Die Bienenkugel: Eine runde Sache

Wie der Wunsch nach guten Äpfeln zu neuen Wegen in der Bienenhaltung führte.
Titelbild
Aus einem nachwachsenden Holzwerkstoff, der bei der Papierherstellung als biologisches Nebenprodukt anfällt, werden die runden Rähmchen im Pressverfahren hergestellt.Foto: Andreas Heidinger
Von 20. Februar 2023

Andreas Heidinger hatte es im wahrsten Sinne des Wortes satt, dass seine im Supermarkt gekauften Äpfel meist nach kurzer Zeit von innen heraus zu faulen anfingen. So kam er auf die Idee, mit der Pacht einer Streuobstwiese wieder Zugriff auf alte Apfelsorten zu bekommen und damit diese auch zu erhalten. Das war im Jahr 2005. Mit der Wiese kamen nicht nur die Obstbäume in Heidingers Leben, sondern auch ein zurückgelassenes Bienenvolk ohne Königin, welches der vorherige Besitzer in einer heute üblichen eckigen Bienenbeute, einer künstlichen Nisthöhle, dort hatte stehen lassen.

Ratsuchend bei einem erfahrenen Imker bekam er den Hinweis, doch einfach selbst mit der Bienenhaltung anzufangen. Nach Besuch eines Imkerkurses begann der gelernte Modellschreiner mit seinen Beobachtungen der arbeitsamen Honigproduzenten. Das Auffälligste war zunächst, dass die Bienen stets die Ecken der Rähmchen (Holzrahmen mit vorgefertigten Wachsplatten, um den Bau des Brut- und Honigraums der Bienen zu lenken) bei ihrer Bearbeitung ausließen. Stattdessen wanderten sie lieber in einen neuen Rahmen weiter und ließen die befüllten Waben in kreisförmiger Anordnung zurück.

Mit dem Wissen, dass eine konstante Temperatur von 35 Grad Celsius im Stock äußerst wichtig für eine gesunde Brutentwicklung ist und die Bienen alles daran setzen, dieses Raumklima zu erhalten, erkannte Heidinger, dass es für die Bienen in den Ecken schlicht zu kalt war. Um diese Abkühlung zu verhindern, kam ihm seine berufliche Erfahrung im Metier der Gießereitechnik zugute: Eine kompakte Metallkugel kühlt wesentlich langsamer aus als ein Gegenstand mit größerer Oberfläche. Ein physikalisches Gesetz, jedem bekannt, der schon einmal Kuchen gebacken oder im Sommer einen Eimer Wasser ausgeschüttet hat. Das Verhältnis Oberfläche zu Volumen ist entscheidend beim Temperaturabbau.

Das kompakte Rund entspricht den Bedürfnissen der Bienen

Jetzt war es für Heidinger nur noch ein kleiner Schritt bis zu der Idee, runde Rahmen zu bauen, zumal die ursprüngliche Behausung der Apis mellifera, der Honigbiene, hohle Totbäume waren. Im Übrigen bringen Pilze, die für die langsame Zersetzung des Holzes sorgen, und die hohe Wasserspeicherkapazität des abgestorbenen Holzes den Bienen fördernde Lebensbedingungen.

Die runden Rahmen inklusive angepasster Beuten, die in ihrer Logik so bestechend einfach klingen, stellten sich als sehr großen Schritt für die Imkerei heraus, vielleicht für manche als zu großen Schritt. Doch rund eintausend Bienenkugeln in ihrer weiterentwickelten Form als äußerlich sechseckiger Kubus mit runden Rahmen sind bereits weltweit im Einsatz. Prof. Jürgen Tautz von der Universität Würzburg, einer der bekanntesten Bienenforscher Deutschlands, sagt, er kenne keinen Imker, der auf diese neue Methode umgestiegen und nicht total begeistert davon sei. Alle möchten in jedem Fall bei dieser Art des Imkerns bleiben. Er fügt hinzu, er kenne viele Imker, die bei anderen Neuerungen bisher in der Regel enttäuscht aufgegeben hätten.

Dabei liegen die Vorteile auf der Hand: Die viel leichter zu bewahrende nötige Raumtemperatur bedeutet weniger sogenannte Heizerbienen und entlastet das Bienenvolk. Rund die Hälfte der Energie kann eingespart werden. Auch brauchen sie bis zu ca. 50 Prozent weniger Futter, um über den Winter zu kommen, und sind insgesamt weitaus resistenter gegen Parasiten wie die Varroamilbe. Durch die gleichbleibende Temperatur im Stock entsteht auch weniger Feuchtigkeit, die sich sonst infolge des Taupunktes bei Temperaturunterschieden bis zu zehn Grad Celsius schnell bildet und zu Schimmel- und Schädlingsbildung beiträgt.

All diese verringerten Stressfaktoren lassen die sprichwörtlich fleißigen Bienen in ihrem Verhalten weniger aggressiv auftreten. Dazu trägt sicherlich auch bei, dass jede einzelne Bienenkugel mit genügend Abstand, rund 10–30 Meter zueinander, aufgestellt wird. Eine logische Schlussfolgerung, wenn man sich am natürlichen Nistverhalten der Bienen ausrichtet.

Last but not least schont die Bienenkugel den Rücken des Imkers, der es ihm danken wird: Das beschwerliche Ab- und Aufheben der gewichtigen Honigräume entfällt, da Brut- und Honigraum nicht getrennt voneinander, sondern in einer Einraumbeute vor dem „Honigmeister“ stehen.

Beständige Symptombekämpfung statt Ursachenforschung

Ein weiteres höchst brisantes Thema ist die gängige Zufütterung der Bienen mit Einfachzucker im Austausch zu ihrem Honig. Das erste Mal wurde dies vor rund 130 Jahren um 1887 propagiert. Ziel war es, das Abkoten der Bienen in der Beute während der Wintermonate zu reduzieren und damit Schädlingsbefall zu verringern. Interessantes Detail: Der experimentierfreudige Bienenfreund war Sohn eines Aktionärs der Zuckerfabrik Wabern.

Diese Art der Zufütterung kann nicht ohne Folgen bleiben. Heute sind wir laut Andreas Heidinger an dem Punkt, an dem der Organismus mancher Bienenvölker seine selbst produzierten Vorräte nicht mehr verstoffwechseln kann. Gerade ballaststoffreiche Sorten wie Waldhonig wären dann das Todesurteil für sie. So geben die Bienen der drogengleichen Zuckerlösung den Vorrang gegenüber ihrer vollwertigen und mit vielen Mineral- und Vitalstoffen versehenen Süßigkeit, so sie vor die Wahl gestellt sind.

Parallel zu dieser Praxis begannen die Schwierigkeiten mit Krankheiten wie der schon erwähnten Varroamilbe. Die Behandlung dagegen wird wie eine quasi gottgegebene Aufgabe hingenommen. Da Heidinger von einem symptombezogenen Ansatz wieder hin zu einem ganzheitlichen Denken und Erfassen der Situationen gekommen ist, versucht er eine Um- beziehungsweise Rückgewöhnung der Bienen mit probiotischen Lebensmitteln, die den ganzen Organismus dieser stärken sollen. Grundlage für seine Experimente ist Wasserkefir sowie eine Studie über Probiotik, zu finden auf der Webseite www.bienenkugel.de.

Die Schöpfung bietet alles in höchster Qualität

Geduldige Beobachtungen brachten Heidinger zur Tat. Er hat Verantwortung übernommen und Voraussetzungen für ein Imkern mit einem grundsätzlich anderen Ansatz geschaffen.

Damit der Tisch für Bienen gedeckt bleibt, ist auch ein Umdenken in Forst- und Landwirtschaft nötig. Immer noch dominieren vielerorts staatlich subventionierte Monokulturen mit kaum nektartragenden Blüten. Ein Umbau hin zu Mischwäldern mit größerer Artenvielfalt findet erst allmählich statt. Auch in der immer noch sehr großflächigen Landwirtschaft ohne Hecken, die vielen Tieren und Pflanzen Schutz- und Lebensraum bieten würden, werden die meisten blühenden Pflanzen als Unkraut bekämpft.

Überall, in privaten Gärten wie auf öffentlichen Freiflächen, kann Büschen, Bäumen und Blumen Raum gegeben werden, die den Bienen Nahrung spenden. Denn ohne die wichtige Bestäubungsarbeit durch Bienen sähe auch unser Tisch bald leerer aus. Für dieses bewusste Miteinander von Mensch, Pflanze und Tier plädiert Heidinger und führt dies auf anschauliche Weise in seinem neuen Buch „Mit Bienen die Welt retten“ aus.

Sollten Sie dennoch von den summenden Helfern mal einen Stich abbekommen und nicht explizit allergisch dagegen sein, dann bedenken Sie, dass zusammen mit anderen Bienenprodukten wie Gelee Royal, Propolis und Pollen das Bienengift auch in der Krebstherapie eingesetzt wird. Es stärkt das Immunsystem.

Und der Geschmack überzeugt allemal: Honig aus einem prall gefüllten Stück Wabe zu entnehmen, ist im Vergleich zu einem ewig flüssig bleibenden Standardhonig ähnlich erhebend wie frisch gepresster Saft aus alten Apfelsorten.

 

Das inzwischen dritte Buch von Andreas Heidinger mit dem Titel „Mit Bienen die Welt retten“, erschienen im SüdOst Verlag, führt mit viel Hintergrundwissen und gut erklärten Fotos an das Imkern mit der Bienenkugel heran: Vom Sinn des Schwärmens, über die Pflege der Völker bis zur Ernte werden alle Aspekte beleuchtet. In übersichtlicher Gestaltung und anhand vieler Diagramme werden Zusammenhänge deutlich. Bienenorientierte Umgestaltung in Garten, Land- und Forstwirtschaft, Erfahrungsberichte, Ideen zur Vermarktung der Bienenprodukte bis hin zur Übertragung der Bauweise eines Bienenstockes in die Architektur runden das Buch ab.

 

 

 



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