Weg von Russlands Öl und Gas: Was bisher aus Habecks großer Ankündigung wurde

Noch im April feierte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck eine Reduktion des aus Russland importierten Öls auf zwölf Prozent. Die tatsächliche Quote war aber mehr als doppelt so hoch, wie das Wirtschaftsministerium nun bekannt gab. Derweil fürchtet die Bundesnetzagentur einen „Totalausfall“ russischer Gaslieferungen mit dramatischen Folgen für die Verbraucher.
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Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).Foto: TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images
Epoch Times2. Juli 2022

Deutschland ist doch deutlich abhängiger von russischem Rohöl als Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) es zuletzt angekündigt hatte. Das geht aus einer Antwort von Habecks Ministerium auf eine schriftliche Frage von Unionsfraktionsvize Jens Spahn hervor, über die die „Welt am Sonntag“ vorab berichtet. Im letzten erfassten Zeitraum, Mai 2022, stammten 27,8 Prozent des von Deutschland importierten Rohöls demnach aus Russland.

Habeck hatte Ende April öffentlich verkündet, der Anteil habe bereits zu diesem Zeitpunkt bei nur noch zwölf Prozent gelegen. Deutschland sei „einer Unabhängigkeit von russischen Ölimporten sehr, sehr nahe gekommen“, sagte Habeck.

Das Wirtschaftsministerium erklärte die Diskrepanz zwischen der Aussage des Ministers und der tatsächlichen Zahl auf Anfrage damit, ölimportierende Unternehmen hätten zum damaligen Zeitpunkt signalisiert, aus bestehenden Verträgen mit russischen Lieferanten kurzfristig aussteigen zu können, sollte Russland Lieferungen stoppen oder ein komplettes Embargo erlassen werden.

CDU-Politiker Spahn kommentierte die Diskrepanz in der Aussage des Ministers und der tatsächlichen Quote so: „Die von Wirtschaftsminister Habeck vor Wochen verkündete Reduktion der Abhängigkeit bei Rohöl auf zwölf Prozent war offenbar eher eine spontane Schätzung.“ Spahn kritisierte, dass die Abhängigkeit von Russland beim Öl zuletzt kaum abnahm. Im März hatte die Quote bei 37 Prozent gelegen.

Auch aus der Koalition gab es Kritik am langsamen Rückgang: Der noch hohe Importanteil russischen Erdöls sei „absolut unbefriedigend“, sagte der energiepolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Kruse.

Steht ein Totalausfall russischer Gaslieferungen bevor?

In Bezug auf russisches Gas fürchtet die Bundesnetzagentur unterdessen einen „Totalausfall“ der Lieferungen und ruft zu größeren Anstrengungen beim Energiesparen auf. Die Frage sei, ob aus der bevorstehenden regulären Wartung der Gaspipeline Nord Stream 1 „eine länger andauernde politische Wartung wird“, sagte Müller den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Die zwölf Wochen bis zum Beginn der Heizsaison müssten genutzt werden, um Vorbereitungen zu treffen, mahnte Müller. Er appellierte an alle Haus- und Wohnungsbesitzer, ihre Gasbrennwertkessel und Heizkörper rasch zu überprüfen und effizient einstellen zu lassen. „Eine Wartung kann den Gasverbrauch um zehn bis 15 Prozent senken“, sagte Behördenchef. „Das muss jetzt passieren und nicht erst im Herbst.“

Um Engpässe bei den Handwerkerterminen zu überwinden, rief Müller alle Handwerker dazu auf, sich auf Heizung und Warmwasserversorgung zu konzentrieren.

Müller: „Keine Mangellage bei Benzin und Öl“

Zugleich warnte Müller vor falschen Akzenten beim Energiesparen. „Die Krisensituation bezieht sich auf Gas – und nicht auf Strom“, sagte er. Deutschland stehe nicht vor einer Stromlücke. „Wir haben auch keine Mangellage bei Benzin und Öl. Das ist alles verfügbar“, erklärte Müller. „Ich werbe dafür, den Blick auf Gas zu fokussieren.“

Habeck hatte am 23. Juni wegen der gedrosselten russischen Lieferungen die zweite Krisenstufe im Notfallplan Gas, die sogenannte Alarmstufe, ausgerufen.

Gegenüber den Funke-Zeitungen führte Müller aus, wen mögliche Gas-Rationierungen treffen könnten. In einer Gasnotlage „können wir nicht jeden Betrieb als systemrelevant einstufen“, sagte er. „In kritischen Bereichen wie Teilen der Lebensmittel- und Pharmabranche müssen wir sehr vorsichtig sein. Dagegen wären Produkte und Angebote, die in den Freizeit- und Wohlfühlbereich fallen, eher nachrangig. Schwimmbäder gehören wohl nicht zum kritischen Bereich, genauso wie die Produktion von Schokoladenkeksen.“

Müller betonte zugleich, die Netzagentur sehe „kein Szenario, in dem gar kein Gas mehr nach Deutschland kommt“. Deutschland könne unter anderem aus Norwegen und aus den Niederlanden versorgt werden.

Gaspreis-Schock erwartet

Derweil warnte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) davor, die drastischen Preisanstiege bei Gas unmittelbar an die Verbraucher weiterzugeben, und forderte Gesetzesänderungen. „Die Preissteigerungen sind für viele Menschen kaum noch zu schultern“, sagte der Leiter des Teams Energie und Bauen beim vzbv, Thomas Engelke, der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ vom Samstag.

Der Paragraf 24 des Energiesicherheitsgesetzes müsse dringend von der Bundesregierung überarbeitet werden. „Denn ohne Änderungen könnten die Energieanbieter bei Ausrufung der Gasmangellage durch die Bundesnetzagentur die teuren Börsengaspreise 1:1 an die privaten Haushalte durchreichen. Der extrem hohe Gaspreis überfordert Millionen Haushalte.“

Am Freitag lag der Gas-Großhandelspreis bei 148 Euro pro Megawattstunde. Das impliziert einen Verbraucherpreis von mindestens rund 21 bis 24 Cent pro Kilowattstunde (kWh) inklusive Nebenkosten und Steuern, sollte das Preisniveau dauerhaft so bleiben. Für einen Durchschnittshaushalt mit etwa 12.000 Kilowattstunden Verbrauch im Jahr entstünden in diesem Fall monatliche Gas-Kosten in Höhe von rund 226 Euro, und damit etwa 166 Euro mehr pro Monat als im Durchschnitt der letzten Jahre. (dts/afp/red)



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