Kernkraft spaltet die Ampel – FDP und Union einig

Sollen die drei verbliebenen deutschen Atommeiler über das Jahresende hinaus Strom liefern? SPD und Grüne sagen im Gegensatz zur FDP klar Nein. Doch die Union und Liberalen lassen nicht locker.
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Kernkraftwerk Isar in Niederbayern.Foto: iStock
Epoch Times13. Juli 2022

Union und Liberale verstärken den Druck auf SPD und Grüne, einer Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken zuzustimmen. „Es darf keine Kilowattstunde leichtfertig verschenkt werden, wenn wir im Winter in eine Notlage kommen sollten“, sagte der energiepolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Kruse, der „Welt“ (Mittwochausgabe). Deshalb sei es wichtig, die Meiler vorerst am Netz zu behalten.

SPD und Grüne lehnen das aus einer Reihe von Gründen ab, unter anderem auch, weil dann neue Brennstäbe beschafft werden müssten, also neu in Atomkraft investiert werden müsste. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Umweltministerin Steffi Lemke (ebenfalls Grüne) hatten in einem Prüfvermerk im März von längeren Laufzeiten abgeraten. Einem kleinen Beitrag zur Energieversorgung stünden große wirtschaftliche, rechtliche und sicherheitstechnische Risiken entgegen. Eine Verlängerung der Laufzeiten brächte im kommenden Winter keine zusätzlichen Strommengen, sondern frühestens im Herbst 2023 nach erneuter Befüllung mit neuen Brennstäben. Die drei AKW erbringen rund fünf Prozent der deutschen Stromproduktion.

Nach Ansicht des energiepolitischen Sprechers der Unionsfraktion, Mark Helfrich (CDU), ist eine Nachrüstung der Meiler nicht nötig, wenn man sie mit reduzierter Leistung fahre. „Im sogenannten Streckbetrieb werden die Brennstäbe beziehungsweise Brennelemente für mindestens 80 Tage über den 31. Dezember dieses Jahres hinaus halten. Im Falle von Isar 2 hat der TÜV Süd sogar festgestellt, dass der Kernbrennstoff bis Sommer 2023 reichen würde“, sagte Helfrich.

Kruse schlägt „Kernkraftgipfel“ vor

FDP-Fraktionsgeschäftsführer Johannes Vogel forderte von Habeck eine Bestandsaufnahme, was die Verfügbarkeit von Brennstäben für einen Weiterbetrieb angeht. „Der Energie- und Wirtschaftsminister sollte jetzt ganz kurzfristig dafür sorgen, dass wir eine saubere Inventur kriegen: Wie viele Brennstäbe in welchem Kraftwerk sind noch da? Und dann können wir weiter diskutieren.“

Auch das Argument aufwendiger Sicherheitsüberprüfungen für die in die Jahre gekommenen Atomkraftwerke greift nach Ansicht der Unionsfraktion nicht. Der Aufwand dafür sei überschaubar, meint Helfrich: „Das langjährige Mitglied der Reaktorsicherheitskommission Ulrich Waas, der das Konzept für die Sicherheitsüberprüfungen mitentwickelt hat, schätzt den Arbeitsstundenbedarf pro Anlage mit 500 Stunden ein.“

Vieles sei Schreibtischarbeit. „Größere Abschaltungen für die Sicherheitsüberprüfungen halte ich daher für nicht erforderlich.“ Die Liberalen riskieren mit ihrem Pro-Atom-Kurs einen handfesten Streit innerhalb der Ampel-Koalition. FDP-Energiepolitiker Kruse schlägt einen „Kernkraftgipfel mit Betreibern von Kraftwerken, den zuständigen Branchenverbänden und der Politik“ vor.

Der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber (CSU), sagte der Funke-Mediengruppe: „Es ist für die Menschen nicht nachvollziehbar, warum eine Laufzeitverlängerung aus ideologischen Gründen ausgeschlossen wird, Kohlekraftwerke aber hochgefahren werden.“

Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm hält die AKW nicht für entscheidend. „Die Gasverstromung lässt sich kurzfristig durch die Kohleverstromung ersetzen“, sagte Grimm dem „Handelsblatt“. Sie hält aber den Weiterbetrieb der drei AKW um etwa fünf Jahre grundsätzlich für notwendig. „Solange die erneuerbaren Energien noch nicht ausreichend ausgebaut und noch keine Gaskraftwerke zugebaut sind, werden wir ohne die Kernkraftwerke in großem Umfang Kohlekraftwerke im System halten und auch betreiben müssen.“

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hält hingegen nichts von längeren Laufzeiten. „Für die Energiewirtschaft in Deutschland ist klar: Der Ausstieg aus der Stromerzeugung aus Atomkraft ist beschlossen. Niemand in der Energiewirtschaft möchte in diese risikobehaftete und teure Technologie zurück“, sagte Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae, der „Rheinischen Post“. (dpa/dts/red)



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