Bundesrat blockiert Lauterbachs Krankenhausreform: Länder fühlen sich hintergangen

Eine heftige Diskussion zum Krankenhaustransparenzgesetz nahm am 24. November eine überraschende Wende – trotz hohen Drucks von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), der das Gesetz mit ethischen Aspekten rechtfertigte.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach musste bei der Bundesratssitzung am 24. November heftige Kritik einstecken. Foto: Gregor Fischer/Getty Images
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach.Foto: Gregor Fischer/Getty Images
Von 25. November 2023

Schelte für den Bundestag und Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Das Krankenhaustransparenzgesetz, das am 19. Oktober von den Abgeordneten verabschiedet wurde, stand am 24. November auf der Tagesordnung des Bundesrates. Zwar ist dieses Gesetz nicht zustimmungspflichtig, aber innerhalb der einzelnen Bundesländer regte sich heftiger Widerstand. Gleich mehrere Länder kritisierten, dass der Bund mit dem Gesetz in ihre Entscheidungshoheit eingreife. Denn für die Krankenhausplanung sind die Länder zuständig.

Einigkeit herrschte unter den Beteiligten dahin gehend, dass die Krankenhäuser die wichtigsten Versorgungseinrichtungen sind. Klar ist auch, dass die Kliniken unter erheblichem Kostendruck stehen. Nicht nur die Steigerung der Energiekosten macht den Betreibern das Leben schwer, sondern auch erhöhte Lebensmittelkosten und höhere Personaltarife.

Karl-Josef Laumann (CDU), Gesundheitsminister in Nordrhein-Westfalen, hält das Gesetz in seinem Ansatz für vernünftig. Denn durch das Gesetz sollen die Qualität einzelner Krankenhäuser und dort verfügbare Leistungen im Rahmen eines Registers offengelegt werden. Auf diese Weise sollen Patienten schneller herausfinden, welche Klinik für sie schwerpunktmäßig am ehesten infrage kommt – beispielsweise durch Spezialisierung auf eine bestimmte Krebserkrankung. Laumann jedoch findet den Zeitpunkt für ein solches Gesetz verfrüht. Denn die vorgesehenen Leistungsgruppen, die dem Register zugrunde liegen sollen, wurden noch gar nicht in den Ländern definiert.

Auf der staatlichen Ebene müsse man einsehen, wer wofür zuständig ist, so Laumann. „Die Planungshoheit über Krankenhäuser muss bei den Ländern bleiben, weil wir besser wissen, wie die Krankenhausstruktur in unserem Land ist“, unterstrich der Minister.

Gesetz stellt „verfassungswidrigen Eingriff“ dar

Ähnlich äußerte sich Prof. Dr. Kerstin von Decken, Justiz- und Gesundheitsministerin aus Schleswig-Holstein. Sie wies darauf hin, dass die Krankenhausreform erst in einigen Jahren ihre Wirkung entfalten werde. Bereits jetzt zeichne sich jedoch „ein unkontrolliertes Krankenhaussterben“ ab. Eine „mittlere zweistellige Zahl“ von Kliniken habe bereits Insolvenz angemeldet.

Die Ministerin wandte „massive rechtliche Bedenken“ gegen das Gesetz ein. Der von der Regierung vorgeschlagene Weg sei falsch, weil die Reihenfolge nicht korrekt sei. „Erst muss eine Übergangsfinanzierung, dann eine Krankenhausreform und dann ein Transparenzgesetz kommen.“ Ein weiterer Knackpunkt sei – da pflichtete sie ihrem Kollegen aus NRW bei –, dass im Transparenzverzeichnis nur die Leistungsgruppen abgebildet werden können, die den Krankenhäusern zuvor von den Ländern zugewiesen worden seien.

Der Bund möchte jedoch selbst vorab eine solche Zuordnung vornehmen. Das ist ein verfassungswidriger Eingriff in die Krankenhausplanungskompetenz der Länder“, so von Decken.

Mehr Verwirrung als Transparenz

Manfred Lucha, Gesundheitsminister aus Baden-Württemberg, stellte klar: Das Gesetz schaffe nicht mehr Transparenz, „sondern stiftet Verwirrung“. Es gehe bei dieser Reform nicht nur darum, dass Bund und Länder an einem Strang ziehen. Wichtig sei, dass sie in dieselbe Richtung ziehen.

„Dieses Gesetz tut so, als gebe es die Leistungsgruppen schon“, betonte Lucha und warf dem Bund ebenfalls vor, in die Länderhoheit einzugreifen.

Zehn Milliarden Euro Defizit

Klare Worte fand auch Judith Gerlach (CSU), bayerische Staatsministerin für Gesundheit. „Wir alle wissen, den Krankenhäusern steht das Wasser bis zum Hals“, erklärte sie. Die Ursachen dafür, dass die Deutsche Krankenhausgesellschaft mit einem Defizit von zehn Milliarden Euro rechne, seien hinlänglich bekannt: weniger Fälle, mehr Kosten. Härtefallhilfen, die für Krankenhäuser geschaffen wurden, reichen ihres Erachtens hier nicht aus. Auch Lippenbekenntnisse würden nicht weiterhelfen.

Gerlach forderte gemeinsam mit anderen Bundesländern eine Summe von fünf Milliarden Euro zur Stabilisierung der Krankenhäuser. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) warf sie vor, dass er in den Bund-Länder-Gesprächen zur Krankenhausreform Finanzierungsfragen „im Grunde genommen völlig ausgeklammert“ habe. Sie kritisierte auch einen massiven, bislang nicht absehbaren bürokratischen Aufwand, den das Gesetz für die Krankenhäuser mit sich bringt. „Es braucht die Hand am Bett und nicht am Tablet.“

Zwei Drittel der Kliniken in wirtschaftlicher Schieflage

Auch für den hessischen Staatsminister Kai Klose ist in Bezug auf die Krankenhaussituation klar: „So wie es ist, kann es nicht bleiben.“ Zwei Drittel der Kliniken würden ihre wirtschaftliche Lage als schlecht oder sehr schlecht beschreiben. Kliniken, welche die Betriebskosten nicht finanzieren könnten, würden untergehen.

„Die Krankenhauslandschaft wird sich unstreitig verändern“, betonte Klose. Die Frage sei, ob die Daseinsfürsorge dem Markt überlassen oder die Veränderung aktiv gesteuert und gestaltet werden solle.

Dr. Andreas Philippi (SPD), Gesundheitsminister aus Niedersachsen, sprach aus seiner Perspektive als Arzt davon, dass die Krankenhäuser sich derzeit in einer erheblichen Ausnahmesituation befänden. „Der überwiegende Teil der Kliniken ist defizitär finanziert; in nicht wenigen Fällen drohen Insolvenzen“, betonte er.

Qualität im ländlichen Raum gefährdet

Prof. Dr. Benjamin-Immanuel Hoff (Linke), Chef der Staatskanzlei Thüringen, äußerte seine Sorge aus der Sicht der Ostdeutschen. Denn gerade hier gebe es den ländlichen Raum und kaum Ballungsgebiete. Die Krankenhausreform, wie sie derzeit beabsichtigt sei, wäre ein Nachteil für die Patientenversorgung im ländlichen Raum.

Ganz „plakativ“ äußerte er in Richtung Lauterbach: „Wenn sich in einzelnen Regionen die Frage stellt, ob es um eine gute Fallzahlenqualität geht, dann werden viele sagen: ‚Gar keine Versorgung ist wohl die schlechteste Versorgungsqualität.‘“

Hierzu führte Hoff an, dass im Jahr 1992 insgesamt 44,6 Prozent der Krankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft waren, 2022 waren es nur noch 15,6 Prozent. Im Gegenzug stieg der Anzahl der Kliniken in privater Trägerschaft im gleichen Zeitraum von 15 auf 39 Prozent. Der Thüringer brachte auch das altbekannte Modell der Polikliniken ins Spiel, die zu DDR-Zeiten eine große Rolle im Gesundheitssystem spielten. In Polikliniken arbeiteten verschiedenste Mediziner sektorenübergreifend unter einem Dach zusammen. Inzwischen sei der Begriff Poliklinik jedoch „verpönt“ – zu Unrecht, wie Hoff findet.

Hamburger Senatorin unterstützt Lauterbach

Melanie Scholtzhauer (SPD), Gesundheitssenatorin aus Hamburg, stellte sich hinter ihren Parteikollegen Lauterbach. Sie stimmte nicht für den Vermittlungsausschuss und ging davon aus, dass der Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes von den Ländern vertreten werden könne. Dabei warf sie eine „strategische Frage“ auf: Was ist das beste Ergebnis, das wir in dieser Verhandlungssituation erreichen können? Aus ihrer Sicht ist das Gesetz schon jetzt ein Erfolg. Scholtzhauer zweifelt daran, dass solcher Erfolg durch „ein Auseinandertreiben der Länder“ durch den Vermittlungsausschuss erreicht werden könne.

Lauterbach: 500.000 neue Krebskranke im Jahr 2024

Am Ende der Diskussion trat der Bundesgesundheitsminister an das Rednerpult. Mit einem emotionalen Appell verwies er auf die Wichtigkeit des Krankenhaustransparenzgesetzes. Im nächsten Jahr würden 500.000 Menschen erstmalig mit der Diagnose Krebs konfrontiert sein. „Denen wollen wir helfen, das richtige Krankenhaus zu finden.“ Er verwies auf große Qualitätsunterschiede zwischen den einzelnen Kliniken. „Die Sterblichkeitsunterschiede sind zum Teil 100 Prozent“, sagte der Minister. Die Aussage, dass Krankenhäuser alle gut seien, sei eine Illusion.

Während seiner Rede gab Lauterbach einen Einblick in seinen Alltag: Menschen würden bei ihm am Wochenende anrufen und fragen, an wen sie sich mit ihrer Diagnose wenden sollten. Was solle er denn den 1,5 Millionen Krebskranken sagen, wo sie sich behandeln lassen sollen? Nach Ansicht von Lauterbach brauche es das Gesetz auch aus ethischer Sicht.

Bis zum Ende der Debatte hoffte er, dass die Reform nicht „blockiert“ wird, indem die Länder den Vermittlungsausschuss anrufen, wo das Gesetz „möglicherweise mit fachfremden Argumenten“ gestoppt werden könnte.

Am Ende sprach sich die Mehrheit der Bundesländer jedoch für den Vermittlungsausschuss aus – „eine schlechte Nachricht für Patienten“, wie Lauterbach die Entscheidung später bezeichnete. Auch die gesetzlichen Krankenkassen kritisierten den Bundesratsbeschluss. Es sei „außerordentlich bedauerlich und wohl kaum im Interesse der Patientinnen und Patienten, dass der Bundesrat hier das Signal auf Stopp statt auf Weiterfahrt gestellt hat“, sagte Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbandes. Lauterbach geht davon aus, dass das Vermittlungsverfahren „zügig“ abgeschlossen wird. Dass dort eine schnelle Einigung erzielt wird, gilt jedoch in Fachkreisen als eher unwahrscheinlich.

Das Vermittlungsverfahren ist eine Regelung, die im Grundgesetz in Artikel 77 verankert ist und zum Tragen kommt, wenn die Mehrheit der Bundesratsmitglieder gegen ein im Bundestag beschlossenes Gesetz stimmt. Schon vor der Ablehnung im Bundesrat hatte die bayerische Staatsregierung angekündigt, dass sie eine Verfassungsklage erwägt, sollte das Gesetz ohne weitreichende Änderungen in Kraft treten. Auch Gutachter hatten vor der Krankenhausreform, wie sie aktuell geplant ist, gewarnt, da es für die Patienten erhebliche Nachteile mit sich bringen würde.



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