Katastrophenfall ausgerufen: Unwetterdesaster weitet sich nach Oberbayern und Sachsen aus

Die Zerstörung nach den Überschwemmungen in Deutschland ist riesig - viele Menschen stehen vor den buchstäblichen Trümmern ihrer Existenz. Bundesfinanzminister Olaf Scholz verspricht schnelle Hilfe.
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Wasser fließt über einen Platz vor einem Haus. Der Landkreis Berchtesgadener Land hat nach starkem Regen wegen Hochwassers den Katastrophenfall ausgerufen.Foto: Kilian Pfeiffer/dpa/dpa
Epoch Times18. Juli 2021

Die Unwetterkatastrophe in Deutschland hat sich auf weitere Landesteile ausgedehnt. Nach den verheerenden Überflutungen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz mit mehr als 150 Toten rief am Samstagabend auch der oberbayerische Landkreis Berchtesgadener Land den Katastrophenfall aus. Dort kam mindestens ein Mensch durch die von massiven Regenfällen ausgelösten Fluten ums Leben. Auch in der Region Sächsische Schweiz in Sachsen kam es zu starken Überschwemmungen.

Im Berchtesgadener Land wurden nach Angaben des Landratsamts rund 65 Menschen vor den Fluten in Sicherheit gebracht. Straßen und Keller wurden überflutet. In dem Ort Marktschellenberg war den Angaben zufolge der Ortsteil Scheffau von der Außenwelt abgeschnitten.

Dramatische Lage in Bayern

Die Feuerwehr ist seit Samstagabend im Dauereinsatz. Die Lage sei dramatisch, sagte ein Sprecher der Integrierten Leitstelle Traunstein.

Betroffen seien vor allem die Orte Berchtesgaden und Bischofswiesen im äußersten Südosten Bayerns. Dort schieße das Wasser aus den Bergen, gleichzeitig stiegen die Pegelstände des Flusses Ache an. Wegen abrutschender Hänge seien schon einzelne Häuser geräumt worden. Die Bevölkerung sei aufgerufen, Keller zu verlassen und die Straßen zu meiden, da über diese viel Wasser schieße. Der Landkreis koordiniere ab sofort den Einsatz.

„Es kommen ständig Notrufe rein“, sagte ein Polizeisprecher in Rosenheim. Im Landkreis Berchtesgadener Land seien sämtliche Feuerwehren gefordert. „Die Lage ist unübersichtlich“, sagte der Sprecher. „Es regnet stark.“ Bundesstraßen seien überflutet oder wegen Murenabgängen gesperrt worden. Zunächst war auch die Feuerwehr in Reit im Winkl im Nachbarlandkreis Traunstein gefordert. Dort beruhigte sich die Lage aber im Laufe des Abends.

Medien berichteten von Rekord-Pegelständen an der Ache – bis 22.00 Uhr lagen sie schon bei etwa 3,75 Metern. Bilder zeigen reißende Fluten in den Straßen. Menschen stehen knietief im Wasser.

Auch Sächsische Schweiz von Unwettern heimgesucht

Auch in der Sächsischen Schweiz wurden mehrere Orte von starkem Hochwasser heimgesucht. Die Verwaltung des Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge warnte vor einer „erheblichen Gefahrensituation“ in Neustadt, Sebnitz, Bad Schandau, Reinhardtsdorf, Schöna und Gohrisch. Einzelne Ortsteile waren nicht mehr erreichbar.

Besonders betroffen seien Neustadt, Sebnitz, Bad Schandau, Reinhardtsdorf-Schöna und Gohrisch, informierte das Landratsamt am Abend. Die Bahnstrecke zwischen Bad Schandau und dem tschechischen Dečin wurde gesperrt. „Die Situation ist angespannt, aber beherrschbar“, erklärte das Lagezentrum des Innenministeriums in Dresden auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.

Nach Auskunft des Landeshochwasserzentrums hatte es im Einzugsgebiet der Kirnitzsch und der Sebnitz innerhalb von 24 Stunden teils mehr als 100 Liter pro Quadratmeter geregnet. In Lichtenhain-Mittelndorf seien es 110 Liter, in Weifa 104 Liter gewesen. Daraufhin waren die Wasserstände zahlreicher Flüsse rapide angeschwollen. So wurde an der Polenz die Alarmstufe 4 überschritten, in den Unterläufen der Kirnitzsch, der Sebnitz und des Lachsbaches habe es einen „extremen Wasserstandsanstieg“ gegeben. „Es sind starke Überschwemmungen zu erwarten“, hatten die Experten am Abend gewarnt.

Die regionale Leitstelle in Dresden sprach von mehr als 250 Einsätzen seit dem Nachmittag. In der Sächsischen Schweiz seien Straßen und Keller überflutet worden sowie Hänge abgerutscht. Neben kleineren Flüssen, die extrem angeschwollen seien, habe sich das viele Wasser an Hängen hinab den Weg gebahnt, hieß es. Von Verletzten oder größeren Evakuierungen war vorerst nichts bekannt.

Westsachsen: Überflutete Keller, Störungen bei der Bahn

Für weite Teile Sachsens hatte der Deutsche Wetterdienst am Samstag bis in die Nacht hinein vor Unwettern bis zur Stufe 3 von 4 gewarnt. Auch in anderen Regionen hatte es deswegen zahlreiche Einsätze von Rettungskräften gegeben – etwa in Ostsachsen in den Landkreisen Bautzen und Görlitz. Auch dort hatte starker Regen Straßen und Keller unter Wasser gesetzt. Zudem stiegen die Wasserstände im Gebiet der Lausitzer Neiße erheblich an. So wurde am Pegel in Zittau die Alarmstufe 4 überschritten.

Auch aus Westsachsen wurde örtlich von Problemen mit überfluteten und Kellern berichtet, etwa in Hohenstein-Ernstthal, Oberlungwitz und Wüstenbrand. Teils errichteten Anwohner Blockaden, um ihre Häuser zu schützen.

Die Störung der Bahnstrecke zwischen Bad Schandau und Dečin werde voraussichtlich bis Sonntagnachmittag dauern, informierte die Deutsche Bahn. „Züge des Fernverkehrs enden und beginnen in Dresden Hauptbahnhof.“ Im Fernverkehr betrifft es die Verbindung Hamburg-Berlin-Dresden-Prag. Auch im Nahverkehr kam es zu Ausfällen, Ersatzverkehr durch Busse habe wegen schwieriger Straßenverhältnisse nicht eingerichtet werden können, hieß es.

Zahlreiche Menschen in NRW und Rheinland-Pfalz vermisst

In den Hochwassergebieten in NRW und Rheinland-Pfalz galten unterdessen immer noch zahlreiche Menschen als vermisst. Allerdings waren viele Telefon- und Internetverbindungen weiterhin unterbrochen, was die Kontaktaufnahme massiv erschwerte. Bis zum Samstagabend wurden in diesen beiden Ländern insgesamt 143 Unwetter-Tote verzeichnet.

Die Zahl der Toten übertrifft mittlerweile um ein Mehrfaches jene der sogenannten Jahrhundertflut aus dem Jahr 2002, bei der in Sachsen 21 Menschen gestorben waren. In den überfluteten Orten in NRW und Rheinland-Pfalz boten sich oft Bilder von verheerender Zerstörung, so im Kreis Bad Neuenahr-Ahrweiler im nördlichen Rheinland-Pfalz und im nordrhein-westfälischen Erftstadt.

Kritisch blieb die Lage an der Steinbachtalsperre bei Euskirchen in NRW. Es drohe weiterhin „akute Überflutungsgefahr“ durch Versagen des Absperrdammes, warnte die Kölner Bezirksregierung. Zwar pumpten Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerks dort Wasser ab. Laut Bezirksregierung kann eine Entwarnung aber erst bei einer Zweidrittel-Entleerung der Talsperre gegeben werden. Nach vorsichtiger Schätzung könne diese am Sonntagnachmittag erreicht sein.

Soforthilfe angekündigt

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier besuchte am Samstag zusammen mit NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) Erftstadt und sprach den Betroffenen seine Anteilnahme aus. „Wir trauern mit denen, die Freunde, Bekannte oder Familienmitglieder verloren haben. Ihr Schicksal zerreißt uns das Herz“, sagte der Bundespräsident. In Erftstadt hatte die über die Ufer getretene Erft zahlreiche Häuser unterspült und zum Einsturz gebracht.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will am Sonntag zusammen mit der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) das ebenfalls schwer von der Unwetterkatastrophe getroffene Eifeldorf Schuld besuchen. In dem 660-Einwohner-Ort waren mehrere Häuser komplett von den Wassermassen fortgerissen worden.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) kündigte eine Soforthilfe von mehr als 300 Millionen Euro für die Opfer der Flutkatastrophe an. Darüber wird nach seinen Angaben am Mittwoch das Bundeskabinett beraten. „Es braucht einen nationalen Kraftakt“, sagte Scholz der „Bild am Sonntag“. Scholz will dem Kabinett zudem ein milliardenschweres Aufbauprogramm für die Flutregionen vorschlagen. Die zerstörten Häuser, Straßen und Brücken müssten zügig repariert werden, sagte er.

Belgien und Österreich auch von Unwettern betroffen

In dem ebenfalls von schweren Überschwemmungen heimgesuchten Osten Belgiens erhöhte sich die Zahl der Todesopfer auf mindestens 27. Von 103 weiteren Menschen war nach Angaben der Behörden der Verbleib am Samstagabend noch ungeklärt.

Auch in mehreren Regionen Österreichs kam es zu starken Überflutungen. An verschiedenen Orten in den Bundesländern Salzburg und Tirol wurde Zivilschutzalarm ausgelöst. In der Altstadt von Hallein kam es zu massiven Überschwemmungen. (afp/dpa/dts/oz)



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