Hoffnungen zerschlagen: Flüchtlingsgipfel bringt kaum konkrete Lösungen

Beim Flüchtlingsgipfel zwischen Bund und Ländern wurde über die langfristige Finanzierung gestritten. Die Länder fordern eine dauerhafte Beteiligung des Bundes an den steigenden Flüchtlingskosten. Außer einer Geldzusage konnten die Länder am Ende nicht viel erreichen.
Mitglieder der Bundesregierung und der Ministerpräsidentenkonferenz sitzen zu Beginn des Bund-Länder-Gipfels im Bundeskanzleramt.
Mitglieder der Bundesregierung und der Ministerpräsidentenkonferenz sitzen zu Beginn des Bund-Länder-Gipfels im Bundeskanzleramt.Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Von 11. Mai 2023

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Mit großer Spannung war der Flüchtlingsgipfel zwischen Bund und Ländern erwartet worden. Schon bevor sich am Mittwoch um 14:00 Uhr die Ministerpräsidenten der Bundesländer mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) trafen, war der Streit um das liebe Geld entbrannt.

Pauschalen pro Person statt Jahrespauschalen

Alle 16 Bundesländer erwarten vom Bund eine verlässliche und dauerhafte Beteiligung an den steigenden Flüchtlingskosten. In einem gemeinsamen Papier wurde die Hauptforderung nach einem flexiblen System formuliert, bei dem die Zahlungen des Bundes an die Flüchtlingszahlen angepasst werden sollen.

Die Länder möchten ebenfalls an dem bewährten Vier-Säulen-Modell festhalten, das bis 2021 als erfolgreich betrachtet wird. Dieses Modell umfasst insbesondere die vollständige Erstattung der Kosten für Unterkunft und Heizung für Geflüchtete. Darüber hinaus forderten die Länder die Zahlung einer monatlichen Pauschale pro Person gemäß dem Asylbewerberleistungsgesetz sowie auf eine Beteiligung des Bundes an den Kosten für Integration und unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.

Die Ministerpräsidenten zeigten sich eher bereit, den Gipfel mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zu vertagen, anstatt sich nur auf eine Einmalzahlung einzulassen. In ihrem Papier wird festgehalten, dass „der Bundeskanzler und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder bis spätestens November 2023 erneut zusammenkommen werden, um abschließend über die konkrete Umsetzung dieses Modells zu beraten.“

Für 2023 hat der Bund den Ländern Mittel in Höhe von 2,75 Milliarden Euro zugesagt. Aus Sicht der Länder reicht dieser Betrag nicht aus. Sie lehnten daher den vom Kanzleramt vorgelegten Entwurf ab.

Im Vorfeld sickert Ultimatum des Kanzlers durch

Es gibt seit geraumer Zeit anhaltende Auseinandersetzungen über die Finanzierung der Flüchtlingshilfen. Angesichts des Anstiegs der Flüchtlings- und Asylbewerberzahlen stoßen viele Kommunen an ihre Belastungsgrenzen. Im Papier der Länder wird betont, dass die Hilferufe und Berichte über Überlastung seitens der Kommunen, ehrenamtlicher Helfer und anderer Beteiligter vor Ort, die in den vergangenen Jahren unter schwierigen Rahmenbedingungen großartige Arbeit geleistet haben, ernst genommen werden müssen.

Für Zoff dürfte dann kurz vor Beginn des Gipfels die Nachricht gesorgt haben, dass Bundeskanzler Scholz den Länderchefs im Vorfeld ein Ultimatum gestellt hat. Wie „Bild“ berichtet, sei aus dem Umfeld des Kanzlers durchgesickert, dass das Kanzleramt Druck auf die Länder gemacht habe.

Laut Berichten der „Bild“ sollte die Frage der Finanzierung bis 18 Uhr gelöst werden, ansonsten würde es schwierig sein, überhaupt zu einer Lösung zu gelangen.

Konkret hieß das, dass es ein Vier-Stunden-Ultimatum seitens des Kanzlers für die Finanzfrage gab. Allerdings soll es Überlegungen gegeben haben, zuerst die offenen Sachfragen zu klären und das Thema Geld erst am Ende zu behandeln.

Gipfel vertagt sich – getrennte Beratungen

Kurz vor der Kanzler-Deadline um 17:54 Uhr vertagte sich dann erst einmal die Sitzung. Wie der „Spiegel“ in seinem Liveticker mitteilte, sollte es erst einmal getrennte Beratungen geben.

Wie der „Spiegel“ weiter schreibt, soll die Situation zu diesem Zeitpunkt so verzwickt gewesen sein, dass die Ministerpräsidenten in der Beratung nacheinander einzeln vortraten, um ihre Forderungen zu verteidigen. Damit versuchten sie, die Bundesregierung zum Einlenken zu bewegen, damit an diesem Abend eine Einigung verkündet werden kann.

Der Bund soll zu diesem Zeitpunkt nicht bereit gewesen sein, mehr als eine Milliarde Euro für die Mehraufwendungen der Länder bereitzustellen. Darauf wollten sich die Länder aber nicht einlassen. Nur Geld, das war den Ministerpräsidenten zu wenig.

Kleine Verhandlungskommission erwirkt einen Kompromiss

Der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) betonte in der Verhandlungspause gegenüber dem „Spiegel“, dass es einer Art Roadmap bedürfe. „Wir brauchen ein gemeinsames Verständnis für diese Aufgabe der Flüchtlingsunterbringung. Nur eine Milliarde auf den Tisch zu legen, hilft begrenzt“, sagte Ramelow.

Deutlich zeichnete sich zu diesem Zeitpunkt ab, dass eine Einigung dieses Mal schwierig wird. Zu unterschiedlich waren die Vorstellungen der Bundesregierung und der Ministerpräsidenten. Mehrere Ministerpräsidenten, darunter Manuela Schwesig (Mecklenburg-Vorpommern) und Malu Dreyer (Rheinland-Pfalz, beide SPD), sollen vor einem Scheitern der Verhandlungen gewarnt haben.

Damit der Gipfel nicht platzte, einigte man sich daher auf eine kleine Verhandlungskommission, die sich noch einmal mit Bundeskanzler Scholz zusammensetzte. Von den Ländern nahmen die Ministerpräsidenten von NRW, Hendrik Wüst (CDU), und von Niedersachsen, Stephan Weil (SPD), teil. Am Ende dann doch ein Kompromiss, als Olaf Scholz und die Ministerpräsidenten Wüst und Weil im Kanzleramt vor die Presse traten.

Außer Geldzusage sind die Hände der Länder leer

Scholz betonte, dass die Migrationsströme eine ganz große Aufgabe „in einem föderalen Staat“ blieben. Die irreguläre Migration sollte sich „spürbar [zu] reduzieren“. Bundeskanzler Olaf Scholz schließt in diesem Zusammenhang erweiterte Grenzkontrollen nicht aus. Es sei „wichtig, dass wir unsere eigenen Grenzen gut bewachen“, sagte er gestern Abend nach dem Flüchtlingsgipfel mit den Ländern. Gleichzeitig betonte er die Notwendigkeit, die EU-Außengrenzen voranzutreiben. Weiter stellt der Bund den Ländern in diesem Jahr nun eine Milliarde Euro zusätzlich für die Versorgung von Flüchtlingen bereit.

Ein weiterer gemeinsamer Schwerpunkt von Bund und Ländern war es, Asylverfahren und Abschiebungen schneller abzuwickeln. Hierfür sind verschiedene Gesetzesänderungen geplant. Eine davon betrifft die maximale Dauer des Ausreisegewahrsams, der von bisher zehn auf 28 Tage verlängert werden soll. Zusätzlich sollen Neuankömmlinge aus Georgien und Moldau in der Regel keine Aussicht mehr auf Asyl haben.

Die Ministerpräsidenten bauen in ihrem Beschluss auch schon für eine Niederlage im Ringen um die Reform vor. „Der Bundeskanzler und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder werden bis spätestens November 2023 erneut zusammenkommen, um über die konkrete Umsetzung dieses Modells abschließend zu beraten“, heißt es in ihrem Papier. Im November soll also entschieden werden, wie das System langfristig stabilisiert werden soll. Da gebe es unterschiedliche Auffassungen, sagte Scholz.

Kommunen kritisieren Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels

Nach den „schwierigen Gesprächen, die alle im Vorfeld erwartet haben“, äußerte sich Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil zufrieden über die erreichte gemeinsame Position. Er betonte, dass Bund und Länder sich ihrer gemeinsamen Verantwortung bewusst seien und dass die Bürgerinnen und Bürger Lösungen statt Streit erwarten würden. Der Gipfel sei besser verlaufen, „als ich es vor ein oder zwei Tagen für möglich gehalten hätte“.

Nicht eingeladen zu dem Gipfel waren die Kommunen, die den schwersten Job bei der Unterbringung von Flüchtlingen und Migranten erledigen. Sie kritisieren die geringen Ergebnisse des Gipfels. „Eine Einigung erst im November kommt für das Jahr 2024 deutlich zu spät und stößt bei den Kommunen auf große Enttäuschung“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, der „Rheinischen Post“.”

Bei der Frage nach der dauerhaften Unterstützung der Länder und der Kommunen beim Thema Flüchtlinge hat es auf dem Flüchtlingsgipfel keine greifbaren Ergebnisse gegeben. Das war eine der Hauptforderungen der Ministerpräsidenten. An diesem Thema, so hieß es auf der Pressekonferenz, wolle man nun in den kommenden Wochen arbeiten. In welche Richtung hier gearbeitet werden soll, das blieb auf der Pressekonferenz allerdings im Dunkeln.

(Mit Material von Agenturen)



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