Kommissionschefin: Vorgezogene Gaspreisbremse schafft soziale Schieflage

Die Vorsitzende der Expertenkommission, Veronika Grimm, sieht ein Vorziehen der Gaspreisbremse kritisch. Dies würde Gaskunden gegenüber anderen bevorzugen.
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Professorin Veronika Grimm, Vorständin im Zentrum Wasserstoff Bayern, spricht bei einer Pressekonferenz zur bayerischen Wasserstoffstrategie am 30. Mai 2021.Foto: Timm Schamberger/dpa/dpa
Von 6. November 2022

Die Vorsitzende der Expertenkommission „Gas und Wärme“, Veronika Grimm, hat sich skeptisch zu Überlegungen geäußert, die Gaspreisbremse vorzuziehen. Bundeskanzler Olaf Scholz, aber auch mehrere Bundesländer hatten einen solchen Schritt ins Spiel gebracht. Die Erlanger Ökonomin befürchtet eine „gesellschaftliche Schieflage“, die entstehen könne, würde man Gaskunden gegenüber anderen bevorzugen.

Grimm: Später Beginn der Gaspreisbremse war Frage der Umsetzbarkeit

Im Gespräch mit dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND) erläuterte sie, rein technisch wäre es möglich, die Gaspreisbremse zum 1. Februar rückwirken zu lassen. Dies würde voraussetzen, dass Versorger den Rabatt erst nachträglich gutschreiben. Von der Abschlagszahlung würde er dann jedoch noch nicht abgezogen.

Man sollte aber sehr vorsichtig sein und die Gaskunden nicht gegenüber anderen Haushalten bevorzugen. Sonst geraten wir in die nächste Gerechtigkeitsdebatte.“

Die Gaspreisbremse habe die Aufgabe, die Gaskunden zu entlasten. Allerdings sollten sie gegenüber Nutzern von Heizöl oder Pellets nicht bessergestellt sein. Dass die Gaspreisbremse erst ab März starten soll, sei der faktischen Umsetzbarkeit geschuldet, so Grimm. Bei den meisten Versorgern sei diese erst ab März gegeben.

Die Kommission habe deshalb die Übernahme des Dezemberabschlags ins Spiel gebracht, um eine Überbrückung für Januar und Februar zu schaffen.

Trotz gesunkener Marktpreise keine Entwarnung für Verbraucher

Obwohl sich die aktuellen Marktpreise für Gas gegenüber den Höchstständen im Sommer etwas beruhigt haben, kommen auf die Verbraucher enorme Kostensteigerungen zu. Grimm dazu:

Bei Gas sind massive Kostensteigerungen zu erwarten, weil sich die Preise im Großhandel verzehnfacht haben und diese nun Stück für Stück auf die Verbraucher übergewälzt werden.“

Die derzeitigen staatlichen Maßnahmen sollen helfen, diese abzufedern. Allerdings müssten die Verbraucher dennoch „eine gewisse Preissteigerung“ tragen. Das historische Niedrigniveau von sieben Cent pro Kilowattstunde werde sich nicht mehr einstellen.

Die Entlastungsbemühungen müssten sich auch auf Nutzer von Heizöl und Heizpellets erstrecken. Mögliche über den Standard hinausgehende Entlastungserfordernisse sollten über eine Härtefallregelung abgefedert werden.

Länder wollten Gaspreisbremse bereits ab Januar

Am Mittwoch hatten sich Bund und Länder in mehreren bisherigen Streitfragen verständigt. Neben der Gaspreisbremse waren dies unter anderem auch Wohngeld, Finanzierung der Flüchtlingsbetreuung und das künftige 49-Euro-Ticket.

Bezüglich der Gaspreisbremse blieb es bei der Vorgehensweise, die auch die Expertenkommission vorgeschlagen hatte. Neben der Übernahme des Dezemberabschlags der Gasrechnung soll im kommenden Jahr der Gaspreis für einen bestimmten Verbrauch gedeckelt werden. Ab Januar gilt dies für die Industrie, für Privatkunden ab März.

Die Länder hatten gefordert, auch zugunsten der Privathaushalte die „Winterlücke“ zwischen Dezemberabschlag und März zu schließen. Eine Preisbremse schon ab Januar auch für Privatkunden scheiterte jedoch am Widerstand des Bundes.

Bundeskanzler Olaf Scholz sagte zu, sich um eine Umsetzung der Gaspreisbremse für private Verbraucher bereits ab Februar zu bemühen. Die geplante Strompreisbremse soll dagegen schon „zum 1. Januar 2023 entlastend wirken“, wie es im Beschluss von Bund und Ländern heißt. Diese Maßnahme will die Bundesregierung vor allem durch die Abschöpfung sogenannter Zufallsgewinne der Stromkonzerne finanzieren.

Für mehrere Bereiche soll es Härtefallregelungen geben

Eine nicht näher präzisierte Härtefallprüfung ist für Immobilieneigentümer oder Mieter angedacht, die mit Heizöl oder Pellets heizen. Auch in diesen Bereichen hatte es seit dem Beginn der russischen Militäroffensive in der Ukraine erhebliche Preissteigerungen gegeben.

Hilfe stellen Bund und Länder dabei Mietern in Aussicht, die „durch Aufwendungen für die Bevorratung dieser Heizmittel finanziell stark überfordert sind“. Außerdem soll Unterstützung möglich sein für „selbstgenutztes Wohneigentum, bei dem die Bevorratung dieser Heizmittel zu unzumutbaren Belastungen führt“.

Eine weitere spezielle Härtefallregelung gilt für Einrichtungen und Betriebe, die keine nennenswerten Einsparungspotenziale mehr haben. Für sie sollen zwölf Milliarden Euro aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds kommen, der in der Zeit der Corona-Pandemie eingerichtet wurde. Von den genannten Mitteln sollen acht Milliarden Euro den Kliniken und Pflegeeinrichtungen zugutekommen.

Eine Milliarde Euro soll überdies für Kultureinrichtungen reserviert sein. Zudem ist noch eine eigene Härtefallregelung für kleine und mittlere Unternehmen im Gespräch. Zuletzt hatten unter anderem Bäckereien und Handwerksbetriebe infolge der hohen Energiekosten reihenweise ihren Betrieb stilllegen müssen. Der Fonds zur Abfederung der Folgen der aktuellen Krise ist vorerst mit bis zu 200 Milliarden Euro ausgestattet.

(Mit Material von dpa und dts)



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