Politische Schlammschlacht: Wer trägt die Schuld am Tankstellenmord?

Der Tankstellenmord in Idar-Oberstein wird vor der Bundestagswahl zum Schlagstock gegen politische Gegner. CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet beschuldigt die AfD und die „Querdenker“ der Mitschuld – in der CDU sind nicht alle der Meinung. Die AfD mahnt hingegen, den Tod des jungen Mannes nicht für „tagespolitische Stimmungsmache zu instrumentalisieren“.
Von und 24. September 2021

In Deutschland wurden im Jahr 2020 laut BKA-Zahlen 245 Morde und 269 Totschlagsdelikte verübt, knapp 1,7 Fälle pro Tag. Ein solches Kapitalverbrechen fand auch am 18. September 2021 in einer Tankstelle in Idar-Oberstein statt und ist aktuell in aller Munde. Doch nicht nur wegen seiner grausamen Tatsache, dass ein junger Mensch ermordet wurde, der sein ganzes Leben noch vor sich gehabt hätte, sondern auch weil die Tat im Vorfeld der Bundestagswahlen an Brisanz gewinnt.

Der Täter, ein 49-jähriger Software-Entwickler aus Idar-Oberstein, schoss einem Tankstellenverkäufer beim Bierkaufen in den Kopf, nachdem er zum Tragen einer Maske aufgefordert worden war. Der Mann habe sich nach eigenen Angaben in die Ecke gedrängt gefühlt und „keinen anderen Ausweg gesehen“. Er habe ein „Zeichen“ setzen wollen. Dennoch warnen Kriminalpsychologen vor voreiligen Schlüssen zum eigentlichen Motiv des Täters.

„Niemand, der auch nur halbwegs vernünftigen Verstandes ist, wird einen ihm völlig unbekannten jungen Mann einfach deshalb erschießen, weil er sagt: ‚Du musst jetzt eine Maske aufsetzen!‘“, sagte etwa Rudolf Egg, anerkannter Kriminalpsychologe und langjähriger ehemaliger Direktor der Kriminologischen Zentralstelle (KrimZ) des Bundes und der Länder.

Laschet im Wahlkampf-Modus

Im Vorfeld der Bundestagswahlen wird der Fall zum Spielball der Parteien gegen politische Gegner. So machte Armin Laschet, der Kanzlerkandidat der Union, am Mittwochabend bei einer Wahlkampfveranstaltung in Rottenburg am Neckar die AfD für den Vorfall mitverantwortlich:

„Den Hass, den die AfD in deutsche Parlamente getragen hat, den Hass, den sie im Deutschen Bundestag in jeder Sitzungswoche artikuliert – gegen Minderheiten, mit Ressentiments – dem stellen wir uns entgegen“, so der CDU-Mann.

Auch den „Querdenkern“ schreibt er einen Anteil an der Tat zu. Sie würden in diesen Tagen Hass im Netz verbreiten, so Laschet. „Hass im Netz folgt am Ende die böse Tat“, so der CDU-Chef. Man habe das in Idar-Oberstein gesehen, wo ein junger Mann ermordet worden sei, nur weil er an die Maskenpflicht erinnert habe.

CDU-Middelberg zurückhaltend

Der Innensprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Mathias Middelberg, hielt Laschet derweil entgegen: „Die Gründe für diese entsetzliche Tat allein bei der AfD zu suchen, ist zu einfach“.

Allerdings trage die AfD mit ihren „gezielten Provokationen“ zu einer immer stärkeren Polarisierung unserer Gesellschaft bei, findet Middelberg. Und dies führe dann auch zu sinkenden Hemmschwellen.

Merz: für Querverbindungen zu früh

Auch CDU-Wirtschaftsexperte Friedrich Merz wurde dazu aufgefordert, sich zu dem Fall zu äußern. In der ARD-TV-Sendung „Maischberger“ sprach die Moderatorin ihn darauf an, dass es Hinweise gebe, „dass er ein ‚Corona-Leugner‘ sei“ und fragte: „Glauben Sie, es ist der Moment, an dem man den Umgang mit den ‚Querdenkern‘, mit der Szene, die sich dahinter verbirgt, ändern muss?“

„Also, ich bin etwas zurückhaltend in diesen Querverbindungen, ob das wirklich so ist, weiß ich nicht“, äußerte Merz. Er würde auf keinen Fall mit der „Querdenker“-Szene sympathisieren, versicherte er mehrmals.

Allerdings könne er auch verstehen, dass mittlerweile ganz normale Menschen, also keine „Querdenker“ das Gefühl hätten, dass die Einschränkungen „hier etwas zu intensiv“ seien. Er habe Zweifel, ob die Einschränkungen in Deutschland wie Maskentragen so bleiben müssten.

Andere Länder hätten viel früher gelockert und dennoch niedrigere Inzidenzzahlen und Hospitalisierungen. Er mahnte, dass man zusehen müsse, dass die Zustimmung der Bevölkerung für die Maßnahmen erhalten bleibe, was aber immer schwieriger werde.

FDP attackiert AfD

Auch der FDP-Innensprecher im Bundestag, Konstantin Kuhle, geht im Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND, Donnerstagsausgaben) auf die AfD los. Die Partei sei der oberste Agent der politischen Radikalisierung in Deutschland – und der Täter von Idar-Oberstein habe die AfD in den sozialen Medien unterstützt.

Baerbock und Scholz: Dem Hass entgegenstellen

Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock äußerte am Dienstag auf Twitter, dass ihr die „Radikalisierung des Querdenkermilieus“ große Sorgen bereite: „Wir sind alle gefordert, uns gegen den zunehmenden Hass zu stellen.“

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz twitterte, dass sich die Gesellschaft entschlossen dem Hass entgegenstellen müsse und forderte eine harte Bestrafung des Täters.

Wissler, Linke: Kann „Einzelfall“ nicht mehr hören

Linken-Parteichefin Janine Wissler twittert unter Verlinkung eines Medienbeitrags von „t-online“ zum Thema, dass sie „Einzelfall“ nicht mehr hören könne, wie ein Sprecher des Bundesinnenministeriums die Tötung des Tankstellenmitarbeiters am Mittwoch bezeichnet hatte. Die Tat zeige ein „dramatisches Ausmaß an Verrohung in der Gesellschaft“. Aus der Tat ließen sich aber keine „generalisierenden Rückschlüsse“ ziehen.

AfD: Politische Instrumentalisierung kurz vor der Wahl

Die AfD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Alice Weidel, twitterte, niemand habe das Recht, Gewalt anzuwenden, weil er sich ungerecht behandelt fühle. Der Respekt vor dem Opfer und seiner Familie gebiete es, „diese unentschuldbare Tat nicht für tagespolitische Stimmungsmache zu instrumentalisieren“, so die stellvertretende Bundesvorsitzende der Partei.

Die AfD werde mit ihrer Politik weiterhin darauf hinwirken, die gesellschaftliche Spaltung zu verhindern. Weidel: „Wir wünschen uns Respekt für individuelle gesundheitliche Risikoabwägungen anstatt Stigmatisierungen.“



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