„Zu teuer“: Kritik am geplanten 49-Euro-Ticket im Nahverkehr

Für das Nachfolgemodell des 9-Euro-Tickets gibt es eine Verständigung zwischen Bund und Ländern - über die Finanzierung nicht. Viele fordern ein günstigeres Ticket als 49 Euro.
Straßenbahn, Bus oder Bahn: Einer Umfrage zufolge ist Nutzerinnen und Nutzern vor allem Flexibilität und Unabhängigkeit am Wichtigsten.
Das geplante 49-Euro-Ticket stößt auf ein geteiltes Echo.Foto: Jens Schlüter/dpa
Epoch Times14. Oktober 2022

An der Grundsatzeinigung über ein 49-Euro-Ticket für Busse und Bahnen gibt es Kritik – Sozialverbände und Verbraucherschützer halten es für zu teuer.

Die Verkehrsminister von Bund und Ländern hatten sich auf dieses Modell als Nachfolger des 9-Euro-Tickets verständigt. Allerdings sind Finanzierungsfragen weiter offen. Das muss nun auf Spitzenebene geklärt werden. Der Deutsche Städtetag fordert dauerhaft mehr Geld vom Bund für Busse und Bahnen.

Das millionenfach gekaufte 9-Euro-Ticket hatte im Juni, Juli und August für je einen Monat deutschlandweit Fahrten in Bus und Bahn ermöglicht. Den 49-Euro-Nachfolger soll es nach den Plänen der Verkehrsminister als laufendes Abonnement geben, das aber monatlich kündbar sein soll. Ziel sei eine Einführung des bundesweiten Tickets zum 1. Januar 2023, hatte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) gesagt.

Für Geringverdiener ist das Ticket zu teuer

Die Verbraucherzentralen forderten größeres Augenmerk auf soziale Aspekte. „Der öffentliche Nahverkehr muss für alle erschwinglich sein, unabhängig vom Einkommen“, sagte die Leiterin für Verbraucherpolitik beim Bundesverband (vzbv), Jutta Gurkmann, am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. Insbesondere Empfängern von Transferleistungen, aber auch Geringverdiener ohne staatliche Leistungen helfe ein 49-Euro-Ticket wenig. Um einen wirklichen Anreiz für einen Umstieg auf die öffentlichen Verkehrsmittel zu schaffen, hatte der Verband ein 29-Euro-Ticket gefordert, das auch monatlich gekauft werden kann.

Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, erklärte, eine 29-Euro-Lösung wäre eine gute Nachfolge für das 9-Euro-Ticket gewesen. „So hätten auch Menschen mit wenig Einkommen weiterhin die Möglichkeit, kostengünstig den ÖPNV zu nutzen – sei es, um Familie und Freunde zu besuchen oder wichtige Arzttermine wahrzunehmen.“

Auch aus Sicht des Fahrgastverbands Pro Bahn ist ein 49-Euro-Ticket für einkommensschwache Menschen nach wie vor zu teuer. „Das Prinzip Gießkanne wird damit nicht durchbrochen“, sagte der Pro-Bahn-Ehrenvorsitzende Karl-Peter Naumann der dpa. „Wir bräuchten für diese Menschen ein günstigeres Angebot.“

Die genaue Finanzierung ist noch offen

Finanzierungsfragen zwischen Bund und Ländern sind zudem weiter offen. Der Bund hatte zugesagt, ein Nachfolgeticket des 9-Euro-Tickets mit 1,5 Milliarden Euro zu finanzieren – wenn die Länder mindestens den gleichen Betrag zur Verfügung stellen. Die Länder sind aber nur zu einer Mitfinanzierung bereit, wenn es vor dem Hintergrund gestiegener Energiekosten eine Verständigung über eine Anhebung der Regionalisierungsmittel in Milliardenhöhe gibt. Mit diesem Geld des Bundes bestellen sie Busse und Bahnen.

Ein Regierungssprecher machte am Freitag deutlich, die Bundesregierung strebe eine Klärung in einem Paket an. Der Bund gehe von einer gütlichen Einigung aus.

Die Länder und der Bund streiten derzeit noch über andere Finanzfragen zur Entlastung der Bürger, dabei geht es etwa um eine Ausweitung des Wohngelds. Ein entscheidendes Treffen der Regierungschefs der Länder und Kanzler Olaf Scholz (SPD) könnte es nach der neuen Steuerschätzung Ende Oktober geben.

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, sagte der dpa, das 49-Euro-Ticket dürfe wichtige Investitionen in den Ausbau des Nahverkehrs nicht ausbremsen. Der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) sei schon lange „extrem unterfinanziert“.

Flixbus beklagt Wettbewerbsverzerrung

Derweil beklagte der Fernbusbetreiber Flixbus eine Wettbewerbsverzerrung durch 9-Euro-Ticket. Das Unternehmen büßte im Sommer wegen des Billigtickets Kunden ein. „Wir haben auf bestimmten Strecken deutlich Fahrgäste verloren, die Zahlen sind dort um ein Drittel bis die Hälfte zurückgegangen“, sagte Flixbus-Chef André Schwämmlein dem „Spiegel“. Als Beispiele nannte er die Strecken Berlin-Leipzig, München-Nürnberg und Hamburg-Hannover.

Insgesamt habe Flixbus aber einen sehr guten Sommer gehabt, weil die Leute wieder reisen wollten. Auf Strecken, für die Reisende in Regionalzügen von Juni bis August das 9-Euro-Ticket nutzen konnten, ging die Nutzung der Busse jedoch deutlich zurück. Nach dem Auslaufen des Angebots sind die Fahrgastzahlen dort Schwämmlein zufolge wieder gestiegen.

Der Flixbus-Chef hatte vor einigen Wochen der Bundesregierung angeboten, die Fernbusse in das neue bundesweite Ticket miteinzubeziehen. „Wir streben mit der Beteiligung kein Zusatzgeschäft an“, sagt Schwämmlein. Es gehe vielmehr darum, den Kunden ein attraktives Angebot zu machen und eine neuerliche Wettbewerbsverzerrung zu verhindern – und damit zugleich ein erhebliches rechtliches Risiko für das Nachfolgeticket.

Bei einer Vergütung im kleinen bis mittleren zweistelligen Millionen-Euro-Bereich für die Einbindung von Flixbus sei das gewährleistet, gemessen an den Gesamtkosten für das Ticket von voraussichtlich drei bis vier Milliarden Euro sei das „ein überschaubarer Betrag“. Einige Regionen decke Flixbus besser ab als der regionale Zugverkehr, gerade in Flächenländern wie Bayern.

Würde Flix nicht in das 9-Euro-Nachfolgeticket einbezogen, bedeute das: „Wir müssten dann auf einigen Strecken in Deutschland unser Angebot deutlich einschränken, voraussichtlich bereits ab Januar“ – zulasten der Fahrgäste. Man könne den Betrieb nicht überall aufrechterhalten, „wenn die subventionierte Konkurrenz quasi umsonst fährt“. (dpa/dts/dl)



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