SPD schließt Haushaltsbeschluss vor Jahresende aus

SPD und Grüne wollten es eigentlich unbedingt. Jetzt gesteht die Kanzler-Fraktion: Aus ihrer Sicht kann der Haushalt 2024 nicht vor Jahresende beschlossen werden. Ist der Druck damit weg?
Mitarbeiter gehen durch den Verbindungstunnel vom Reichstagsgebäude mit dem Bundestag zum Paul-Löbe-Haus. Seit Tagen ringen die Spitzen der Regierungsparteien hinter verschlossenen Türen um Wege aus dem Milliardenloch im Haushalt.
Mitarbeiter gehen durch den Verbindungstunnel vom Reichstagsgebäude mit dem Bundestag zum Paul-Löbe-Haus. Seit Tagen ringen die Spitzen der Regierungsparteien hinter verschlossenen Türen um Wege aus dem Milliardenloch im Haushalt.Foto: Kay Nietfeld/dpa
Epoch Times7. Dezember 2023

Es ist ein neuer heftiger Rückschlag für Kanzler Olaf Scholz und seine Bundesregierung: Offenbar schaffen sie es nicht, den Haushalt für 2024 noch vor Jahresende unter Dach und Fach zu bringen. Die SPD-Fraktionsspitze hält einen Bundestagsbeschluss in diesem Jahr nicht mehr für möglich. „Obwohl wir von unserer Seite alles dafür getan haben, kann der Haushalt für das Jahr 2024 nicht mehr rechtzeitig in diesem Jahr beschloßen werden“, schrieb die parlamentarische Geschäftsführerin der größten Koalitionsfraktion, Katja Mast, in einer mit Fraktionschef Rolf Mützenich abgestimmten SMS an ihre Fraktion.

Damit hat die Ampel-Regierung ein Ziel gerissen, das sie selbst ausgegeben hat: „Schön wäre, Ziel wäre, wunderbar wäre, es in diesem Jahr zu schaffen“, hatte Regierungssprecher Steffen Hebestreit Ende November gesagt. Die Union kritisierte, Scholz habe die Kontrolle über seine Regierung verloren. „Vom Chemiekonzern über den Häuslebauer bis zum Handwerker oder Bürgergeld-Empfänger: Die Verunsicherung im Land wird jeden Tag größer“, sagte Fraktionsvize Jens Spahn der „Rheinischen Post“.

Finanzminister Christian Lindner ließ am Rande des EU-Finanzministertreffens in Brüssel durchblicken, die FDP habe sich mehr Zeit lassen wollen. „Ich habe wahrgenommen, dass die Koalitionspartner sehr ehrgeizige Zeitpläne hatten“, sagte er.

Ampel-Chefverhandler finden keine Lösung

Doch nichts geht ohne eine politische Einigung zur Lösung der Haushaltskrise. Die Chefverhandler Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Lindner (FDP) ringen aber noch immer darum, wie ein 17 Milliarden Euro großes Loch im Etat für 2024 gestopft werden kann. Es entstand unter anderem durch das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts.

Das höchste deutsche Gericht hatte eine Umschichtung im Haushalt für nichtig erklärt. Dadurch fehlen 60 Milliarden Euro, die über vier Jahre für Klimaschutz-Vorhaben und die Modernisierung der Wirtschaft eingeplant waren. Was mit diesen Ausgaben wird, ist noch völlig offen. Doch der Richterspruch wirkte sich zusätzlich auch auf andere kreditfinanzierte Sondertöpfe und damit auf Umwegen auf den Kernhaushalt aus.

Eigentlich hätte der Bundestag den Etat für 2024 schon in der vergangenen Woche beschließen sollen. Doch nach dem Urteil fror die Ampel den Prozess ein. Seitdem beraten Scholz, Lindner und Habeck, wie sie das Milliarden-Loch stopfen. Der Kanzler sei „zuversichtlich, dass in den kommenden Tagen ein Ergebnis erzielt werden kann“, schrieb Mast in der SMS, über die zuerst die „Bild“-Zeitung berichtete.

Wie es weitergehen könnte

Die politische Einigung käme aber wohl nicht mehr rechtzeitig, um alle parlamentarischen Instanzen vor Weihnachten zu durchlaufen. Denn die Bundestagsabgeordneten brauchen Zeit, um die Vorschläge der Ampel zu beraten. Vor allem die Opposition dürfte darauf bestehen. Hier stärkt ihr das Verfassungsgericht den Rücken. Erst im Sommer hatten die Karlsruher Richter nämlich entschieden, dass Gesetze nicht im Eilverfahren durchs Parlament gepeitscht werden dürfen.

Nun könnte es darauf hinauslaufen, dass nur der Haushaltsausschuss des Bundestags seine Beratungen vor Jahreswechsel noch abschließt. Nach einer politischen Einigung würde er voraussichtlich noch einmal Sachverständige befragen. Dann müsste die sogenannte Bereinigungssitzung beendet werden, mit der der Etat grundsätzlich festgezurrt wird. Im Januar könnte dann der Bundestag zur Haushaltswoche zusammenkommen und anschließend der Bundesrat grünes Licht geben.

Lindner: Später Beschluss keine Krise

Bis dahin würde die sogenannte vorläufige Haushaltsführung gelten. Dann sind vorerst nur Ausgaben möglich, die nötig sind, um die Verwaltung aufrechtzuerhalten und rechtliche Verpflichtungen zu erfüllen. In der Praxis kann das Finanzministerium den Ministerien jedoch bewilligen, pro Monat einen Prozentsatz der Mittel des noch nicht verabschiedeten Haushaltsentwurfs zu nutzen.

Dieses Verfahren greift üblicherweise auch nach einer Bundestagswahl, wenn die neue Regierung in der kurzen Zeit zwischen Koalitionsbildung und Jahreswechsel keinen Haushalt aufstellen kann. Für Lindner ist ein später Beschluss daher auch kein Drama: „Der Staat ist vollkommen handlungsfähig: Es wird keine Behörde schließen. Es wird kein Gehalt nicht ausgezahlt. Es wird niemand, der eine Unterstützungsleistung erwartet, sie nicht erhalten“, betonte er.

Wenig Raum für Gespräche vor Sonntag

Ist damit also der Druck raus aus den Gesprächen der Ampel-Spitzen? Auch am Mittwoch hatten die Chefverhandler wieder bis zum späten Abend beraten. Am Freitag reiste Lindner zu wichtigen Terminen nach Brüssel. Ab Freitag trifft sich zudem die SPD zu ihrem dreitägigen Bundesparteitag – Scholz soll dort am Samstag reden. Viel Raum für Haushaltsgespräche gibt es vor Sonntagabend also ohnehin nicht.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) plädierte beim TV-Sender Welt für Sorgfalt. „Sorgfalt ist hier aber auch sehr wichtig, denn klar ist, dass alles, was vereinbart wird, streng auf Verfassungskonformität geprüft werden muss“, sagte er.

Umstritten ist vor allem, ob die Ampel-Koalition erneut die Schuldenbremse aussetzen und sich so Milliarden-Kredite genehmigen könnte. Dafür müsste eine Notlage erklärt werde, begründet etwa durch den Krieg in der Ukraine. Lindner ist davon bisher nicht überzeugt, auch weil er befürchtet, dass die Bundesregierung damit erneut vor Gericht landet. Eine Klage der Union wäre sehr wahrscheinlich.

Im Gespräch sind auch Kürzungen in diversen Bereichen – vom Dieselprivileg bis hin zur Kindergrundsicherung. Lindner betonte, Subventionen müssten auf ihren Nutzen geprüft werden. „Aber nicht selten wird von vermeintlichen Privilegien gesprochen, um dann doch die arbeitende Bevölkerung zu belasten“, sagte er der „Wirtschaftswoche“.

„Schauen wir doch erst einmal, wo der Staat mit dem Geld, das er hat, besser umgehen und effizienter seine Ziele erreichen kann. Das gilt ganz besonders für die enorm gestiegenen Sozialausgaben“, betonte der FDP-Chef. Dort müsse das Geld effektiver eingesetzt werden. (dpa)



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