Bundesländer wollen Bezahlkarte für Flüchtlinge bereits im Juni einführen

14 der 16 Länder einigen sich auf ein einheitliches Vorgehen. Mecklenburg-Vorpommern und Bayern wollen eigene Wege gehen.
Ein Geflüchteter mit einer Debitcard.
Ein Flüchtling mit einer Bezahlkarte (Debitcard).Foto: Philipp von Ditfurth/dpa
Von 31. Januar 2024

Nachdem sich Bund und Länder im November vergangenen Jahres darauf verständigt hatten, dass Asylbewerber einen Teil ihrer Leistungen künftig als Guthaben auf eine Bezahlkarte bekommen sollen, ist eine Einführung ab Juni 2024 vorgesehen.

Verschiebung in SPD- und Linke-geführte Länder?

Auf die Bezahlkarte wird ein Teil der finanziellen Asylbewerberleistungen geladen. Einkaufen ist damit ausschließlich im Landkreis möglich.

Geld in die Heimatländer zu überweisen, Reisen und Einkaufen in anderen Regionen oder Kredite zurückzuzahlen, wird damit unmöglich. Kartenbesitzer müssen zum Aufladen einmal im Monat bei den zuständigen Behörden erscheinen. Die Ämter sollen auch in der Lage sein, die Karte zu sperren oder zu entladen.

Die Regeln sollen eng gefasst sein, um eine Verschiebung von Flüchtlingen in Bundesländer, die bessere Konditionen mit der Bezahlkarte bieten, zu verhindern. Denn damit könnte es laut „Bild“ dennoch Probleme geben. So diskutierten SPD- und Linke-geführte Bundesländer ein höheres, an Automaten verfügbares Taschengeld für die Kartenbesitzer. Diese Länder, so kolportiert die „Bild“, könnten so zu neuen Flüchtlingshotspots werden.

Mit schnellem Handeln der AfD ein Wahlkampfthema abgraben

Auch sei den Bundesländern eine schnelle Einführung der Bezahlkarte wichtig, bevor im Osten die Landtagswahlen stattfinden. So soll verhindert werden, dass die AfD das Thema aufgreife. Zudem soll durch die Bezahlkarte irreguläre Migration eingedämmt und Binnenmigration gestoppt werden. Der Schleuserkriminalität soll damit ebenfalls ein Riegel vorgeschoben werden.

Schwierig gestalte sich jedoch die Einigung auf einheitliche Regeln. Diese seien aber elementar, damit sichergestellt sei, dass Flüchtlinge nicht in andere Bundesländer abwandern. Bundesweit soll eine einheitliche Bezahlkarte dann bis Herbst eingeführt werden. So haben letztlich 14 von 16 Bundesländern das Abkommen unterzeichnet, teilte Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz am Mittwoch, 31. Januar, in Wiesbaden mit. Eigene Wege beim Vergabeverfahren wollen Bayern und Mecklenburg-Vorpommern gehen.

Flüchtlingsverbände sehen Verfassungsverstoß

Kritik an der Bezahlkarte äußerten unter anderem die Berliner Grünen. „Die Bezahlkarte wird teuer, aufwendig und bürokratisch sein und vor allem bewirken, dass Geflüchtete stigmatisiert und in ihrem Selbstbestimmungsrecht eingeschränkt werden“, erklärte Jian Omar, Sprecher der Grünen für Migrationsfragen im Abgeordnetenhaus.

Ähnlich sehen das auch Flüchtlingsverbände. So lehnen die Vereine Pro Asyl und der Flüchtlingsrat in Sachsen-Anhalt die Karte ab. Sie haben verfassungsrechtliche Bedenken.

Stefanie Mürbe vom Flüchtlingsrat sagte gegenüber „MDR AKTUELL“, Rückflüsse von Geld in die Heimat der Flüchtlinge werde man kaum verhindern können. Ihre Familien hätten sich oft verschuldet, damit Mitglieder nach Europa kommen könnten. Diese Schulden müssten beglichen werden.

Bezahlkarten würden daran wenig ändern, glaubt Mürbe. Mit ihnen würden dann im Laden erlaubte Dinge gekauft und mit etwas weniger Ertrag weiterverkauft. Wege, um an Bargeld zu kommen, gebe es immer, sagt sie, und das sei kaum zu kontrollieren. Spezielle Geldkarten für Flüchtlinge nennt Mürbe eine diskriminierende „Gängelung und Schikane“. Asylbewerber hätten ein Anrecht auf eine Girokarte wie andere Menschen auch.

Pro Asyl spricht von Diskriminierung

Pro Asyl bewertet Sachleistungen für Geflüchtete als „demütigend und diskriminierend“. Referentin Andrea Kothen sagte gegenüber „MDR AKTUELL“, in der Praxis bedeute das in den zentralen Aufnahmeeinrichtungen monatelang Fertigessen, das weder dem Geschmack der Flüchtlinge entspreche noch Allergien berücksichtige.

Werde im Supermarkt mit Geldkarten bezahlt, die nur für ein eingeschränktes Sortiment gültig seien, komme das einer Ungleichbehandlung und Beschränkung individueller Bedürfnisse gleich. Mit der Bezahlkarte würden im Alltag eigentlich selbstverständliche Handlungsmöglichkeiten verloren gehen, etwa das Benutzen einer öffentlichen Toilette.

Der Verein hält einen Stopp frei verfügbarer Bargeldleistungen für verfassungsrechtlich fragwürdig. Gerichtsurteile legten nahe, dass ein vollständiger Entzug von Bargeld verfassungswidrig wäre.

Gemischte Reaktionen auf Testläufe in Thüringen

Dass die Kommunen durch die Bezahlkarte Kosten einsparen, weil Mitarbeiter das Geld nicht mehr am Schalter auszahlen müssen, bezweifelt Andrea Kothen.  So seien die Kosten für eine solche Umstellung auf spezielle Bezahlkarten noch unklar.

Es müssten Produktionsfirmen engagiert, Akzeptanzstellen gefunden und technische Fragen gelöst werden. Profiteure seien dann meist private Dienstleister. Die Städte und Gemeinden zahlten dagegen drauf, glaubt sie.

Gemischte Reaktionen riefen die Testläufe für die Bezahlkarte in zwei Thüringer Landkreisen hervor. Während die Greizer Landrätin Martina Schweinsburg (CDU) von einem „vollen Erfolg“ spricht (200 der 740 Flüchtlinge nutzen die Karte), übt der Thüringer Flüchtlingsrat Kritik.

So sei die Nutzung der Karte sowohl in Greiz als auch in Eichsfeld nur mit Einschränkungen möglich. Zwar könnten die Flüchtlinge in Supermärkten mit der Karte bezahlen, doch gebe es Probleme beim Friseur oder in kleineren Geschäften.



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