Seit drei Wochen „Bauernmahnwache“: Solange die Supermärkte voll sind, bleiben die Deutschen zu Hause

Seit dem 15. Januar gibt es eine „Bauernmahnwache“ im Berliner Stadtzentrum. An ihr nehmen nicht nur Landwirte, sondern auch Spediteure, Handwerker und andere Berufstätige aus dem Mittelstand teil. Epoch Times war vor Ort.
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Teilnehmer der „Bauernmahnwache“ im Berliner Stadtzentrum.Foto: Erik Rusch/Epoch Times
Von 4. Februar 2024

„Die BBC berichtet mehr über die deutschen Bauernproteste als ARD und ZDF“, erzählt uns ein Teilnehmer einer „Bauernmahnwache“ in Berlin in der Nähe des Brandenburger Tores.

Diese Woche gab es – zeitgleich mit den Haushaltsberatungen des Bundestages – bundesweit wieder Aktionen von Landwirten, anderen Berufszweigen und Unterstützern gegen die Kürzungen beim Agrardiesel.

Auf der Straße des 17. Juni begann direkt nach der Bauerngroßdemo am 15. Januar eine andere Art von Protest. Seitdem campieren hier Bauern und andere Mittelständler zusammen am Straßenrand. Mit Bannern, Schildern und Lichtern machen sie auf ihre Anliegen aufmerksam.

Mit Feldküche, Feuerschalen und Feuertonnen ausgerüstet trotzt diese Mahnwache dem Wetter und auch so manchem unfreundlichen Passanten. Wir sprachen mit einem der Teilnehmer des Protestes, Jerome James (39), einem Nichtbauern aus Potsdam. Er ist im medizinischen Bereich tätig und gehört zu den zehn bis 20 Demonstranten von ursprünglich 80, die bis jetzt ausgeharrt haben.

Was ist das Anliegen der „Bauernmahnwache“?

Wir stehen hier für die Interessen der Bauern in Deutschland und mahnen, dass die Politik die Landwirtschaft nicht weiter so behandeln darf. Mittlerweile trauen sich die Traktoren schon gar nicht mehr nach Berlin.

Deswegen haben wir gesagt, als Bauern und auch Nichtbauern, die wir hier vor Ort sind, wir bleiben so lange hier, bis die Politik die geplante Streichung der Agrardieselsubvention wieder rückgängig macht. Es ist angedacht, dass wieder einige Bauern mit Traktoren hierherkommen. Um das Platzproblem zu lösen, ziehen wir jetzt in Richtung Brandenburger Tor um.

Warum trauen sich Bauern mit Traktoren nicht nach Berlin?

Das größte Problem ist im Augenblick, dass unsere deutschen Medien nur sporadisch über die Bauernproteste berichten. Meine Familie kommt aus London und ich finde es immer komisch, wenn ich zu Hause bin und den Fernseher einschalte oder mit meiner Schwiegermutter aus London telefoniere.

Die BBC berichtet mehr über deutsche Bauernproteste als ARD und ZDF. Im Augenblick ist in Deutschland überall der Wurm drin, angefangen von der Landwirtschaft bis hin zu unseren obersten Staatsorganen.

Wir sind für den Mittelstand heute auf der Straße, sprich für jeden kleinen Unternehmer, für Selbstständige, die es mittlerweile schwer haben ihr Leben zu finanzieren. Jemand aus meiner Familie muss jetzt sein Cateringunternehmen nach 25 Jahren zumachen. Denn er kann die Kostensteigerung nicht mehr an den Kunden weitergeben.

Sie sagten, jetzt kommen auch wieder Traktoren hierher zurück. Warum sind die Bauern mit ihren Traktoren nicht geblieben?

Ein Bleiben wurde ihnen unheimlich schwer gemacht. Die haben keine Stromanschlüsse von der Stadt bekommen, die haben keine Sanitäranlagen für ihre Notdurft erhalten.

Vor ein paar Wochen sollen sogar Traktoren und auch Lkw vor der Berliner Stadtgrenze durch Polizeikräfte aufgehalten und Traktoren stillgelegt worden sein. Es wurde gesagt, ihr dürft hier nicht rein, weil man Angst hatte, dass es hier in Berlin so eskaliert wie jetzt in Frankreich.

Und das wissen Sie aus sicherer Quelle?

Ein Unternehmen aus Nauen [in Brandenburg] wollte mit 20 Lkw nach Berlin ins Stadtzentrum kommen. Sie wurden kurz hinter Nauen von der Polizei herausgezogen und die Lkw wurden stillgelegt, weil die müssen natürlich, wenn sie nicht beruflich fahren, ihre grüne Nummer abmachen. Das heißt, die fahren dann ohne Kennzeichen sozusagen. Und dann wurden die Autos stillgelegt.

Grüne Kennzeichen bedeuten, dass diese Fahrzeuge oder Anhänger von der Kfz-Steuer befreit sind. Das können Fahrzeuge von Hilfsorganisationen, aus dem Schaustellergewerbe, land- oder forstwirtschaftliche Fahrzeuge oder streng zweckgebundene Fahrzeuge, wie zum Beispiel Fahrzeuge des Winterdienstes sein.

[Anm. d. Red.: Auf Nachfrage erklärte die brandenburgische Polizei, dass ihr ein Video von einem Bauern aus den sozialen Netzwerken bekannt sei, der die Behauptung aufstellt, dass man durch die Polizei auf dem Weg nach Berlin aufgehalten worden sei. Der Polizei selbst ist nicht bekannt, dass ihre Kräfte jemanden aufgehalten hätten. Es lägen auch keine Beschwerden oder Anzeigen von Bürgern diesbezüglich vor. Auf den Demos im Berliner Stadtgebiet waren zahlreiche Fahrzeuge mit grünem Kennzeichen.]

Transporter und Wohnmobile bei der „Bauernmahnwache“ in Berlin. Foto: Erik Rusch/Epoch Times

Wie ist der Zusammenhalt unter den Bauern?

Es gibt viele freie Bauern oder Kleinbauern, die distanzieren sich vom Deutschen Bauernverband. Sie fühlen sich von ihm nicht mehr verstanden. Also ich habe selbst das Gefühl, dass gerade durch diese ganze Landwirtschaftsbranche ein riesengroßes Hin und Her geht. Angefangen vom Präsidenten des Bauernverbandes, der mit Özdemir im Vorstand einer Bank sitzt. Als Nichtbauer denke ich da, man müsste erst mal in den eigenen Reihen aufräumen.

Wir werden jetzt mit Strohballen in der Nähe des Brandenburger Tores ein beleuchtetes Bauernmahnmal errichten. Vorne steht dann dort die Aufschrift „Mahnmal“, oben kommt ein großer Traktor mit Gummistiefeln und Heugabel darauf. Viele Menschen brauchen etwas, was offensichtlich ist.

Was für einen beruflichen Hintergrund haben die Menschen hier, die sich mit den Bauern solidarisieren?

Angefangen von Arzt bis Mediengestalter. Wir haben einen Elektriker, einen Grafiker, wir haben zwei, die aus Halberstadt hierhergekommen sind. Die sind jetzt schon zwei Wochen hier, die haben bei den Halberstädter Würstchen gearbeitet, die ja jetzt auch Insolvenz angemeldet haben. Also der Wurstgigant aus Ostdeutschland. Ich komme eigentlich aus dem Musicalbereich und bin jetzt im Medizinbereich tätig. Es ist alles quer durch vorhanden.

Ich sehe hier mehrere Wohnwagen. Nutzen Sie diese, um darin zu schlafen?

Andere schon, ich nicht. Ich wohne in Potsdam und fahre jeden Tag nach Hause. Einer von uns hier kommt aus Bayreuth. Er ist mit dem Wohnwagen hergekommen. Dann haben wir einen älteren Herrn hier, der eigentlich sehr krank war und hier wieder ein bisschen auflebt. Er kommt von der Ostseeküste.

Wir kommen also von überall her. Das ist das Schöne, dass man so viele Menschen trifft, mit denen man sich versteht. Wir haben hier immer eine Feldküche, die alle kostenlos mit Essen versorgt. Ein Betreiber von chemischen Toiletten hat uns eine kostenfrei hier hingestellt. Wir haben mittlerweile eine richtige Infrastruktur aufgebaut.

Wie ist dieser Dauerprotest mit dem Arbeitsleben vereinbar?

Viele nehmen Urlaub, um hier sein zu können. Andere haben mit ihren Chefs gesprochen und unbezahlten Urlaub genommen. Viele, auch wenn sie nicht hier sind, stehen hinter diesen Protest. Ich habe meine Schichten auf die Nacht verlegt, und bin dann am Tag hier. Wenn man gute Chefs im Hintergrund hat, dann geht das.

Auf welche Reaktionen stoßen Sie hier bei den Passanten und vorbeifahrenden Autos?

Zu 95 Prozent sind die Reaktionen positiv. Viele halten an und reden mit uns und fragen, warum wir hier stehen und was die Politik anders machen kann. Wir haben aber auch welche, die kommen hier vorbei und schreien einfach nur: „Haut ab!“ Ich glaube, die haben es einfach nicht verstanden, was in Deutschland los ist.

Es gibt jetzt größere Demonstrationen gegen die AfD oder gegen rechts, das unterstütze ich auch. Aber was nützt uns Menschen, so wie es meine Oma letztens sagte, dass es vielleicht in zwei Jahren die AfD nicht mehr gibt, aber wir haben auch nichts mehr zu essen auf dem Teller?

Ich verstehe sie voll und ganz. Wir meckern auf hohem Niveau, aber solange die Supermärkte voll sind, sagt sich der Deutsche, ‚die Supermärkte sind doch voll‘ und bleibt zu Hause.

Wie lange wollen sie noch hier bleiben?

Die nächsten zwei Wochen wurden jetzt erstmal von der Stadt Berlin bewilligt. Also diese zwei Wochen bleiben wir auf jeden Fall und dann gucken wir, wie es weitergeht.



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