. Das betreffe nicht nur den Einsatz von Masken. „An der Schule geht es nicht nur darum, Kinder vielleicht nicht zum Unterricht zu lassen, sondern auch die Lehren und Lehrer besser zu schützen durch den Einsatz von Schnelltests. Da gibt es viele Maßnahmen, die eine Rolle spielen werden“, so der Berliner Regierungschef.

Woidke verteidigt dünne Beschlusslage von Bund-Länder-Treffen

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat die dünne Beschlusslage des Bund-Länder-Treffens vom Montag verteidigt. Es müsse zunächst klar werden, „was die Maßnahmen von vor zwei Wochen gebracht haben“, sagte Woidke am Dienstag im Rundfunk Berlin-Brandenburg. Mit Blick auf die Schulen in seinem Bundesland ergänzte er, diese seien kein Infektionstreiber der Pandemie.

Von über 900 Schulen in Brandenburg seien nur fünf geschlossen, das sei ein Anteil von lediglich 0,5 Prozent, sagte der Ministerpräsident. Sowohl aus bildungspolitischer als auch aus sozialer Sicht sei es nach den Schließungen zu Beginn der Pandemie das „Gebot der Stunde“ gewesen, Schulen wieder zu öffnen.

Für das nächste Bund-Länder-Treffen in der kommenden Woche wünsche er sich „Einigkeit“, sagte Woidke. Das erhöhe die Akzeptanz der Beschlüsse, außerdem sei ein langfristiger Fahrplan nötig. „Die Menschen wollen Sicherheit, die wollen nicht, dass jeden Tag eine neue Sau durchs Dorf getrieben wird“, sagte Woidke. (dts/afp/sza)



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