Hetzjagd nach 5 Jahren vor Gericht – Maaßen im Exklusiv-Interview: Medienmanipulation im Chemnitz-Skandal?

Wundersame Verwandlung: Aus Hetzjagden gegen Ausländer in Chemnitz werden über fünf Jahre später solche gegen Linksextremisten. Hans-Georg Maaßen spricht über die Umstände seiner Entlassung 2018 als Chef des Bundesverfassungsschutzes.
Titelbild
Im November 2018 versetzte Bundesinnenminister Horst Seehofer (r.) den damaligen Verfassuntschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen in den Ruhestand.Foto: Michael Kappeler/dpa/dpa
Von 24. November 2023

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Die Bilder bestimmten wochenlang die Medien. Zunächst traten Bundesinnenminister Horst Seehofer und sein Verfassungsschutzchef noch gemeinsam vor die Kameras, dann verkündete Seehofer die Entlassung von Hans-Georg Maaßen.

Dr. Maaßen bestand bis zuletzt darauf, dass die von der Bundeskanzlerin genannten Chemnitzer Hetzjagden gegen Ausländer aus einem Antifa-Video gar keine gewesen seien. Der Mord eines Migranten an einem Chemnitzer Familienvater verschwand aus den Medien und wurde von der Diskussion um besagte Hetzjagden überlagert.

Über fünf Jahre später stehen 28 Männer in Dresden vor Gericht, die an diesen Hetzjagden beteiligt gewesen sein sollen. Aber laut einem Bericht der „Welt“, dem die Klageschrift vorliegt, sollen es nun Hetzjagden gegen Linke und auch speziell gegen Jusos gewesen sein.

Epoch Times bat Hans-Georg Maaßen um eine Rückschau mit Blick auf die ab dem 11. Dezember 2023 beginnenden Prozesse in Dresden.

In der Rückschau auf die Debatte um angebliche „Chemnitzer Hetzjagden“ 2018, die zu Ihrer Entlassung führten: Was würden Sie heute anders machen?

Das war eine Zäsur in meinem Leben, zum einen, weil ich meinen Job verlor und neu anfangen musste, und zum zweiten, weil ich sehen musste, dass die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit in Deutschland so weit erodiert sind, dass man aus der Wahrheit eine Lüge machen konnte und aus der Lüge eine Wahrheit. Ich hätte mir nie vorstellen können – auch 2018 noch nicht – dass Deutschland schon so weit abgestiegen ist, dass so etwas möglich ist.

Gab es denn vorher schon Druck auf Ihre Tätigkeit, war Chemnitz nur der Kipppunkt?

Ich war für die Linksradikalen in der deutschen Politik immer das Feindbild gewesen. Das fing schon während meiner Zeit im Ministerium an, als ich zuständig für Migrationspolitik war. Da war ich die Hassfigur der Grünen. Ebenso, als ich im Bereich der Sicherheit des Ministeriums beschäftigt war.

Als ich für das Amt des Verfassungsschutzpräsidenten nominiert wurde, kam es zu einem regelrechten Shitstorm, als man mir unterstellte, ich hätte verhindert, dass Murat Kurnaz wieder nach Deutschland einreisen konnte. Deswegen hatte die politische Linke damals auch Druck auf Universitätsgremien ausgeübt, um zu verhindern, dass ich Honorarprofessor wurde.

In der Folge wurden in nahezu jedem Jahr vonseiten der politischen Linken Kampagnen gegen mich geführt, um mich zu diskreditieren und aus dem Amt zu drängen. Da war zum Beispiel die Kampagne im Zusammenhang mit der NSU, obwohl die ganzen Vorgänge um den NSU einschließlich der Aktenvernichtung im Verfassungsschutz allesamt vor meiner Zeit stattfanden.

Dann die durch Edward Snowden angestoßene NSA-Affäre, die auch zu einer Kampagne gegen mich führte. Dann die Kampagne gegen mich wegen einer Strafanzeige und Ermittlungen gegen Netzpolitik.org, als letztendlich der Generalbundesanwalt Range in den einstweiligen Ruhestand versetzt wurde. Das Ziel bestand offensichtlich darin, mich aus dem Amt zu drängen.

Es gab immer Kampagnen gegen mich von links-grün, und das gipfelte dann 2018, als man im August eine Kampagne gegen mich startete mit allen möglichen fabulierten Vorwürfen: Wie zum Beispiel ich hätte die AfD beraten oder ich hätte Journalisten unter Druck gesetzt usw.

Hatten es Ihre Vorgänger denn leichter?

Wir erleben in Deutschland einen schleichenden Systemwechsel in eine öko-sozialistische Gesellschaft. Und ich habe als Präsident des Verfassungsschutzes davor gewarnt, weil ich sah, worauf das hinausläuft und dass das recht wenig mit freiheitlicher Demokratie zu tun hat, wenn Meinungen unterdrückt und wenn politische Gegner wie Feinde bekämpft werden. Von daher war ich in einer anderen Situation als meine Vorgänger.

Es gab dieses Bild, das durch die Medien ging, als Herr Seehofer mit Ihnen gemeinsam vor die Kameras trat und sich zunächst hinter Sie stellte. Letztendlich mussten Sie doch gehen. Wie beurteilen Sie die Rolle Seehofers in der Causa Maaßen rückblickend?

Ich habe bis heute ein gutes Verhältnis zu Herrn Seehofer. Ich kann nichts Negatives über ihn sagen. Er war ein guter Chef, der sich auch für mich eingesetzt hatte. Aber er war eben auch in einer Koalition, wo die Frage zuletzt gestellt wurde: Entweder geht Maaßen oder die Koalition zerbricht. Ich hatte damals auch Herrn Seehofer gesagt, ich möchte nicht, dass an meiner Person die Koalition zerbricht. Vielleicht war das rückblickend ein Fehler gewesen, vielleicht wäre es besser gewesen, die Koalition wäre 2018 an mir zerbrochen, das wäre vielleicht besser für Deutschland gewesen.

Jetzt wird über fünf Jahre später ein Prozess eröffnet gegen 28 mutmaßlich „Rechtsextreme“, die diese „Hetzjagden“ veranstaltet haben sollen. Der Mörder von Daniel H. wurde bereits 2020 zu neuneinhalb Jahren Haft verurteilt. Mittlerweile ist allerdings nur noch von „Hetzjagden“ gegen linke Demonstranten und Juso-Mitglieder die Rede und nicht mehr von „Hetzjagden“ gegen Ausländer. Was passt da nicht zusammen?

Ich kenne die Anklageschrift nicht und ich bin auch verwundert, dass die Anklageschrift offengelegt wird. Ich weiß nicht, um welche Opfer es sich danach gehandelt hat. Aber offensichtlich geht es in der Anklageschrift nicht um Hetzjagden gegen Migranten, sondern um eine Auseinandersetzung zwischen Rechtsextremen und Linksextremen.

Ich hatte jedenfalls 2018 in Bezug auf Hetzjagden gegen Ausländer nur gesagt, dass meiner Behörde keine Erkenntnisse zu Hetzjagden gegen Ausländer vorlagen. Diese Einschätzung hatten vor mir auch der Ministerpräsident von Sachsen und andere geäußert. Dass es in den folgenden Tagen zu Straftaten von Rechtsextremen gekommen ist, habe ich nie in Zweifel gezogen. Die Aussagen jetzt im „Welt“-Artikel über mutmaßliche Straftaten von Rechtsextremisten, die da zur Anklage gelangt sind, habe ich ebenfalls nie in Zweifel gezogen und ich nehme an, dass das zutreffend ist.

Bei der Debatte über Hetzjagden in Chemnitz ging es darum, ob die von der Antifa, den Staatsmedien und von Merkel verbreitete Behauptung zutreffend war, dass es Hetzjagden auf Ausländer in Chemnitz gegeben hatte. Bis heute gibt es dafür keine Belege, sodass man davon ausgehen muss, dass es sich um eine Fehlinformation handelte.

Aber von linken Demonstranten und Juso-Mitgliedern war doch damals nicht wirklich die Rede. Es ging im Kern immer um vermeintliche Hetzjagden auf Ausländer …

Natürlich. Es war kein Thema, dass etwa Linksextremisten oder Linke Opfer von rechtsextremer Gewalt geworden sind. Wenn Sie die Medienberichterstattung der damaligen Zeit verfolgen, werden Sie dazu auch keine relevanten Berichte finden.

Wie schätzen Sie denn die Situation direkt nach dem Mord oder in den Tagen nach dem Mord für arabische Migranten in Chemnitz ein? Musste man von dort aus besorgt nach Rostock-Lichtenhagen zurückschauen? Gab es eine solche Stimmung, dass man dachte, um Gottes willen, was entwickelt sich da?

Meine Aussage bezog sich auf den Sonntag unmittelbar nach dem Tötungsdelikt: Ich hatte gesagt, dass der Verfassungsschutz keine Erkenntnisse über für die von Frau Merkel, den Staatsmedien und der Antifa behaupteten Hetzjagden hatte. In diesem Sinne äußerten sich auch der Ministerpräsident von Sachsen, der Bundesinnenminister, der Generalstaatsanwalt und der Chefredakteur der Lokalzeitung. Also insoweit habe ich nur das wiederholt, was andere auch gesagt hatten, aber immer in Bezug auf unsere Erkenntnislage.

Fünf Jahre später kommt es zur Verhandlung über diese Hetzjagden. Gibt es da eigentlich keine Verjährung?

Die Verjährung wird durch die Anklageerhebung unterbrochen. Ich weiß nicht, was da so lange zu ermitteln war oder ob das einfach an der Überlastung oder Überforderung der Staatsanwaltschaften lag.

Merkels Massenzuwanderung ab 2015 und die damit einhergehende „Welcome Refugees“-Bewegung bekam einen empfindlichen Dämpfer mit den Massenübergriffen auf der Kölner Domplatte Silvester 2015/16. Fürchtete die Regierung damals, dass sich die Proteste gegen den Mord in Chemnitz zu etwas ähnlich Großem hochschaukeln könnten?

Als Chef des Verfassungsschutzes war ich natürlich auch für Fragen der Desinformation zuständig gewesen. Ich hatte damals auch gegenüber dem Parlament gesagt, wir haben nicht nur ein Problem mit zum Beispiel russischer Desinformation, sondern auch mit Desinformationen durch unsere Staatsmedien.

Mein Eindruck war hier, dass gezielt über die Tatsituation in Chemnitz falsch berichtet wurde. Warum das gemacht worden ist, warum dieses Video der Antifa als Beleg für angebliche Hetzjagden auf Ausländer verwendet wurde, obwohl jetzt nachweislich klar ist, dass das Video kein Beleg ist? Da könnte man einen Verdacht haben, dass mit den erfundenen Hetzjagden vom eigentlichen Tötungsdelikt abgelenkt werden sollte, um zu verhindern, dass eine öffentliche Diskussion über die Folgen der Migrationspolitik stattfindet.

Es wurde in der Tat weltweit nicht über das Tötungsdelikt und die Folgen der Migrationspolitik berichtet, sondern über die erfundenen Hetzjagden auf Ausländer. Wenn das das Ziel der Falschinformation war, dann war sie wirklich gelungen. Diese den Verdacht begründenden tatsächlichen Anhaltspunkte hätten für eine Befragung der Verantwortlichen hinreichend sein müssen, um den Sachverhalt weiter aufzuklären.

Mir wird immer wieder gesagt, dass auch für viele andere Menschen, nicht nur für mich selbst, die sogenannte Hetzjagdenlüge der Weckruf für sie war, zu begreifen, dass in unserem Land etwas ganz und gar nicht mehr stimmt, und zwar ganz anders, als die Neosozialisten uns das weiß machen wollen. Diese ganze Causa sei die „Mutter aller Lügen“ für den zeitgenössischen deutschen Diskurs, habe ich auch immer wieder gehört. Dass die politische Linke diese Weckruferzählung nicht stehen lassen kann und will, das kann man sich vorstellen.

Wie muss man sich das in der Regierung vorstellen am Morgen nach so einem Mord und der Empörung der Menschen? Laufen dann alle wie aufgescheucht herum?

Nein, da läuft niemand aufgescheucht herum. Da wird relativ cool entschieden, wie zu reagieren ist.

Jetzt sitzt die Bundesregierung nicht in den Chefredaktionen, welche Verzahnung gibt es da?

Aus meiner Sicht läuft dies über Kontakte von Einzelpersonen, die sich alle gut kennen.

Auf welcher Ebene?

Am besten, man befragt hierzu die jeweiligen Akteure.

Danke für das Gespräch!



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