Anschwärzen mit Staatshilfe: Faeser will mehr Befugnisse für Verfassungsschutz

Nach dem Willen von Innenministerin Faeser soll der Verfassungsschutz künftig von sich aus an Privatpersonen herantreten dürfen – um über potenziell radikale Geschäftspartner zu informieren. Kritiker wittern ein „Anschwärz-Gesetz“.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz.Foto: Oliver Berg/dpa
Von 31. Oktober 2023

Erst 2021 hatte das damalige Bundeskabinett unter Angela Merkel eine Erweiterung der Rechte von Verfassungsschutzbehörden durchgesetzt. Damals ging es unter anderem um die sogenannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ), die derzeit noch Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde der FDP-Fraktion ist. Nun will Bundesinnenministerin Nancy Faeser dem Verfassungsschutz zusätzliche Befugnisse einräumen – auch solche, die weit in den privaten Bereich eingreifen.

Regelanfrage an den Verfassungsschutz in bestimmten sicherheitsrelevanten Bereichen

Wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet, soll es dem Verfassungsschutz künftig auch gestattet sein, Privatpersonen über extremistische Tendenzen potenzieller Geschäftspartner zu informieren. Bis dato konnte der Inlandsgeheimdienst die Sicherheitsbehörden informieren, sobald er Kenntnis über konkrete Anschlagspläne bestimmter Personen erlangte.

In bestimmten sicherheitsrelevanten Bereichen waren zudem Regelanfragen an den Verfassungsschutz gesetzlich oder aufgrund von Verordnungen vorgesehen. Dies betraf bestimmte Beamtenpositionen, aber auch sensible Bereiche wie IT- oder Flughafensicherheit, die Zuverlässigkeitsprüfungen erforderten. Zuletzt wurde ein entsprechender Passus im Zusammenhang mit der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit in das Waffengesetz eingefügt.

Aktives Herantreten an Vermieter, Vereinstrainer – und Banken?

Künftig soll der Verfassungsschutz aber auch von sich aus Privatpersonen über extremistische Tendenzen ihrer Mitbürger informieren dürfen. Dass es konkrete Hinweise auf Straftaten gibt oder deren Auffassungen gegen Gesetze verstoßen, soll keine zwingende Voraussetzung mehr dafür sein.

Der Inlandsgeheimdienst soll beispielsweise an potenzielle Vermieter, Lehrer oder Vereinstrainer herantreten können, um diese vor möglichen Extremisten in ihrem Umfeld zu warnen. Auch wenn es noch keinen fertigen Gesetzentwurf gibt, ist davon auszugehen, dass auch Banken zu den möglichen Adressaten solcher Hinweise werden könnten. Immerhin wäre es ja auch im Interesse der Sicherheitsbehörden, frühzeitig Kenntnisse über auffällige Geldflüsse zu erlangen.

Kritiker sprechen bereits jetzt von einem „Anschwärz-Gesetz“, einige befürchten Tendenzen wie in Kanada, wo im Zuge der Trucker-Proteste von 2022 Kontensperrungen veranlasst wurden.

Unterschiedliche Einschätzungen zum Faeser-Plan bei Grünen und FDP

Wie „Bild“ meldet, gibt es Widerstand gegen die geplanten Regelungen auch aus den Reihen der Ampel selbst. Die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) warnt vor dem Vorstoß von Faeser:

Der Verfassungsschutz hat die Aufgabe, Bürger vor Verfassungsfeinden zu schützen – nicht aktiv Verdachtsmomente zu verbreiten.“

Auch der grüne Abgeordnete Konstantin von Notz, der unter anderem Mitglied in der Kontrollkommission für die Geheimdienste ist, hält Faesers Konzept für „juristisch so schlicht nicht haltbar“.

Union wirbt für Vertrauensvorschuss gegenüber dem Verfassungsschutz

Die Kabinettsmitglieder aus den Reihen der Liberalen sollen jedoch keine Bedenken gegen das Vorhaben geäußert haben. Unterdessen kommt erste Unterstützung auch aus den Reihen der Union. Die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Andrea Lindholz, spricht von „gravierenden Einzelfällen“, in denen der Verfassungsschutz die Möglichkeit haben solle, tätig zu werden.

So sei dies etwa dann von Belang, wenn „ein Extremist Waffen oder Sprengstoff kaufen will“. Tatsache ist allerdings, dass bereits jetzt aufgrund von EU-Verordnungen und nationalen Gesetzen Erwerbsbeschränkungen oder Meldepflichten gelten. Diese betreffen unter anderem die Nachfrage von Privatpersonen nach potenziellen Komponenten für Sprengmittel oder andere Gefahrstoffe.

Die Meldepflichten gelten bereits für den Erwerb von Alltagschemikalien bei verdächtigen Transaktionen, dem Abhandenkommen oder dem Diebstahl. Zu verdächtigen Transaktionen zählen demnach unter anderem „das Auftreten des Kunden, Zweifel an der Identität, ungewöhnliche Liefermethoden oder verweigerte beziehungsweise unglaubwürdige Angaben zum Verwendungszweck“.

Faeser-Plan hätte möglicherweise weder NSU noch 9/11 oder Breivik verhindert

Lindholz äußerte, es könne „nicht sein, dass der Verfassungsschutz von schlimmen Dingen Kenntnis hat, aber zusehen muss, wie sie passieren, weil er niemanden im Vorfeld informieren durfte“. Grünen und FDP wirft sie vor, „immer noch ein tiefes Misstrauen gegenüber unseren Sicherheitsbehörden“ zu hegen. Sie würden gleichzeitig „als Erste dem Verfassungsschutz Vorwürfe machen, wenn etwas passiert und er davon wusste“.

Dennoch bleiben Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der von Ministerin Faeser angestrebten Erweiterungen der Befugnisse des Verfassungsschutzes. Vor allem hätten auch sie einige besonders gravierende extremistische Straftaten und Terrorakte der Vergangenheit möglicherweise nicht verhindert.

So hatte die NSU-Terrorzelle ihre Schusswaffen nicht legal, sondern unter der Hand in Tschechien erworben. 9/11-Terrorpilot Mohammed Atta war nicht nur im Vorfeld der Wohnungssuche in Hamburg unauffällig gewesen, er erhielt sogar ein Visum für die USA.

Der militante Islamgegner Anders Breivik war ebenfalls vor seiner Tat nicht durch extremistische Tendenzen aufgefallen. Er hatte als Betreiber einer Landwirtschaft zudem stets eine überzeugende Begründung für den Erwerb von Stoffen, aus denen sich Sprengmittel fertigen lassen.



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