Aufrüstung der Bundeswehr wird zum Milliardengeschäft – für die USA

Die Bundeswehr soll für mehr als 16 Milliarden Euro neues Gerät für die Luftwaffe erhalten. Lieferung und sogar Wartung übernehmen Konzerne aus den USA.
Hubschrauber der Bundeswehr helfen mit Löschwasser-Außenlastbehältern den Waldbrand im Nationalpark Sächsische Schweiz zu löschen.
Hubschrauber der Bundeswehr helfen mit Löschwasser-Außenlastbehältern den Waldbrand im Nationalpark Sächsische Schweiz zu löschen.Foto: Robert Michael/dpa
Von 11. November 2022

Der Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) schlägt Alarm: Das Bundesverteidigungsministerium will mehr als 16 Millionen Euro für Kampfjets und Hubschrauber ausgeben. Deutsche Anbieter sollen davon jedoch nicht profitieren – sondern einzig solche aus den USA.

Eigene Aufgaben nicht einmal eingefordert

Wie das Magazin „Europäische Sicherheit und Technik“ berichtet, steht in den kommenden Monaten die Anschaffung von F-35-Kampfflugzeugen und schweren Kampfhubschraubern des Typs CH-47 an. Beide Gerätschaften kommen aus US-amerikanischer Fertigung. Lockheed Martin stellt die F-35-Systeme her, während Boeing die CH-47 fertigt.

Nach dem aktuellen Informationsstand des BDLI über die Verhandlungen werden deutsche Luftfahrtunternehmen jedoch nicht einmal an Wartung und Instandhaltung beteiligt sein. Deutschland bemühe sich nicht einmal um eine solche Form der Einbindung. BDLI-Vorstandsmitglied Martin Kroell erklärt dazu:

Vonseiten der Bundesregierung gibt es keinerlei Forderungen Richtung der Vertragspartner, dass die deutsche Industrie beteiligt wird. Weder im Rahmen von Produktion aber auch nicht im Hinblick auf Betreuungsaufgaben.“

Finanzierung aus 100-Milliarden-Topf für Bundeswehr

Es soll zwar einen eigenen zweiten Vertrag geben, der auch sogenannte nationale Betreuungsaufgaben beinhaltet, der BDLI befürchtet jedoch, dass diese dünn gesät sein könnten, sollte keine Beteiligung der deutschen Industrie bereits im Hauptvertrag Erwähnung finden.

Gegenüber der „Welt“ äußert Kroell:

Geld, das wir für die USA ausgeben, kommt nicht zurück.“

Es gehe dabei auch um „strategische Industriepolitik“. Die heimische Industrie zu beteiligen, bringe Rückflüsse, schaffe Arbeitsplätze und ermögliche eine Anpassung an heimischen Bedarf. Die Finanzierung der Anschaffungen soll aus dem im Juni beschlossenen Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr erfolgen.

Die F-35 sollen die als veraltet geltenden Tornado-Modelle ersetzen, die Schwerlasthubschrauber die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr verbreitern. Im letztgenannten Bereich gibt es noch kein vergleichbares europäisches Modell.

Es geht um Lebenszykluskosten von 25 bis 30 Milliarden Euro

Im BDLI argwöhnt man, die Bundesregierung setze bei der Beschaffung auf Schnelligkeit vor Gründlichkeit – und verzichte deshalb auf mehr Eigenbeteiligung. Zudem sehe es das Bundesverteidigungsministerium gar nicht als seine Aufgabe, Industriepolitik zu betreiben. Auch habe es wenig Erfahrung im Umgang mit internationalen Rüstungskonzernen.

Kroell räumt ein, dass Sondervereinbarungen, die eine höhere nationale Betreuung vorsehen, Lieferzeiträume und vor allem auch Preise erhöhen. Allerdings weist man im BDLI auch auf die Laufzeit des Projekts hin und die Möglichkeiten, die über den Zeithorizont entstehen könnten.

So seien bei einer Nutzungsdauer der CH-47 von 40 bis 50 Jahren neben der Anschaffung noch Lebenszykluskosten von 25 bis 30 Milliarden zu veranschlagen. Je weniger deutsche Unternehmen hier eingebunden würden, umso mehr von dem Geld gehe in die USA. Es würden auf diese Weise Wertschöpfung, Innovationen, Steuereinnahmen und die Schaffung von Arbeitsplätzen ausbleiben.

Türkei hatte bereits schlechte Erfahrung mit Abhängigkeit gemacht

Eine weitere Problematik sei jene der Abhängigkeit. Bereits in der Vergangenheit habe sich gezeigt, dass im Ernstfall „America First“ gelte. Steige der Materialbedarf, würde die US-Rüstungsindustrie die eigenen Streitkräfte vorrangig bedienen. Dementsprechend würde sie ausländische Kunden dann unter Umständen gar nicht mehr bedienen. Das würde auch die Bundeswehr betreffen.

Die Türkei befindet sich mit den USA bereits seit Jahren im Streit um die Lieferung von F-35-Kampfflugzeugen und weiteren Gerätschaften der neuen Generation. Außerdem gab es während des Syrien-Krieges auch Unstimmigkeiten mit NATO-Partnern über die Stationierung von Patriot-Abwehrsystemen.

Ankara hat auf die mutmaßlich politisch motivierte Zurückhaltung der Amerikaner reagiert, indem das Land eigene Investitionen ausgebaut hat. Die Türkei hat mit hohem Aufwand in kurzer Zeit eine eigene Rüstungsindustrie aufgebaut. Mittlerweile ist sie selbst zu einem weltweit beachteten Hersteller leistungsfähiger militärischer Güter wie Drohnen geworden.

Dem BDLI zufolge ist es keine unübliche Forderung, nationale Betreuungsaufgaben übertragen zu bekommen. So müsse Lockheed Martin 60 Prozent des ihm zukommenden Vertragswertes für F-35 durch Offsetgeschäfte in der Schweiz kompensieren. Finnland habe sich ähnliche Vorrechte ausbedungen.

Heeresinspekteur: Bundeswehr nicht zu Kampfauftrag über mehrere Wochen fähig

Dass Deutschland keine Sonderwünsche deponiert, könnte auch am Zustand der Bundeswehr liegen. Heeresinspekteur Alfons Mais zufolge ist sie nicht unbedingt in der Position, Forderungen zu stellen. Vielmehr stehe die Truppe, so Mais laut „t-online“-Portal, „mehr oder weniger blank“ da.

Seit Beginn des Krieges in der Ukraine diskutiere man in Deutschland zwar „sachlicher und tiefer“ über Verteidigungspolitik, allerdings sei die Bundeswehr trotz des Milliardenpakets kaum verteidigungsfähig:

Wir verfügen derzeit über keine komplette deutsche Brigade, die sofort und ohne längere Vorbereitungszeit in der Lage wäre, einen Kampfauftrag über mehrere Wochen durchzuführen. Das müssen wir angesichts der Lage schnell ändern.“

Die massive Waffenhilfe für die Ukraine verschärfe die eigenen Engpässe zusätzlich. Das sei „als politische Entscheidung angesichts der Lage auch völlig nachvollziehbar“, so Mais. Es dauere allerdings, bis die Bundeswehr dieses Material ersetzt bekomme.

Unter dem Strich heißt das: Es ist weniger da als vor dem Kriegsbeginn.“



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