UNO untersucht Polizeigewalt bei Berliner Corona-Demo – Innensenator Geisel unter Druck

Der UN-Sonderberichterstatter über Folter wird bei der Bundesregierung wegen des Polizeieinsatzes gegen die verbotene Corona-Demonstration vom 1. August in Berlin offiziell intervenieren. Zahlreiche Videos von Augenzeugen erreichten den UN-Beauftragten. „Die Hinweise sind stark genug, dass möglicherweise Menschenrechtsverletzungen begangen wurden“, so der UN-Diplomat.
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Der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen (UN) über Folter, Nils Melzer, spricht während einer Pressekonferenz am 2. März 2020 in den Büros der Vereinten Nationen in Genf.Foto: Fabrice Coffrini/AFP via Getty Images
Von 6. August 2021

Der von Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) zu verantwortende Polizeieinsatz gegen Tausende Bürger, die nach dem Verbot mehrerer „Querdenken“-Demonstrationen am 1. August ziellos durch die Straßen von Berlin liefen, beschäftigt nun auch den Sonderberichterstatter über Folter der Vereinten Nationen.

Der Schweizer Rechtswissenschaftler Professor Nils Melzer, der jahrelang auch für das Internationale Komitee des Roten Kreuzes in Gewaltgebieten unterwegs war, nannte einige verbreitete Videos „besorgniserregend“. Demnach habe der UN-Sonderbeauftragte bereits mit Augenzeugen gesprochen. Es gehe dem ersten Augenschein nach vermutlich um Dutzende Vorfälle. „Die Hinweise sind stark genug, dass möglicherweise Menschenrechtsverletzungen begangen wurden“, sagte Melzer nach Angaben der „FAZ“.

Bundesregierung hat 60 Tage Zeit zu antworten

Melzer kündigte am Donnerstag, 5. August, an, in der kommenden Woche bei der Bundesregierung um eine Stellungnahme zu bitten. Danach hat diese 60 Tage Zeit, um auf die Anfrage des UN-Sonderbeauftragten zu reagieren. Laut „Berliner Zeitung“ seien bei Melzer mehr als hundert Hinweise auf Polizeigewalt eingegangen, allerdings gibt es dabei Überschneidungen von mehrfach erwähnten Szenen.

„Wir werden jetzt das Material sichten und bewerten. Jede einzelne Mitteilung und jedes einzelne Video muss genau verifiziert werden und ich werde auch mit direkten Augenzeugen sprechen. Aber mein Eindruck ist, dass in mehreren Fällen Anlass genug für eine offizielle Intervention meinerseits bei der Bundesregierung besteht“, erklärte der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen.

Der offizielle Weg führt nun über die deutsche Vertretung bei den Vereinten Nationen in Genf hin zu Bundesaußenminister Heiko Maas. Über das Auswärtige Amt geht es weiter direkt zu der für die Vorkommnisse zuständigen Behörde: den von dem ehemaligen SED-Mitglied Andreas Geisel (heute SPD) geführten Berliner Innensenat. Dieser muss sich dann mit den Vorwürfen befassen und die staatsvertraglich verlangte Untersuchung einleiten, schreibt die „Berliner Zeitung“ weiter.

„Es waren Frauen, Kinder, Radfahrer, ältere Leute“

Melzer machte deutlich, dass „jeder klare Regelverstoß von Polizisten“ scharfe Konsequenzen haben müsse. Er riet den „politisch Verantwortlichen“, die Vorfälle keinesfalls auf die leichte Schulter zu nehmen. Der UN-Sonderberichterstatter erklärte, dass auch Gewalt gegen Polizisten nicht hinnehmbar sei und die Täter bestraft werden müssten. Er verwies aber darauf, dass vereinzelte Gewalt von Demonstranten „keinesfalls der Rechtfertigung von Polizeigewalt gegen andere, nicht gewalttätige Demonstranten dienen“ dürfe.

„Von den Bildern und Informationen, die uns bis jetzt vorliegen, haben wir den Eindruck, dass es sich bei den Protesten mehrheitlich nicht um gewaltbereite Randalierer gehandelt hat. Es waren Frauen, Kinder, Radfahrer, ältere Leute.“

Melzer: „Die hätte sterben können“

Bereits am Demonstrationstag wurde dem UN-Sonderberichterstatter ein Video zugespielt, das einen Polizisten zeigt, der eine an ihm vorbeieilende ältere Frau am Hals packt und auf den gepflasterten Gehweg schleudert. UN-Mitarbeiter Professor Nils Melzer bat nach Sichtung und Teilen des Videos um weitere Einzelheiten und Zeugenaussagen. Auch fragte der Sonderbeauftragte nach, ob bereits eine offizielle Untersuchung des Falls eingeleitet worden sei.

Nach seiner Auswertung des Vorfalls meinte Melzer nun, dass die Frau bei der Attacke hätte sterben können. Der Polizist habe eine Selbstverteidigungstechnik angewandt, anstatt schlicht eine Ordnungswidrigkeit zu verhindern. Von der Frau sei keine Gefahr ausgegangen, so Melzer.

Was Professor Baberowski dokumentierte

Einen anderen Fall, den der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen andeutete, bezog sich vermutlich auf den von Professor Jörg Baberowski vom Institut für Geschichtswissenschaften der Humboldt-Universität Berlin publik gemachten Fall. Laut dem UN-Beauftragten sei ein Mann in Handschellen am Boden liegend von Polizisten blutig geschlagen worden.

Baberowski, Historiker, Gewaltforscher und Buchautor (Verbrannte Erde: Stalins Herrschaft der Gewalt), berichtete über einen schockierenden Vorfall, der direkt vor seiner Haustür geschah.

Leute schreien, Frauen kreischen, Polizisten schlagen auf einen am Boden liegenden blutverschmierten Demonstranten ein. Uniformierte stellen sich Seite an Seite und versuchen eine Sichtschutzmauer zu bilden. Ein Polizeiwagen fährt seitlich vor die Szene, um sie vor Augenzeugen zu verdecken.

Wie der Moskau-erfahrene Journalist „Reitschuster“ berichtet, musste der im Video zu sehende Mann später mehrfach von einem Chirurgen genäht werden: an der rechten Schläfe und hinter dem rechten Ohr. Eine weitere Verletzung platzte zum Glück nicht auf, am Schädel, 20 Zentimeter lang. Im Krankenhaus stand er die ganze Zeit unter Polizeibewachung – wie ein Schwerverbrecher. Später ließ man ihn laufen. Er wird Anzeige erstatten. Die Polizei wirft ihm „Gefangenenbefreiung“ vor. Er selbst erklärt, dass er spontan einem Mann helfen wollte, der von Polizisten zu Boden gedrückt und geschlagen wurde. Dann kam schon ein Trupp Uniformierter über ihn. Der Mann, ein Leipziger Unternehmer, 40 Jahre alt, beteuert, er habe sich nicht gewehrt. Wehrlos am Boden liegend hätten ihn die Beamten mit ihren Quarzhandschuhen geschlagen. Er bittet um die Aussage von Augenzeugen.

 

Hier ist die Szene aus einer anderen Perspektive zu sehen

Rund 2.200 Polizeibeamte aus mehreren Bundesländern ließ Innensenator Andreas Geisel gegen die trotz Verbots durch Berlin laufenden Menschen aufmarschieren. In Videos im Internet sind regelrechte Jagdszenen von Polizisten auf flüchtende Bürger zu sehen. Aus Polizeisicht handelte es sich dabei vermutlich um den Versuch, eine Absperrung zu durchbrechen oder einer Einkesselung zu entgehen.

Kind geschlagen: Polizist trennt verhaftete Mutter von ihrem Kind

In einem anderen Video wird eine Frau von der Polizei verhaftet. Als man die am Boden liegende Frau wegschleppen will, hält sich ein verängstigter Junge an ihr fest, vermutlich der Sohn, der seine Mutter nicht loslassen will. Ein Polizist schlägt vergeblich auf die Arme und Hände des Kindes ein, das verzweifelt seine Mutter festhält. Dann schlägt ihm ein Polizist mitten ins Gesicht. Der Junge wird zurückgeschleudert und muss schließlich loslassen. Die Frau wird weggebracht. Das Video ist auf YouTube hinter einer Altersschranke von 18+ Jahren nur begrenzt zugänglich.

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„DieBasis“-Gründungsmitglied stirbt bei Polizeimaßnahme

Trauriger Höhepunkt der Ereignisse war der Tod eines Demonstranten nach seiner Verfolgung, Überwältigung und Festnahme. Der 48-Jährige, Gründungsmitglied der Partei „DieBasis“, erlitt einen Herzinfarkt, erklärte die Berliner Generalstaatsanwaltschaft. Die Untersuchungen seien aber noch nicht abgeschlossen.



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