Handy-Tracking in Corona-Krise: Datenschutzbeauftragter warnt davor, „Grundrechte über den Haufen zu werfen“
"Wenn ein Vorhaben ungeeignet ist, muss man sich über mögliche Eingriffe in die Grundrechte gar nicht mehr unterhalten." Das sagte Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber im Hinblick auf die kontrovers geführte Diskussion über Handy-Tracking im Rahmen der Corona-Krise.

Handy-Antennen.
Foto: iStock
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber hat vor einem Zugriff auf Handy-Daten gewarnt, um Corona-Infizierte aufzuspüren. Bei der Pandemie-Bekämpfung dürften „nicht Grundrechte über den Haufen geworfen werden“, sagte Kelber den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstagsausgabe).
In Deutschland sei die Infrastruktur zur Erfassung von Mobilfunkdaten ohnehin „viel zu ungenau, um einen Rückschluss auf den Aufenthaltsort von Infizierten oder ihren Kontaktpersonen zuzulassen“, sagte Kelber. „Wenn ein Vorhaben ungeeignet ist, muss man sich über mögliche Eingriffe in die Grundrechte gar nicht mehr unterhalten.“
Der Datenschutzbeauftragte empfahl stattdessen „freiwillige Maßnahmen“, um die Kontaktsperren so schnell wie möglich wieder aufheben zu können.
Als Vorbild nannte er Singapur: Eine App zeichne auf dem Gerät des Nutzers auf, wo dieser sich gerade aufhalte. Über Technologien wie Bluetooth lasse sich ermitteln, wie nahe man anderen Nutzern der App komme. „Und wenn man feststellt, dass man sich infiziert hat, kann man sein Bewegungsprofil teilen und Kontakte informieren“, sagte Kelber. Im Umfeld des Robert Koch-Instituts werde an einer solchen App gearbeitet.
Handy-Daten gegen Corona-Pandemie
Über die Auswertung von Handy-Daten zur Eindämmung der Pandemie wird in Deutschland aus datenschutzrechtlichen Gründen derzeit kontrovers diskutiert. Bislang müssen die deutschen Behörden anhand von Gesprächen herausfinden, mit wem ein Corona-Erkrankter Kontakt hatte, was sehr zeitaufwändig ist.
Kelber kritisierte in diesem Zusammenhang die Infrastruktur der deutschen Behörden zur Corona-Bekämpfung als rückständig. „Das System, in dem Bund und Länder zusammenarbeiten, ist sicher nicht auf der Höhe der Zeit“, sagte er. „Deutschland hat Schwierigkeiten im digitalen Bereich. Das betrifft Datensammlungen und die Kommunikation untereinander. Das funktioniert alles nicht gut genug.“ Dies müsse sich schnell ändern.
Darauf angesprochen, dass Gesundheitsämter ihre Corona-Daten teilweise noch per Fax an das Robert-Koch-Institut übermittelten, sagte er: „Als Staatsbürger wundere ich mich schon, wie weit zurück Teile der öffentlichen Verwaltung in ihren Möglichkeiten noch sind. Das muss sich schnell ändern.“ Er könne sich gut weitere digitale Hilfestellungen bei der Pandemiebekämpfung vorstellen, so Kelber. „Dem steht der Datenschutz nicht entgegen.“
Tracking-App weiterhin im Gespräch
Spahn wollte ursprünglich das Auslesen von Bewegungsdaten aus dem Mobiltelefon von Corona-Patienten ermöglichen, um Kontaktpersonen der Infizierten aufzuspüren und so die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. Im Bundestag fand das Vorhaben keine Mehrheit.
Digitalstaatsministerin Dorothee Bär (CSU) befürwortet den Einsatz einer sogenannten Tracking-App im Kampf gegen die Ausbreitung von COVID-19. Eine solche Software auf Smartphones sei „sinnvoll, um das Virus zielgerichtet einzudämmen“, sagte Bär dem „Handelsblatt“ (Freitagsausgabe). In der Bundesregierung gebe es entsprechende Überlegungen. Datenschutzrechtlich spreche nichts gegen eine solche App, da der Nutzer mit deren Herunterladen der Datennutzung zustimme, betonte sie.
„Wir müssen die Möglichkeiten der Digitalisierung jetzt nutzen, um die Krise zu überwinden“, forderte die Staatsministerin im Kanzleramt. Die App ermögliche es, Kontaktpersonen eines Infizierten zu ermitteln. (afp/dts/dpa)
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