Mehrheit der Deutschen wünscht Ausbau der Verteidigungsfähigkeit, doch NATO-Zustimmung bröckelt

Eine PwC-Studie zeigt, dass die Mehrheit der Deutschen den Ausbau der Verteidigungsfähigkeit unseres Landes unterstützt. Die meisten glauben allerdings, dass die von Bundeskanzler Olaf Scholz verkündete „Zeitenwende“ bei der Bundeswehr noch nicht realisiert wurde. Auch das Thema innere Sicherheit spielt für die Deutschen eine Rolle. Jeder zweite Deutsche sieht sich dabei nicht ausreichend geschützt.
57 Prozent der Befragten befürworten die Absicht, zwei Prozent oder mehr des Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung Deutschlands zu investieren.
Während eine große Mehrheit der Deutschen den Ausbau der Verteidigungsfähigkeit befürwortet, hat sich das Ansehen der NATO verschlechtert.Foto: Philipp Schulze/dpa
Von 14. Februar 2024

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Laut einer Studie der Unternehmensberatung PwC unterstützen 68 Prozent der Deutschen den Ausbau der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands. 63 Prozent der Befragten finden allerdings auch, dass die im März von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verkündete „Zeitenwende“ bis heute bei der Bundeswehr nicht angekommen ist. Die dafür von der Ampelregierung beabsichtigten Rüstungsinvestitionen hält eine Mehrheit der Deutschen für den richtigen Schritt: 57 Prozent befürworten die Absicht, zwei Prozent oder mehr des Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung zu investieren. 31 Prozent sehen das kritisch.

Gespaltene Meinungen unter den Deutschen gibt es bei der Frage, ob es sinnvoll sein kann, für den Ausbau der Verteidigung die Schuldenbremse auszusetzen: Für die Aussetzung sprachen sich insgesamt 40 Prozent der Befragten eher aus; tendenziell dagegen waren 42 Prozent.

PwC hat nach eigenen Angaben für die Studie jeweils 500 Männer und Frauen zwischen 18 und 65 Jahren befragt. Der Zeitraum der Befragung lag zwischen dem 9. und dem 10. Januar dieses Jahres.

Deutlicher Sinneswandel in Fragen der Verteidigung

Schon 2022, kurz nach Ausbruch des Ukraine-Krieges, hatte die Unternehmensberatung eine erste Befragung zu diesem Thema durchgeführt. An die damaligen Ergebnisse knüpft nun die aktuelle Studie an.

„In der Befragung vom Sommer 2022 konnten wir feststellen, wie sehr die Bevölkerung unter dem Schock des russischen Überfalls auf die Ukraine stand, und wie deutlich sich ein Sinneswandel in Verteidigungsfragen vollzog. Die Ergebnisse aus dem Jahr 2024 unterstreichen, dass die Menschen noch immer in großer Sorge sind und mehr Anstrengungen zur Stärkung der Sicherheit wünschen“, erklärte Wolfgang Zink, der bei PwC in Deutschland zum Autorenteam der Studie gehört.

Den Ausbau der Truppenpräsenz an der NATO-Ostflanke, insbesondere mit den vorgesehenen deutschen Kampfbrigaden in Litauen, halten laut der Studie insgesamt 58 Prozent für eher notwendig. Nach ihrer Einstellung zur Bundeswehr befragt, äußerten sich allerdings insgesamt nur 45,5 Prozent der Befragten positiv. Das hat sich im Vergleich zu 2022 verändert: Damals nahmen noch 54 Prozent die Bundeswehr positiv wahr.

Ansehen der NATO hat sich verschlechtert

Verschlechtert hat sich auch das Ansehen der NATO unter den Deutschen. Vor zwei Jahren hatten noch 65 Prozent der Befragten eine positive Einstellung zur NATO. Aktuell sind es noch 52 Prozent – davon nannten 36 Prozent ein unverändert positives Bild des Verteidigungsbündnisses. 16 Prozent gaben an, inzwischen ein positiveres Bild von der NATO zu haben. Dem stehen 30 Prozent gegenüber, die unverändert negativ oder negativer auf das Bündnis schauen.

„Die Einstellung der Bevölkerung gegenüber der NATO und der Bundeswehr ist mehrheitlich positiv, wenngleich die positive Haltung gegenüber 2022 etwas rückläufig ist“, fasst Nils Förster, der ebenfalls Mitautor der PwC-Studie ist, das Ergebnis zusammen.

Kritisch sehen die Deutschen inzwischen auch die Widerstandsfähigkeit der Ukraine. Bei der Frage, ob sich die Ukraine mit der Unterstützung des Westens erfolgreich gegen Russland behaupten kann, überwiegt der Zweifel: 39 Prozent sehen Chancen, 48 Prozent sehen das eher verhalten.

Sehr skeptisch sehen die Befragten auch die Fortführung der Abschreckungspolitik des Westens und der NATO gegenüber Russland, wenn Donald Trump abermals zum US-Präsidenten gewählt werden sollte. Nur sieben Prozent halten die USA in dieser Frage für verlässlich. 15,4 Prozent haben immerhin ein eher großes Vertrauen. Eine deutliche Mehrheit von 59,1 Prozent rechnet damit, dass die USA unter einem Präsidenten Trump ihr Engagement für die Ukraine reduzieren würde.

EU-Atombombe könnte Thema werden

Es wurde in den vergangenen Monaten immer wieder diskutiert, ob und wie sich Europa selbst Gedanken zur eigenen Sicherheit machen muss, vor allem wenn Donald Trump zum zweiten Mal Präsident der Vereinigten Staaten werden sollte. Zuletzt hatte der republikanische Präsidentschaftsbewerber auf einer Wahlkampfveranstaltung erklärt, im Falle einer Wiederwahl säumige NATO-Bündnispartner nicht mehr zu schützen. So sagte die SPD-Spitzenkandidatin zur Europawahl, Katarina Barley, gerade erst in einem Interview, dass nach den Äußerungen Trumps kein Verlass mehr auf den Schutz durch die USA sei. Nicht ausschließen möchte die SPD-Politikerin eine europäische Atombombe.

Auf die Frage, ob die EU eigene Atombomben benötige, entgegnete Barley: „Auf dem Weg zu einer europäischen Armee kann auch das ein Thema werden.“ Derzeit liege die nukleare Abschreckung für Europa allerdings bei der NATO. Und deren Generalsekretär Stoltenberg habe richtig bemerkt, dass es weiter im Interesse der USA liege, diese Abschreckung auch maßgeblich bereitzustellen.

Zuletzt hatte auch der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, betont, dass sich Europa angesichts der seit Jahren getätigten Trump-Äußerungen um die eigene Sicherheit kümmern müsse. Dazu gehöre auch die nukleare Abschreckung. Frankreichs Staatspräsident Macron hat den EU-Partnern bereits Gespräche dazu angeboten, stieß aber etwa in Deutschland bislang auf keine positive Resonanz.

Debatte um allgemeine Dienstpflicht

Zeitgleich zu solchen Gedankenspielen hat in Deutschland auch die Debatte um die allgemeine Dienstpflicht – unter anderem bei der Bundeswehr – wieder an Fahrt aufgenommen. In einem Gastbeitrag für das Nachrichtenportal „Table Media“ forderte die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl, einen Bürgerrat, um die Einführung eines allgemeinen Diensts in Bundeswehr und Zivilorganisationen zu erörtern. „Das Thema gehört in den Bundestag und in die Mitte unserer Gesellschaft. Ein Bürgerrat verbindet beides vortrefflich“, schrieb die SPD-Politikerin.

Die Wehrpflicht war 2011 ausgesetzt worden. Die seitdem in der Truppe klaffende Personallücke entwickelt sich immer mehr zu einem Problem für die Landesverteidigung. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) lässt deshalb wegen der veränderten Sicherheitslage Modelle einer Dienstpflicht prüfen. Dabei nimmt er vorwiegend das schwedische Wehrpflichtmodell in den Blick. Eine Mehrheit bei der regierenden Ampelkoalition würde der Minister dafür allerdings im Moment nicht finden.

Schweden hat seine 2010 ausgesetzte Wehrpflicht 2017 aufgrund eines anhaltenden Mangels an freiwilligen Bewerbern für die Streitkräfte wieder eingeführt und auf Frauen ausgeweitet.

Seitdem werden alle schwedischen Staatsangehörigen zu ihrem 18. Geburtstag angeschrieben und verpflichtet, an einer Onlinebefragung teilzunehmen. Darin werden Angaben zur derzeitigen Lebens- und Ausbildungssituation gefordert und Fragen zum grundsätzlichen Interesse an und einer Eignung für eine Verwendung in den schwedischen Streitkräften gestellt. Auf der Grundlage von medizinischer Eignung und persönlicher Motivation werde dann ein Teil des Jahrgangs zur Musterung einbestellt und rekrutiert.

Innere Sicherheit wird kritisch gesehen

Neben der Sicherheitslage nach außen sehen die Deutschen auch eine verschärfte Sicherheitslage nach innen. Zu einer Belastung der inneren Sicherheit ist, darüber gibt die PwC-Studie ebenfalls Aufschluss, der Krieg im Nahen Osten geworden – etwa durch Ausschreitungen im Zuge von Demonstrationen, durch Antisemitismus oder durch islamistische Anschläge. Etwa jeder zweite Deutsche (52,1 Prozent) sieht sich nicht hinreichend geschützt durch die Sicherheitsbehörden. 38,3 Prozent hingegen sehen sich tendenziell ausreichend geschützt.



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