Treuhand soll „Zukunftspaket“ für Schwedt ermöglichen – Rosneft will vor Gericht

Mit der Treuhand-Zwangsverwaltung von Rosneft will die Bundesregierung in Schwedt Schadensbegrenzung betreiben. Zuvor hatte es in der Region scharfe Kritik an der Bundesregierung gegeben.
Titelbild
In der PCK-Raffinerie GmbH wird überschüssiges Gas in der Rohölverarbeitungsanlage verbrannt. Die Raffinerie in Schwedt versorgt große Teile Ostdeutschlands.Foto: Hannibal Hanschke/Getty Images
Von 17. September 2022

Etwa 12 Millionen Tonnen Rohöl aus der russischen Ölpipeline Druschba verarbeitet die PCK-Raffinerie in Schwedt an der Oder jährlich zu Kraftstoffen und Heizöl. Die Boykottambitionen der EU gegen russische Öllieferungen infolge der Militäroffensive in der Ukraine bedrohten 1.200 Arbeitsplätze und einen systemrelevanten Standort für die Versorgung der neuen deutschen Bundesländer.

Nach heftigen Protesten stellte die Bundesregierung am Freitag (16.9.) den russischen Rohölimporteur Rosneft Deutschland unter Treuhandverwaltung – was einer De-facto-Enteignung gleichkommt.

„Zentrale kritische Dienstleister“ nicht mehr zur Zusammenarbeit mit Rosneft bereit

Bundeskanzler Olaf Scholz begründete den Schritt mit dem deutschen Vorhaben, ab Januar kein Öl mehr aus Russland kaufen und sich so unabhängiger von Entscheidungen machen zu wollen, „die da irgendwo getroffen werden“.

Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck verweist auf die Vermeidung von Unsicherheit als Motivation hinter der Maßnahme. Die Versorgungssicherheit sei, so Habeck, „nicht mehr gegeben“. Der Betrieb der Raffinerien PCK in Schwedt, aber auch Miro in Karlsruhe und Bayernoil in Vohburg sei gefährdet, weil „zentrale kritische Dienstleister wie Zulieferer, Versicherungen, Banken, IT-Unternehmen und Banken, aber auch Abnehmer“ zu einer „Zusammenarbeit mit Rosneft nicht mehr bereit gewesen“ seien.

Den Mitarbeitern und Stakeholdern der Raffinerie, die mit 90 Prozent zur Versorgung von Berlin und Brandenburg mit Raffinerieprodukten beisteuern, verkauft die Regierung in Berlin die Maßnahme als Teil eines „Zukunftspakets“.

Treuhand-Entscheidung wird mindestens eine Milliarde Euro kosten

Für etwa 400 Millionen Euro habe man eine Pipeline „ertüchtigt“, die Öl für Schwedt aus dem Hafen Rostock liefert. Mit der polnischen Regierung wolle man Gespräche über Öl-Lieferungen von Danzig nach Schwedt „mit hoher Priorität“ fortsetzen. Gleiches gelte für Gespräche mit der kasachischen Regierung zum Bezug kasachischen Öls über die Druschba-Pipeline – „mit dem Ziel, zusätzliche Mengen bereits in diesem Jahr für die PCK zu sichern“.

Für weitere 50 Millionen Euro will der Bund zudem den Rostocker Hafen ausbauen. Dies betreffe insbesondere den Ausbau des bestehenden Liegeplatzes sowie die Errichtung eines Redundanz-Liegeplatzes als Tiefwasser-Liegeplätze für Rohöl und grüne Energieträger, hieß es aus dem Wirtschaftsministerium.

Insgesamt wolle die Bundesregierung über einen Zeitraum von 15 Jahren 825 Millionen Euro in den Erhalt des Standortes Schwedt investieren. Für 2023 und 2024 arbeitet der Bund an einem Kurzarbeiterkonzept für die 1.200 Beschäftigten – mit möglichen Zuschüssen von bis zu 100 Prozent.

Auch soll dort ein Startup-Labor zur „künftigen Produktion von nachhaltigem Kerosin für die Luftfahrt“ und für ähnliche Forschungsprojekte gegründet werden. Insgesamt, so Scholz, soll das Paket zur Rettung des Raffineriestandorts Schwedt mehr als eine Milliarde Euro umfassen.

Unmut in der Kreishandwerkerschaft und bei Ministerpräsidenten

Schon in den Monaten zuvor hatten Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke und sein sächsischer Amtskollege Michael Kretschmer vor der „riesigen Unsicherheit“ gewarnt, die vor dem Hintergrund der Sanktionsdebatte in der Region und weit darüber hinaus entstanden war. Auch die Gewerkschaft mahnte wiederholt ein Konzept für Schwedt an.

Erst Ende August hatten sich, wie die „Märkische Oderzeitung“ berichtete, die Obermeisterinnen und Obermeister der Kreishandwerkerschaft zusammengetan und einen offenen Brief verfasst. Darin äußerten sie ihre Zweifel an der Wirksamkeit der Wirtschaftssanktionen gegen Russland und forderten den Einsatz von Diplomatie seitens der deutschen Regierung statt einseitiger Parteinahme und Waffenlieferungen in die Ukraine.

Zudem gingen sie auf eine finnische Studie ein, der zufolge Russland sein Öl infolge der europäischen Boykottmaßnahmen an andere Länder liefere, die dieses dann in die EU weiterverkauften – gegen Gewinnaufschlag.

„Wir sehen die Gefahr, dass der soziale Frieden in unserem Land geopfert wird für die Durchsetzung einer ideologisierten ambitionierten Energiepolitik“, schreiben die Obermeisterinnen und Obermeister. Zudem warfen sie der Politik vor, durch ihre Eingriffe in funktionierende Netzwerke den sozialen Frieden zu gefährden.

Kretschmer: „Russisches Öl nicht kurzfristig zu ersetzen“

Als Rechtsgrundlage für ihre Maßnahme nennt die Regierung das Energiesicherungsgesetz. Sie stellte die Rosneft Deutschland GmbH und die RN Refining & Marketing GmbH (RNRM) unter Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur und setzt einen neuen Geschäftsführer ein. Rosneft hielt bislang 54,2 Prozent an Schwedt. Shell hält 37,5 Prozent, Eni zusammen mit der Rosneft-Tochter RNRM 25 Prozent.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) nannte die treuhänderische Übernahme der Raffinerie Schwedt im MDR „eine wirkliche Fehlentscheidung“. Diesen Schritt würden „die deutschen Bürger und Unternehmen teuer bezahlen müssen“, sagte Kretschmer: „Das bedeutet, dass wir in eine weitere Mangellage und weiter steigende Energiepreise hineinlaufen werden – jetzt im Bereich Benzin.“ Es sei „vollkommen klar, dass man das russische Öl nicht kurzfristig ersetzen kann“. Die Bundesregierung stelle „Ideologie über die Interessen des Landes“.

Der FDP-Energiepolitiker Michael Kruse begrüßte dagegen einem Bericht der „BZ“ zufolge die Entscheidung der Bundesregierung, Rosneft Deutschland und damit auch die PCK-Raffinerie in Schwedt unter staatliche Kontrolle zu bringen. Mit der Treuhand-Zwangsverwaltung für Rosneft Deutschland sei „die Möglichkeit russischer Sabotage an unserer Energieversorgung“ gestoppt worden, so Kruse.

Ähnlich äußerte sich sein Parteikollege, der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Reinhard Houben, der meinte, die Bundesregierung habe „keine leichtfertige, aber eine leider notwendige Entscheidung“ getroffen. Damit stelle sie ihre „Entschlossenheit“ unter Beweis, sich „energiepolitisch nicht von Russland erpressen“ zu lassen.

In der Belegschaft der Raffinerie war schon im Vorfeld der Maßnahme Skepsis bezüglich möglicher Interventionen weit verbreitet. Es wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass die Rostocker Leitung nur etwa die Hälfte des Durchleitungsvolumens des Druschba-Doppelstranges bewältigen könne. Ein wirtschaftlicher Betrieb des Werks oder auch nur einzelner Anlagen davon sei auf diese Weise nicht gesichert.

Rosneft spricht von „illegalem“ Zugriff

Rosneft warf der Bundesregierung eine „Zwangsenteignung“ seiner deutschen Tochterfirmen vor. Das Unternehmen sprach in einer Mitteilung in Moskau am Freitagabend von einem „illegalen“ Zugriff auf sein Vermögen und kündigte an, zum Schutz seiner Aktiva vor Gericht gegen die Aktion Berlins vorzugehen. „Rosneft sieht darin eine Verletzung aller grundlegenden Prinzipien der Marktwirtschaft, der zivilisierten Grundlagen einer modernen Gesellschaft, die auf dem Prinzip der Unantastbarkeit von Privateigentum aufbaut“, hieß es in der Stellungnahme.

Der Konzern betonte, dass er zu jeder Zeit seine Verpflichtungen erfüllt habe. Es seien auch weitere Investitionen und Projekte geplant gewesen. Die bisherigen Investitionen in Deutschland bezifferte der Konzern auf 4,6 Milliarden Euro.

Zugleich machte Rosneft deutlich, durch die Entscheidung aus Berlin nun keine Möglichkeit mehr zu haben, „die industrielle und ökologische Sicherheit des Werkes zu gewährleisten“. Der Konzern sei aber auch bereit, einen möglichen neuen Vertrag auszuhandeln – unter der Bedingung, dass es eine Garantie gebe für die Bezahlung der Öllieferungen, für die Investitionen und die Rechte der Beschäftigen des Unternehmens.

(Mit Material von dpa, afp und dts)

 

 



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