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Falsche Indikatoren lösen Maßnahmen aus

Inzidenzzahlen realitätsfern: Führender Epidemiologe empfiehlt Einsatz von neuem Parameter

Aufgrund der Entwicklung in der Pandemie, das verstärkte Testen und die Impfungen, entfernen sich die Inzidenzwerte immer mehr von der gesundheitlichen Realität im Land. Ein führender Epidemiologe Deutschlands hat einen wichtigen Vorschlag zu machen, Maßnahmen und Infektionsgeschehen in Einklang zu bringen.

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Prof. Dr. Gérard Krause, Leiter der Abteilung Epidemiologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HIZ) in Braunschweig.

Foto: Jens Schlueter/AFP via Getty Images

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Lesedauer: 3 Min.

Prof. Dr. Gérard Krause ist Leiter der Epidemiologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig und einer der führenden Epidemiologen Deutschlands. Er kritisierte im Gespräch mit der „Tagesschau“, dass das neue Infektionsschutzgesetz auf der Sieben-Tage-Inzidenz basiert, was nach Ansicht des Forschers jedoch immer weniger die tatsächliche Gesundheitslage widerspiegele.

Falsche Indikatoren bremsen den Fortschritt

Grundsätzlich seien einheitliche Regeln wichtig, doch sollten sie sich an den lokalen Risikoindikatoren orientieren. Entsprechende Maßnahmen seien dann die Folge, so die Aussage des Wissenschaftlers. Die Logik der Lagebewertung werde vereinheitlicht, „aber die Lage unterscheidet sich örtlich und über die Zeit“.
Doch gerade bei der Lagebewertung bestehe nach seiner Ansicht großer Verbesserungsbedarf so die Kritik des anerkannten Epidemiologen: „Wir starren immer noch auf die falschen Indikatoren, setzen deswegen die falschen Prioritäten und wundern uns, dass wir kaum Fortschritt machen.“ Der Wert sei schon immer problematisch gewesen.

Sieben-Tage-Inzidenz verliert Bezug zur Realität

Inzwischen sei er jedoch richtiggehend untauglich und die Sieben-Tage-Inzidenz entkoppele sich immer mehr von der eigentlichen gesundheitlichen Lage. Er reflektiere nur die Positiv-Tests, nicht aber, ob tatsächlich eine Erkrankung vorliegt oder welche Bevölkerungsgruppe betroffen ist, erklärt Professor Krause weiter. Zudem würden durch die Impfungen schwere Erkrankungen seltener.
Als Beispiel schilderte der Forscher, was passieren könnte, wenn man in allen Schulen täglich testen würde. Obwohl die meisten der so entdeckten Infektionen keine Erkrankungen zur Folge hätten, würde die Inzidenz steigen und die Behörden zu Ausgangssperren, Schulschließungen und anderen Maßnahmen zwingen, „obwohl sich die pandemische Lage gar nicht verschlechtert hätte“. Man müsste auch nicht mehr Menschen als vorher medizinisch versorgen.

Parameter der Neubelegung von Intensivbetten

Statt des immer abstrakter werdenden Parameters der Sieben-Tage-Inzidenz schlägt Professor Krause eine andere Größe als Maßstab für Maßnahmen vor. Die epidemische Lage viel stabiler anzeigend sei demnach die Anzahl der intensivmedizinischen Neuaufnahmen. Wie viele Menschen in einer Region müssen pro 100.000 Einwohner in einer Woche wegen einer schweren Covid-19-Erkrankung auf einer Intensivstation neu aufgenommen werden?

Um das umzusetzen, müsse man nur kleine Details im Infektionsschutzgesetz anpassen und die Intensivstationen müssten unverzüglich dem Gesundheitsamt Meldung machen, die diese dann an die Landesbehörden und das Robert Koch-Institut übermitteln. Zudem müsse man beispielsweise die Berufsgruppen und andere Zusatzinformationen erheben und übermittlungspflichtig machen, um zu sehen, welche Bevölkerungsgruppe besonders gefährdet ist und wo es besonders viele Infektionen gebe.

Bisher würden beispielsweise berufliche Hintergründe erfasst, dürften aber nicht übermittelt werden. Dies sei aber für die gezielte Risikobewertung und gezielte Maßnahmen wichtig. (sm)

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