Gaskrise: Experten-Gremium schlägt deutsche „Kompensationszahlungen“ vor

In Europa droht eine Gaskrise, die möglicherweise die EU auf eine harte Probe der Zusammenarbeit der Länder stellen könnte. Ein Expertenrat warnt zudem vor einem Gas-Embargo gegen Russland.
Die steigenden Gaspreise bereiten vielen Menschen in Deutschland Sorgen.
Die steigenden Gaspreise bereiten vielen Menschen in Deutschland Sorgen.Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa
Von 11. August 2022

Der wissenschaftliche Beirat des Klima- und Wirtschaftsministeriums veröffentlichte am 28. Juli eine Stellungnahme, die bereits am 23. Juni an Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) geschickt worden war. Eines der Hauptthemen des Briefes war die drohende Gaskrise: „Kommt es zur dritten Krisenstufe des Notfallplans Gas – der Notfallstufe – muss Gas rationiert werden“, schrieben die Wissenschaftler, wie wir bereits berichteten.

Das Gremium verwies jedoch noch auf einen größeren Umfang: Deutschland allein sei mit der Bewältigung der Krise überfordert. Versorgungssicherheit sei eine öffentliche Aufgabe, die europäisch koordiniert werden müsse.

Deutsche „Kompensationszahlungen“ für EU-Gaskrise

Das Gremium befürchtet jedoch, dass möglicherweise einige Länder eine reduzierte Bereitschaft hätten, im Fall der Fälle für die „europäische Solidarität“ einzutreten. Sie könnten darauf spekulieren, von der Versorgungssicherheit ihrer Nachbarn zu profitieren, um die hohen Kosten der Speicherfüllung zu vermeiden.

Andere europäische Nachbarn seien dabei, ihre Gasspeicher zu füllen, was die Nachfrage und die Preise nach oben treibe. Das gilt im Prinzip auch für Deutschland und könnte gewisse Reaktionen hervorrufen: „Wenn die Gaszuteilung auf der Grundlage von Marktpreisen geschehen soll, wird Deutschland den Preis nach oben treiben und andere Länder könnten versucht sein, Lieferungen nach Deutschland zu unterbinden, um den Preis im Inland nicht zu stark ansteigen zu lassen.“

Um das zu verhindern und eine koordinierte Befüllung der Speicher in Europa zu gewährleisten, müsse Deutschland – für die europäische Kooperation – auf die anderen europäischen Staaten zugehen, rät der Expertenrat. Man müsse Kompensationszahlungen anbieten. Das müsste jetzt vorbereitet werden, um in der Krise opportunistisches Verhalten zu verhindern.

Energie sparen, Erneuerbare und Atomkraft

Um die von der Bundesregierung angestrebte Beendigung der Abhängigkeit von russischem Gas mittel- und langfristig zu erreichen, seien weitere Anstrengungen notwendig: Bau von LNG-Terminals, langfristige Energiesparmaßnahmen für Haushalte und Unternehmen, ein beschleunigter Ausbau des inländischen Stromnetzes zwischen Deutschland und seinen Nachbarländern. Auch der möglichst schnelle Ausbau der erneuerbaren Energien ist demnach ein wichtiger Punkt. Man empfiehlt sogar in der „Übergangszeit“ eine verstärkte Nutzung von Kohlekraftwerken und rät zu einer eventuellen Verlängerung der Laufzeiten von Kernkraftwerken.

Für und Wider eines Gas-Embargos

Von einem EU-Embargo gegen russisches Gas rät der Expertenrat jedoch ab. Es gebe eine zu hohe Unsicherheit bei den Kosten und ebenso beim Nutzen. Das Gremium erinnert auch daran, dass es zwar gesunkene Importe fossiler Brennstoffe aus Russland nach Europa seit Beginn des Ukrainekrieges gegeben habe, Russland aber aufgrund des dramatischen Preisanstiegs gestiegene Einnahmen verzeichnen konnte.

Wenn man nun ein Gas-Embargo gegen Russland verhängte und es sogar gelänge, die russischen Gaseinnahmen effektiv zu verringern, sei unklar, was dies für einen Effekt auf die Politik Russlands und dessen Kriegsführung hätte. Wenn man dies dennoch machen wolle, müsse man über neue Strategien nachdenken, etwa ein koordiniertes Preisultimatum aller EU-Staaten, russisches Gas nur zu einem bestimmten Höchstpreis abzunehmen. Dafür wäre allerdings eine Rechtsgrundlage nötig, die einen solchen Eingriff in bestehende Verträge als Sanktionsmaßnahme ermöglichen würde.

Der Expertenrat geht bei seinen Überlegungen davon aus, dass Russland wegen fehlender Transportkapazitäten kurzfristig nur wenig alternative Verkaufsmöglichkeiten besitze. Es gebe auch keine Speichermöglichkeiten in Russland, so das Gremium. „Bei einem Lieferstopp müsste Russland entweder die Produktion fortsetzen und das geförderte Gas abfackeln oder die Bohrlöcher versiegeln.“ Beides wird nicht als sinnvolle Lösung erachtet. Im ersten Fall sei das Gas verloren, im zweiten müsse bei Wiederaufnahme der Förderung kostspielig ein neues Bohrloch gegraben werden.

Das Fazit: Diesen Weg sollte Europa aber nur gehen, wenn es genügend Prävention getroffen habe, um notfalls auch ein vollständiges russisches Embargo geschlossen durchstehen zu können.



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