Grüne gegen Gesetzesänderung zu Bezahlkarte für Flüchtlinge – FDP stellt Ampel-Aus in Aussicht

Die Grünen als Verteidiger eines Rechts auf Bargeld? Teile der Partei sollen die Bezahlkarte für Flüchtlinge als diskriminierend empfinden. Nun sperrt sich die Fraktion auf formalen Gründen gegen eine bundesweite Gesetzesänderung. Die FDP sieht sich provoziert.
Mit der Bezahlkarte soll verhindert werden, dass Flüchtlinge Geld an Schlepper oder an ihre Familie oder Freunde ins Ausland überweisen.
Mit der Bezahlkarte soll auch verhindert werden, dass Migranten Geld an Schlepper oder an ihre Familie oder Freunde ins Ausland überweisen.Foto: Bodo Schackow/dpa
Von 18. Februar 2024

Wird eine Debatte über Formalien zum entscheidenden Impuls für die FDP, die Ampel zu sprengen? Jüngste Äußerungen von Vizechef Wolfgang Kubicki deuten zumindest darauf hin. Während immer mehr Länder und Kommunen auf Bezahlkarten für Flüchtlinge umstellen wollen, sperren sich die Grünen gegen Änderungen beim Asylbewerberleistungsgesetz. Nächste Woche sollten diese auf der Tagesordnung stehen. Bis zum Abend des Freitags, 16. Februar, war das weiterhin nicht der Fall.

Bezahlkarte als Sprengsatz für Ampel?

Die Gesetzesänderung soll eine Grundlage schaffen für die flächendeckende Einführung der Bezahlkarte. Dass es eine solche für die Grundversorgung der Asylbewerber geben soll, darauf haben sich Bund und Länder im vergangenen Herbst geeinigt.

Die wiederaufladbare Bezahlkarte soll den Flüchtlingen Zugang zu einem bestimmten Angebot an lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen gewähren. Dazu soll es beispielsweise im Landkreis Freising noch ein Taschengeld von maximal 50 Euro geben.

Befürworter der Bezahlkarte wollen zum einen durch ein Ende der Auszahlung höherer Bargeldbeträge einen Anreiz zur Flucht nach Deutschland beseitigen. Zum anderen soll Kapitalabfluss gestoppt werden, der durch – dann nicht mehr mögliche – Überweisungen in die Herkunftsländer entsteht.

Grüne bestreiten Zusammenhang mit Debatte über medizinische Versorgung

Sperren sich die Grünen nun plötzlich aus ideologischen Gründen gegen diese Maßnahme, die offenbar eine so breite Zustimmung unter den betroffenen Ländern und Kommunen findet? Kubicki geht davon aus. In „Bild“ äußerte er:

„Sollten die Grünen diesen minimalinvasiven Eingriff in das Asylbewerberleistungsgesetz tatsächlich torpedieren, stellt das die Fortsetzung der Koalition infrage.“

Die Grünen, so Kubicki, würden Menschen damit der Bundesregierung und den demokratischen Institutionen entfremden und den Rechtsaußen in die Hände spielen. Im „Bild“-Bericht heißt es, dass der grüne Koalitionspartner im Gegenzug für eine Zustimmung zur Gesetzesänderung eine Bedingung stellt.

Dieser zufolge soll es Schutzmaßnahmen geben für Menschen, die in der frankofonen Welt als „Sans Papiers“ bezeichnet werden. Die „vollziehbar Ausreisepflichtigen“ ohne eigene Ausweispapiere sollen demnach künftig auch über die Notfallversorgung hinaus zum Arzt gehen können. Bis dato müssen sie im Fall eines Arztbesuchs damit rechnen, gemeldet und abgeschoben zu werden.

Hilfsorganisationen sprechen von gezielter Schikane ohne realen Nutzen

Nicht nur in der FDP, auch unter Sozialdemokraten soll es Unmut über die Blockade geben. Die SPD befindet sich bundesweit und in mehreren Bundesländern im Umfragetief. Allerdings stellt sie noch zahlreiche Oberbürgermeister, Bürgermeister und Landräte.

Die Grünen selbst bestreiten eine solche Verknüpfung. Fraktionsgeschäftsführerin Irene Mihalic erklärte, dass aus ihrer Sicht eine Gesetzesänderung auf Bundesebene schlicht nicht erforderlich sei. Diese Position hatten auch die Teilnehmer der Bund-Länder-Runde im vergangenen Herbst vertreten. Einige Länder wie Hamburg haben jetzt schon begonnen, Bezahlkarten zu verteilen. Landkreise und Gemeinden haben Testläufe eingeführt, andere schreiben bereits Systeme dafür aus.

Kritik kommt vor allem von Flüchtlingshilfsorganisationen. Sie sehen im System der Bezahlkarten vor allem einen Kniefall vor der extremen Rechten und einen Angriff auf die Selbstbestimmung. Vor allem aber würde der Zugang zu Medikamenten oder medizinischer Versorgung erschwert, weil ein Taschengeld von 50 Euro im Monat dafür nicht ausreiche.

Einige Helfer sehen in der Bezahlkarte eine weitere Schikane, die Bürokratie schaffe, aber keinen einzigen Flüchtling davon abhalte, Afrika oder Länder wie Syrien oder Afghanistan zu verlassen. Schließlich wäre der Lebensstandard dort noch deutlich niedriger als hier mit Bezahlkarte.

Behörden müssten Ausgaben über die Bezahlkarte im Detail kontrollieren

Speziell in Bayern kommt nun eine weitere Problematik ins Spiel. Die CSU drängt auf eine Ausgestaltung der Bezahlkarte, die den Einsatz für Alkohol, Zigaretten und Glücksspiel ausschließt. CSU-Politiker Stephan Pilsinger erklärt dazu:

„Wer monatlich für mehr als 200 Euro Taschengeld rauchen und saufen will, der soll dafür arbeiten gehen und das Geld selbst verdienen.“

Das Bundesarbeitsministerium hält einem Bericht des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“ (RND) zufolge, diese Lösung für verfassungswidrig. Zum einen würde eine Beschränkung dieser Art eine Detailkontrolle aller Ausgaben durch die zuständigen Behörden voraussetzen.

Zum anderen sei auch nach der geplanten Anpassung des Asylbewerberleistungsgesetzes eine eigenverantwortliche Entscheidung über die zur Verfügung gestellten Mittel vorgesehen. Insbesondere würde der Grundsatz der Gleichbehandlung eine solche Einschränkung entweder unmöglichen machen – oder auch für alle anderen Bezieher sozialer Grundsicherung verlangen.

Politische Programmierbarkeit – und mehr soziale Kontrolle?

Die Debatte über die striktere Kontrolle der Verwendung von Bezahlkarten durch Asylbewerber könnte in diesem Sinne nur den Einstieg in eine weiterführende darstellen. So hatte der stellvertretende Geschäftsführer des Internationalen Währungsfonds (IWF), Bo Li, im Oktober 2022 Digitales Zentralbankgeld (CBDC) als „bedeutsames Instrument der finanziellen Inklusion“ gelobt.

Dieses könne Menschen ohne Zugang zu Konten den Zugang zum bargeldlosen Zahlungsverkehr ermöglichen. Allerdings sei ein wesentliches Feature des Projekts auch dessen „politische Programmierbarkeit“.

Als möglichen Anwendungsbereich brachte Bo Li Sozialleistungen oder Konsumgutscheine ins Spiel. Deren Vergabe ließe sich zielgerichtet darauf programmieren, welche Personen sie erhalten und wie sie diese verwenden würden.

Auf diese Weise ließe sich etwa sicherstellen, dass Lebensmittelgutscheine tatsächlich zum Erwerb von Lebensmitteln Verwendung fänden. Damit helfe diese potenzielle Programmierbarkeit Regierungsbehörden, ihre Unterstützung „präzise auf die Unterstützung von Menschen auszurichten, die diese benötigen“. Damit geht allerdings de facto auch ein enormes Ausmaß an Kontrolle einher.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion