Ukraine-Flüchtlinge: Chaos im Berliner Ankunftszentrum

Bei der Ankunft und der gesamtdeutschen Verteilung der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine mangelt es an Koordination, verbindlichen Vorgaben zur Registrierung, Personal und Unterbringung. Wird Berlin zum Katastrophenfall?
Titelbild
Flüchtlinge aus der Ukraine in Berlin.Foto: JOHN MACDOUGALL/AFP via Getty Images
Von 17. März 2022

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Berlin ist der zentrale Anlaufpunkt für Geflüchtete aus der Ukraine. Im neu geschaffenen Ankunftszentrum in Tegel sollen täglich bis zu 15.000 Kriegsflüchtlinge versorgt, registriert und dann auf andere Bundesländer verteilt werden. Doch so einfach ist das nicht, es fehlt an Manpower und Unterbringungsmöglichkeiten für die Neuankömmlinge. Nicht nur, dass ein alter Streit zwischen Berliner Sozialverwaltung und Polizei den Ablauf behindert, so bestellten die Berliner Behörden auch noch BAMF-Mitarbeiter ab, die bei der Registrierung helfen sollten.

„Jeder Tag und jede Nacht ist ein Wettlauf für die Ehrenamtlichen und die Hauptamtlichen“ zwischen dem Schaffen neuer Plätze und den neu Ankommenden, beschreibt Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) im „RBB Inforadio“ das Szenario am Ankunftszentrum in Berlin. „Man hat das Gefühl, man muss jeden Tag ein bisschen schneller laufen.“ Dabei sei dies erst der Anfang – man müsse sich auf einen Marathon einstellen, so Kipping.

Registrierungen stauen sich

Wie das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) angab, fehle es im neu geschaffenen Ankunftszentrum in Tegel an technischen Voraussetzungen und Mitarbeitern zur Erfassung der Geflüchteten. Es sei auch noch nicht klar, wann die Strukturen für die Registrierung fertig werden, heißt es in der „taz“. So müssen die Geflüchteten dort erst mal ausharren, bevor sie auf andere Bundesländer verteilt werden können. Festnageln, ob die Registrierung noch in dieser Woche erfolgen würde, wollte sich das LAF jedenfalls nicht.

„Die Registrierung sollte am zweiten Tag der Ankunft erfolgen“, fordert Amei von Hülsen-Poensgen von der Initiative Willkommen im Westend. „Wenn Berlin schneller registrieren würde, müsste das Land viel weniger Menschen unterbringen.“ Derzeit benötigen rund 1.000 Menschen pro Nacht ein Bett und die Behörden seien über jeden Flüchtling froh, der privat eine Bleibe findet.

„Wenn Berlin erst sechs bis acht Wochen nach Beginn des Krieges mit den Registrierungen beginnt, kommen wir in einen riesigen Rückstau“, sagt von Hülsen-Poensgen. Schon jetzt seien alle Termine für die Registrierung bis etwa Mitte April ausgebucht. Auch eine umfassende medizinische Versorgung, psychosoziale Betreuung oder die Anmeldung in Kita oder Schule sind von der Registrierung abhängig.

Berlin lehnt Hilfe ab

Angesichts der schwierigen Lage schickte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in der vergangenen Woche Mitarbeiter nach Berlin. Sie sollten bei der Registrierung helfen. Zum Ärgernis der Bundesbehörde sei den Mitarbeitern jedoch von den Berliner Behörden abgesagt worden. Berlin habe sich lieber dazu entschieden, am Sonntag die Registrierung einzustellen, hieß es.

Aber nicht nur das BAMF ärgert sich über das Bundesland. Laut „Welt“ ist zudem ein Streit um ein altes sicherheitspolitisches Thema zwischen Berliner Behörden und der örtlichen Polizei erneut aufgeflammt: das sogenannte Fast-ID-Verfahren.

Seit der Flüchtlingskrise und dem Anschlag am Breitscheidplatz 2016 wird über dieses Verfahren geprüft, ob eine Person kriminell auffällig geworden ist. Mittels Fingerabdruck läuft dieser Schritt vollständig digital ab und dauert weniger als eine Minute. Gibt es einen Treffer in den Datenbanken, ist also der- oder diejenige schon einmal auffällig geworden, folgen weitere polizeiliche Maßnahmen.

Die Berliner Sozialverwaltung kritisiert dieses Verfahren. Sie behauptet, dass durch die offensive polizeiliche Arbeit Flüchtlinge kriminalisiert würden. So habe die Berliner Behörde die angeforderte Unterstützung der Polizei wenige Tage später wieder abbestellt.

„Kriminelle Trittbrettfahrer müssen erkannt und gestoppt werden!“

Die größte Interessenvertretung von Kriminalbeamten in Deutschland (BDK) reagierte darauf mit einem Brandbrief. Darin heißt es: „Schutzsuchende aus dem Kriegsgebiet in der Ukraine bedürfen unserer Hilfe und Sicherheit – Verbrecher, die deren Lage ausnutzen wollen, kriminelle Trittbrettfahrer und potentielle Staatsterroristen müssen erkannt und gestoppt werden!“.

Der Berliner Verwaltung würde es an Organisation und Koordination mangeln und dies sei ein Armutszeugnis für die deutsche Hauptstadt. Daher fordert der BDK dringend „einen ressortübergreifenden, kompetent besetzten Krisenstab bei der Senatskanzlei einzurichten.“

Für den BDK sei es „unabdingbar“, dass alle Menschen aus der Ukraine, denen nun zurecht ein Aufenthaltstitel nach § 24 AufenthG verliehen werden soll, zuvor erkennungsdienstlich behandelt werden – wie es der Gesetzgeber vorgesehen hat.“ Denn ohne diese Maßnahmen würden Schutzsuchende selbst gefährdet werden.

Wird Berlin zum Katastrophenfall?

Berlins Regierungschefin Franziska Giffey schrieb derweil einen Brief an alle öffentlich Bediensteten: „Wir brauchen dringend freiwillige Helfer aus den Dienststellen des Landes Berlin, die für einen Zeitraum von jeweils drei Wochen beginnend am 18. März ihre Bereitschaft erklären, im Ankunftszentrum Tegel mitzuhelfen.“

Mit solchen Maßnahmen will Giffey die Ausrufung des Katastrophenfalls aufschieben. „Bevor wir diesen Schritt Katastrophenfall gehen, gibt es noch weitere Schritte die man gehen kann.“ So könnte sie zum Beispiel leer stehende Immobilien von Privatpersonen beschlagnahmen, um dort die von Obdachlosigkeit bedrohten Menschen unterzubringen, heißt es in der „Berliner Zeitung“. Wenn der Senat die Notwendigkeit nachweist, könnte er jeden zum Hilfseinsatz verpflichten.

Unterstützt wird die Bürgermeisterin von der FDP: „Ich finde es richtig, dass Berlin versucht, kreative Lösungen zu suchen“, sagt deren innenpolitischer Sprecher Björn Jotzo.

„Zunächst müssen wir das bundesweite Verteilungssystem so aufstellen, dass es funktioniert, alle Kräfte zusammenholen. Wir kriegen das zum jetzigen Zeitpunkt noch hin“, so Giffey, „aber ich schließe ausdrücklich nichts aus.“ Notwendig seien 400 Mitarbeiter, die das Zentrum sieben Tage lang rund um die Uhr betreuen.

Der „rbb24“ berichtet, dass die Bundeswehr mit 80 Soldaten bei der Erstversorgung der Menschen auf „begrenzte Zeit“ helfen soll.



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