Von Zschäpe belastet? Anklage gegen Susann E. wegen mutmaßlicher NSU-Unterstützung

Im November jährt sich das Auffliegen des rechtsterroristischen Terrornetzwerks „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) zum 13. Mal. Mit Susann E. soll sich noch eine frühere Vertraute der 2018 verurteilten Haupttäterin Beate Zschäpe vor Gericht verantworten.
Der NSU-Prozess gegen Mitglieder wie Beate Zschäpe lief ab Mai 2013 vor dem Oberlandesgericht München.
Akten zum NSU-Prozess.Foto: Peter Kneffel/dpa
Von 29. Februar 2024

Mit dem Urteil gegen Haupttäterin Beate Zschäpe und vier Helfer am 11. Juli 2018 endete das bisher einzige Verfahren im Zusammenhang mit der Mordserie des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU). Für die Angehörigen der Opfer sind bis heute viele Fragen offengeblieben – vor allem über dessen Umfeld. Wie am Mittwoch, 28. Februar, bekannt wurde, hat die Generalbundesanwaltschaft nun eine weitere Anklage gegen eine mutmaßliche Unterstützerin erhoben.

Ehemann bereits 2018 wegen Unterstützung des NSU verurteilt

Einem Bericht der „Tagesschau“ zufolge lautet ein Tatvorwurf gegen die Mittvierzigerin auf Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Dazu kommt jener der Beihilfe zu einer schweren räuberischen Erpressung mit Waffen. Bei Susann E. handelt es sich um die Ehefrau des 2018 zu zwei Jahren und sechs Monaten verurteilten André E.

Dieser wurde der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung schuldig gesprochen. Darüber hinausgehende Anklagepunkte, darunter versuchter Mord, führten nicht zu einer Verurteilung. André E., der über sich selbst erklärt, aus der rechtsextremistischen Szene ausgestiegen zu sein, hatte im Prozess jedwede Aussage verweigert.

Gegen seine Frau wurde zwar von Beginn an ermittelt, die Beweise haben sich jedoch offenbar erst jetzt in ausreichendem Maße verdichtet, um an eine Anklage denken zu können. Das Oberlandesgericht Dresden muss jetzt über deren Zulässigkeit entscheiden.

Susann E. soll über Morde im Bilde gewesen sein

Konkret wird Susann E. vorgeworfen, spätestens seit Anfang 2007 gewusst zu haben, dass die drei Kernmitglieder des NSU unter falschen Identitäten im Untergrund gelebt hätten. Auch sei sie zu diesem Zeitpunkt im Bilde darüber gewesen, dass diese bereits rassistisch motivierte Morde begangen hätten. Außerdem habe sie über Banküberfälle Bescheid gewusst.

Der letzte der neun Morde an Einwanderern hatte im Jahr zuvor stattgefunden. Jener an der Polizeibeamtin Michèle Kiesewetter in Heilbronn am 25. April 2007 stand noch bevor. Insgesamt hatte das rechtsterroristische Trio in der Zeit von September 2000 bis zu jenem Tag an acht unterschiedlichen Orten des Bundesgebiets insgesamt zehn Morde mit Schusswaffen begangen.

Susann E. soll Zschäpe ab Herbst 2008 mehrfach ihre Krankenkarte übergeben haben, um diese in ihrem Namen Arzttermine wahrnehmen zu lassen. Zudem habe sie ihre Personalien zum Erwerb von BahnCards zur Verfügung gestellt. Zschäpes Mittäter Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos soll sie zu einem Abholtermin für ein später bei einem Raubüberfall verwendetes Wohnmobil gefahren haben.

Offenbar nicht hinreichend verdichtet hat sich ein Tatverdacht, der gegen Susann E. im Kontext des ersten NSU-Anschlages geäußert worden war. So soll diese 1999 im Umfeld jenes Nürnberger Lokals gesehen worden sein, in dem NSU-Terroristen eine Rohrbombe hinterlassen hatten. Der bei dem Anschlag schwer verletzte Lokalbesitzer will E. auf Bildern erkannt haben.

Nach Schweigen im Prozess soll Zschäpe Angaben zum NSU gemacht haben

Eine der bis heute nicht vollständig geklärten Fragen im NSU-Komplex ist, ob es noch weitere Personen gab, die den Haupttätern zugearbeitet haben. Dies könnte durch Auskundschaften möglicher Anschlagziele oder des Tagesablaufs späterer Opfer geschehen sein.

Gemäß der Terrorstrategie, die der verstorbene US-amerikanische Neonazi William Pierce in einem Buch beschrieben hatte, sollten wahllos Einwanderer getötet werden, zu denen der jeweilige Täter keinerlei persönliche Beziehung aufweise. Dies würde die Ermittlungen deutlich erschweren und die Entdeckung weniger wahrscheinlich machen.

Im Fall des NSU dauerte es bis zum 4. November 2011. An diesem Tag hatte man die zusammen mit Zschäpe abgetauchten Rechtsterroristen Böhnhardt und Mundlos tot in einem brennenden Wohnmobil in Eisenach aufgefunden. Sie sollen nach einem Banküberfall den Polizeifunk abgehört und von einer Festnahme ausgegangen sein. Anschließend hätten sie Selbstmord begangen.

Dem Bericht der „Tagesschau“ zufolge könnte Zschäpe selbst die Hauptbelastungszeugin gegen Susann E. gewesen sein. So soll sie nach ihrer Verurteilung bei fünf Gelegenheiten gegenüber Ermittlungsbehörden ausgesagt haben. Zudem habe der NSU-Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags mit Zschäpe gesprochen, die derzeit ihre lebenslange Haftstrafe absitzt.

Mysteriöse Todesfälle unter möglichen Zeugen

Die Terrorserie des NSU hatte in den Jahren nach ihrem Auffliegen zahlreiche Spekulationen und schwere Vorwürfe gegen Sicherheitsbehörden zur Folge. Zudem hat die Mordserie zu einem tiefgreifenden Vertrauensbruch gegenüber dem Staat vor allem in der türkischen Einwanderercommunity geführt.

Über Jahre hinweg führten die Ermittlungsansätze in eine falsche Richtung. Vielfach konzentrierten sich die Ermittlungen auf die Familien der Opfer. In einigen Fällen sahen diese sich substanzlosen Verdächtigungen ausgesetzt, während Ermittlungen in Richtung möglicher Täter ohne Migrationshintergrund weitgehend unterblieben.

Nach dem Bekanntwerden des rassistischen Hintergrundes der Mordserie sollen Verfassungsschutzbehörden Akten mit mutmaßlichem Bezug zum Umfeld des Terrortrios vernichtet haben. Zum Zeitpunkt des Mordes am Internetcafé-Besitzer Halit Yozgat am 6. April 2006 hat sich ein Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes in unmittelbarer Tatortnähe befunden. Der Verdacht einer Vertuschung möglichen eklatanten Behördenversagens stand mehrfach im Raum.

In den Jahren zwischen 2013 und 2016 hat es zudem vier Todesfälle gegeben, die mögliche Zeugen zum NSU-Komplex betrafen. Einer davon betraf einen jahrelangen V-Mann des Verfassungsschutzes, der sich in einem Zeugenschutzprogramm befand. Noch vor dem Bekanntwerden der Terrorzelle starb 2009 ein 18-Jähriger, dessen Name in einer Akte mit Bezug zu einem der NSU-Morde auftauchte.

In drei der fünf Todesfälle soll Suizid die Todesursache gewesen sein – davon in zwei Fällen durch Verbrennen in einem Pkw.



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