Analyse: Die AfD will weg vom 68er-Deutschland
Dann reiht sich die blonde Frau in die Warteschlange am Einlass ein. Auch im Saal und auf dem Podium läuft am Samstag nicht alles rund. Während einige Mitglieder des Bundesvorstandes miteinander scherzen und plaudern, schweigen andere eisig vor sich hin. Die Parteivorsitzende Frauke Petry stolpert, verliert einen hochhackigen Schuh. Dann nimmt sie Platz, ganz am Rand.
Es geht los – mit einer Stunde Verspätung. Eigentlich will die AfD hier in Stuttgart ihr erstes Parteiprogramm beschließen. Doch wie immer, wenn die Mitglieder der jungen Partei zusammenkommen, hagelt es erst einmal Anträge zur Tages- und Geschäftsordnung.
Ein Sympathisant des saarländischen Landesverbandes will, dass die Entscheidung des Bundesvorstandes, den Verband wegen Kontakten ins rechtsextreme Milieu aufzulösen, gekippt wird. Als Bundesvorstandsmitglied Dirk Driesang dagegenhält, ertönen aus einer Ecke laute Buh-Rufe. „Meine Damen und Herren, bitte hören Sie auf, einfach zu brüllen“, mahnt Christoph Basedow, der die Veranstaltung leitet.
„Das war eine etwas schwere Geburt bis hierin“, sagt der Parteivorsitzende Jörg Meuthen, als er um 13.15 Uhr schließlich sein ursprünglich für den Vormittag geplantes Grußwort vortragen darf. Er bemüht sich, ein Auseinanderdriften der verschiedenen Flügel der Partei zu verhindern. Er sagt, die AfD sei „modern konservativ“, „freiheitlich“ und „patriotisch“.
Und er weiß, wie man die Parteiseele am besten streichelt. Mit Blick auf die Migrationsdebatte sagt er, es sei nicht hinnehmbar, „dass wir unser Land in wenigen Jahren nicht mehr wiedererkennen werden“. Der Ruf des Muezzins solle in Deutschland nie gleichberechtigt neben dem Glockengeläut der Kirchen zu hören sein, „weil wir das in großer Mehrheit nicht wollen in diesem Land“.
Der Bundesvorstand will eine weitere Spaltung der Partei um jeden Preis verhindern. Den Auszug einer frustrierten Minderheit wie im vergangenen Juli – als Parteigründer Bernd Lucke mit seinen Getreuen die AfD verließ – soll es in Stuttgart nicht geben. Doch dass einige führende AfD-Politiker inzwischen ein Problem mit Parteichefin Petry haben, lässt sich nicht übersehen. Von allen Vorstandsmitgliedern begrüßt sie einzig Partei-Vize Albrecht Glaser mit echter Herzlichkeit.
Als Meuthen sagt, die AfD wolle „weg vom links-rot-grün verseuchten 68er-Deutschland“, tobt der Saal. Nach ihm spricht Petry. Sie sagt: „Die erlaubten Meinungskorridore werden immer enger.“ Petry spricht über den Euro, über Grenzschutz und über die „Kanzlerin der Alternativlosigkeit“.
Ausgerechnet als Petry vorne spricht, gibt ihr Widersacher, der rechtsnationale Thüringer AfD-Chef Björn Höcke im hinteren Teil des Saales kurz hintereinander drei Interviews. Ein Zufall? Seine Sprecherin sagt „Ja“. Doch wer weiß. Am Vorabend klagte ein Unterstützer Petrys über die „menschliche Niedertracht“, die er seit dem Beginn seiner politischen Karriere erlebt habe. Er sagt, diese stelle alles in den Schatten, was er in seinem früheren Berufsleben erlebt habe.
(dpa)
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