Parteipolitisches Gerangel um Landtagsauflösung und Neuwahl in Thüringen

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Thüringens letzter Ministerpräsident Bodo Ramelow, "Die Linke", reagiert anlässlich des dritten Wahlgangs der Thüringer Ministerpräsidentenwahl am 5. Februar 2020 im Thüringer Landtag auf den vorbeiziehenden FDP-Landesvorsitzenden und später gewählten Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich.Foto: JENS SCHLUETER/AFP via Getty Images
Epoch Times14. Juli 2021

Nach den Vorgängen im Anschluss an die Kemmerich-Wahl in Thüringen verbündeten sich die Parteien zumindest nach außen mehrheitlich gegen die zweitstärkste Partei im Landtag – die AfD. Ein Stabilitätspakt zwischen der rot-rot-grünen Minderheitsregierung und der CDU sollte wichtigen Projekten wie dem Landeshaushalt eine Mehrheit sichern – mit dem Ziel baldiger Neuwahlen. Die ursprünglich im April geplante Wahl wurde coronabedingt verschoben und soll nun zeitgleich mit der Bundestagswahl Ende September über die Bühne gehen. Ob es aber dazu kommen wird, ist nun ungewiss.

Denn in Thüringen gibt es seit Monaten ein parteipolitisches Gezerre um die Auflösung des Landtags, die Voraussetzung für die Neuwahl ist. Am Montag sollen die Abgeordneten in Erfurt darüber abstimmen – so wie zwischen Linken, SPD, Grünen und CDU vereinbart. Doch es ist fraglich, ob es für die Landtagsauflösung eine Mehrheit in diesen Fraktionen gibt.

Dafür ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. 60 der insgesamt 90 Abgeordneten müssen dem Antrag zur Auflösung des Parlaments zustimmen. Rot-Rot-Grün hat zusammen 42 Sitze, die CDU-Fraktion hat 21 Mitglieder – rein rechnerisch würde es also reichen.

Vier CDU-Abgeordnete kündigten jedoch an, eine vorzeitige Auflösung des Landtags nicht mitzutragen. Damit würden nötige Stimmen fehlen. Ob sich sogar noch mehr Christdemokraten gegen Neuwahlen sperren, ist unklar.

Kemmerich sieht Vorbehalte unter seinen Parteikollegen zur Landtagsauflösung

Und nur eine Abgeordnete der FDP-Fraktion unterstützt ausdrücklich Neuwahlen. Der FDP-Landespartei- und Fraktionschef Thomas Kemmerich erklärte kürzlich: „Es soll sich keiner auf uns verlassen, denn es ist nicht unsere Vereinbarung.“ Und er ergänzt am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur gegenüber: „Viele teilen unsere Vorbehalte, die mit dem Thema Neuwahlen und den Folgen, die das hat, verbunden sind.“

Viele Gemeindepolitiker seiner Partei argumentierten etwa, dass es einen Haushalt für das Jahr 2022 brauche, so  Kemmerich. „Das Meinungsbild, dass teilweise gesagt wird, es gebe eine große Zustimmung für Neuwahlen, kann ich aus dieser Diskussion nicht entnehmen“, erklärt der FDP-Landespartei- und Fraktionschef.

Kemmerich betonte, dass der Plan zur Auflösung des Landtages eine Vereinbarung von Linke, SPD, Grünen und CDU sei – und die FDP da außen vor sei. „Wir sind nicht dafür da, ein rot-rot-grün-schwarzes Versprechen umzusetzen“, so Kemmerich.

Der FDP-Fraktionschef Thomas Kemmerich wurde am 5. Februar 2020 im Thüringer Landtag überraschend mit Unterstützung von CDU und AfD zum Ministerpräsidenten gewählt. Durch Druck unter anderem aus dem Kanzleramt und den Bundeszentralen von CDU und FDP trat Kemmerich nur kurz danach vom Amt wieder zurück. Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) wurde daraufhin wieder gewählt.

Positionen der AfD, CDU und FDP überschneiden sich

Zwischen der AfD, CDU und FDP in Thüringen gibt es mehrere Übereinstimmungen in verschiedenen politischen Themenfeldern. Auch haben mehrere Politiker der CDU und FDP keine „Berührungsängste“ gegenüber ihren Landtagskollegen der AfD. Da es aus den Bundeszentralen von CDU und FDP, aber auch aus ihren eigenen Reihen in Thüringen fraktionelle Vorgaben zum Umgang mit der AfD gibt, entstehen Spannungen. Auch seitens des Regierungspartners in Berlin, der SPD, kommt Druck.

Ramelow und seine rot-rot-grüne Minderheitsregierung sind auf die Unterstützung der CDU angewiesen, um wichtige Vorhaben umzusetzen. Diese Quasi-Tolerierung wurde allerdings bis zu den Neuwahlen begrenzt. Die Standpunkte der CDU gehen in vielen Bereich im Vergleich mit der rot-rot-grünen Minderheitsregierung weit auseinander.

Linke, SPD und Grüne pochen auf Unterstützung durch CDU

Linke, SPD und Grüne pochen nun darauf, dass gemeinsam mit der CDU genug Stimmen für die Parlamentsauflösung und damit für Neuwahlen zusammenkommen. Sie wollen nicht von Stimmen der FDP, der sie eine AfD-Nähe vorwerfen und der sie die Kemmerich-Wahl nachtragen, abhängig sein.

Aber auch auf AfD-Stimmen um Fraktionschef Björn Höcke will man nicht angewiesen sein. Zwei Linken-Abgeordnete kündigten ihrerseits an, sie wollten an der Abstimmung nur teilnehmen, wenn die CDU zu ihrer Zusage stehe.

CDU-Fraktionschef Mario Voigt indes sieht mit dem angekündigten Votum der FDP-Abgeordneten „den Weg für Neuwahlen“ geebnet. Die erforderliche Zweidrittelmehrheit sei damit gesichert, betonte Voigt. Er wollte dennoch mit den abtrünnigen CDU-Abgeordneten „im Gespräch bleiben“.

Das ist Rot-Rot-Grün zu wenig. „Wir erwarten weiterhin, dass die CDU zu ihrem Wort steht und aus eigener Kraft mit uns gemeinsam den Weg für Neuwahlen frei macht“, fordert SPD-Fraktionschef Matthias Hey. Auch Grünen-Fraktionschefin Astrid Rothe-Beinlich sieht die CDU-Fraktion „in der Verantwortung“, die notwendigen Stimmen für die Auflösung des Landtags zu liefern.

Ramelow warnt CDU davor, eine weitere Krise heraufzubeschwören

Ministerpräsident Ramelow warnte die CDU davor, eine weitere Krise heraufzubeschwören. „Auf den Tabubruch vom 5. Februar 2020 darf kein Wortbruch in 2021 folgen“, mahnte der Linkspolitiker mit Blick auf die Kemmerich-Wahl.

Die Minderheitsregierung hofft durch die Neuwahl auf klare eigene Mehrheiten im Land. Doch nach einer Insa-Umfrage vom Juni hat Rot-Rot-Grün derzeit weiterhin keine Mehrheit. Auch die CDU dümpelt auf dem Niveau ihres kläglichen Wahlergebnisses vom Oktober 2019 herum. Die AfD indes steht relativ konstant bei einem Wert um die 23 Prozent.

Sollte der Auflösungsantrag am Montag scheitern, kann nach Angaben der Landtagsverwaltung nicht erneut darüber abgestimmt werden. Es bliebe grundsätzlich die Möglichkeit, dass Abgeordnete einen neuen Auflösungsantrag stellen, über den dann wieder abgestimmt werden muss. Ob dann allerderdings der anvisierte Wahltermin am 26. September gehalten werden könnte, ist zweifelhaft. (afp/er)



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