Kein Geld, keine Krisenvorsorge?

Die Bundesregierung rät, sich einen Notvorrat an Lebensmitteln und Getränken anzulegen. Doch was ist mit Hartz-IV-Empfängern? Bei ihnen sieht es finanziell auch so schon eng genug aus?
Ein Notvorrat soll bei einem Blackout helfen, die Zeit bis die staatliche Hilfe anläuft zu überbrücken. Foto: iStock
Ein Notvorrat soll bei einem Blackout helfen, die Zeit bis die staatliche Hilfe anläuft zu überbrücken.Foto: iStock
Von 25. November 2022

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Ein Notvorrat soll helfen, die Zeit bis zum Anlaufen staatlicher Hilfe zu überbrücken – „oder die Notsituation ausgestanden ist“. So sieht es das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe.

Doch was ist mit den mehr als 5 Millionen Menschen, Hartz-IV-Empfängern, die finanziell gerade so über die Runden kommen? Eine Notbevorratung bedeutet für sie eine zusätzliche finanzielle Belastung. Daher stellt sich die Frage: Können Sie dafür zusätzliche Mittel beantragen? Einen Mehrbedarf, wie es korrekt heißt?

Blackout: Vorrat soll mindestens für 10 Tage reichen

Der Vorrat an Essen und Trinken sollte mindestens für 10 Tage reichen, empfiehlt die Behörde. Gerechnet wird im Regelfall für Erwachsene mit zwei Liter Flüssigkeit pro Person und Tag, 2.200 kcal.

Konkrete Beispieltabellen gibt es vielerorts, regierungsseitig im Vorratskalkulator auf dem Ernährungsvorsorge-Portal der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung. Es wird auf das Prinzip „lebender Vorrat“ gesetzt, dabei soll der Vorrat in den alltäglichen Lebensmittelverbrauch integriert werden. „So wird er immer wieder verbraucht und erneuert, ohne dass Lebensmittel verderben.“ Der Vorrat müsse auch nicht auf einen Schlag angelegt werden, sondern könnte nach und nach aufgebaut werden, heißt es. Bei vier Personen kommen so rund 80 Liter Getränke und fast 60 kg an Lebensmitteln zusammen.

Der Sozialhilfe-Regelsatz sieht jedoch das Anlegen eines Notvorrates nicht vor. Ein Hartz-IV-Bezieher zog daher bereits 2017 vor das Sozialgericht und forderte die Übernahme der Kosten für eine Notbevorratung im Rahmen der Sozialhilfe. Der Kläger erhielt zu diesem Zeitpunkt bereits seit längerer Zeit Hartz-IV – und ging einer Nebentätigkeit nach. Damit verdiente er sich monatlich rund 200 Euro dazu.

Das Konstanzer Sozialgericht wies seine Klage (S 11 AS 808/17) ab. Die Kosten für eine Notbevorratung im Katastrophenfall stellt – laut Gericht – jedenfalls bei einem erwerbstätigen und über einen Freibetrag von circa 200 EUR monatlich verfügenden Leistungsberechtigten keinen unabweisbaren Bedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II oder § 24 Abs. 1 SGB II dar. Die freie Rechtsprechungsdatenbank openjur veröffentlichte das Urteil 2021.

Die Ablehnung basiert auch darauf, dass der Kläger neben den Hartz-IV-Leistungen einen Nebenverdienst hat und diesen dazu nutzen könnte, um den Vorrat anzulegen.

Gericht: Kosten überschaubar und fallen nicht weiter ins Gewicht

In diesem Fall ging das Gericht davon aus, dass tatsächlich ein laufender, nicht nur einmaliger besonderer Mehrbedarf besteht. Denn die Vorräte an Wasser und Lebensmitteln müssen in gewissen Abständen erneuert werden, da die Haltbarkeit begrenzt ist.

Jedoch sei der Bedarf nicht „unabweisbar“. Das Gericht befand, dass der Kläger nach seinen finanziellen Möglichkeiten in der Lage ist, den Bedarf durch Einsparmöglichkeiten selbst zu decken, und dieser auch seiner Höhe nach nicht erheblich vom durchschnittlichen Bedarf abweiche.

Im konkreten Einzelfall des Klägers war bedeutsam, dass er erwerbstätig ist und ihm aus dem Einkommen im maßgeblichen Zeitraum ein monatlicher Freibetrag von 209,58 EUR zur Verfügung stand. Dieser Betrag könne – zusätzlich zu den grundsätzlich zumutbaren Umschichtungen innerhalb des Regelbedarfs – für den Aufbau des Vorrats eingesetzt werden.

Die Kosten für die vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe empfohlene Menge an Flüssigkeit sei überschaubar und fielen nicht weiter ins Gewicht. Der Kläger könne in Plastikflaschen angebotenes Mineralwasser kaufen oder selbst Wasser in geeignete Flaschen füllen, so die Richter.

Bei den festen Lebensmitteln bestehe die Möglichkeit, Konserven oder sonstige haltbare Lebensmittel zu kaufen, diese dann aber vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums zu verbrauchen. Damit würden die für die Notbevorratung angeschafften Lebensmittel solche, die der Kläger ohnehin hätte kaufen müssen, ersetzen.

In den Augen des Gerichtes würden die Ausgaben lediglich zeitlich vorverlegt. „Das heißt, der Kläger muss, um eine gewisse Bevorratung vorzunehmen, Aufwendungen zu einem früheren Zeitpunkt tätigen, als er diese sonst vorgenommen hätte.“

Zudem müsse berücksichtigt werden, dass die Ausgaben nicht auf einmal vorgenommen werden müssen, sondern der Vorrat nach und nach aufgebaut werden kann.

Bevorratung während Corona

Auch während der Corona-Maßnahmen wurde das Anlegen eines Notvorrats empfohlen. Damals erklärte das Bundessozialministerium: „Sofern also leistungsberechtigte Personen auf Grund des vom Kabinett beschlossenen Zivilschutzkonzeptes einen persönlichen, ausreichenden Vorrat an Lebensmitteln anlegen wollen, so müssen sie, ebenso wie Menschen mit geringem Einkommen, die hierfür erforderlichen Ausgaben eigenverantwortlich aus dem ihnen zur Verfügung stehenden Budget finanzieren.“

Statt finanzieller Hilfe gab es auch hier „eine Reihe von Tipps, wie man den Notvorrat anlegen kann“, erinnerte das Portal HartzIV im Mai 2022. Selbst für das Platz-Problem gab es Hinweise. „Man könne Getränkekästen zum Beispiel als Stuhl oder Tisch nutzen.“

Angesichts der finanziellen Möglichkeiten von Hartz-IV-Bedürftigen, einkommensschwachen Haushalten und Rentnern würden diese leider an der Realität vorbeigehen. Denn viele seien froh, wenn sie die Tag für Tag benötigten Lebensmittel überhaupt noch bezahlen können, so das Portal.

Inwieweit sich die Möglichkeiten mit dem nun beschlossenen Bürgergeld verbessern, bleibt abzuwarten.



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