Selenskyj fordert mehr: Deutschland soll über Raketen, Kampfjets und Streumunition für Kiew entscheiden
Kaum hatte Wolodymyr Selenskyj die Zusage aus Deutschland empfangen, 14 Leopard-2-Kampfpanzersysteme in die Ukraine zu schicken, reagierte er mit weiteren Waffenforderungen an seine Verbündeten. Das berichtet unter anderem die „Berliner Zeitung“.
Selenskyj will noch mehr
Der ukrainische Präsident verlangte in seiner täglichen Videobotschaft am Abend des 25. Januar, seinem 45. Geburtstag, auch Langstreckenraketen und Kampfflugzeuge von allen Verbündeten: „Je mehr Unterstützung unsere Helden an der Front von der Welt erhalten, desto schneller wird die russische Aggression beendet“, erklärte Selenskyj. Auch die „Zusammenarbeit bei der Artillerie“ müsse ausgeweitet werden.
Die unter anderen von Deutschland, Polen, Finnland und den USA zugesagten Kampfpanzer des Typs Leopard 2 müssten schnell geliefert werden. Es komme auch auf die Menge an, sagte Selenskyj. Für ihre grundsätzliche Bereitschaft, Kampfpanzer zu liefern, dankte Selenskyj Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und US-Präsident Joe Biden.
Scholz soll Streumunition genehmigen
Ein mit der Ukraine verbündetes europäisches Land, das noch nicht genannt werden will, bekundete unterdessen in Washington seine Absicht, Streumunition an Kiew liefern zu wollen. Das berichtet die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ unter Berufung auf die Nachrichtenagentur AFP.
Um Streumunition liefern zu dürfen, sei allerdings die Zustimmung aus Deutschland einzuholen, weil es an der Produktion dieser Munition beteiligt sei, so der anonyme Vertreter. Er soll Verständnis dafür geäußert haben, dass Berlin „vermutlich einige Zeit“ für die Entscheidung brauchen werde. Eine Reaktion aus Berlin steht noch aus.
Streumunition birgt das Risiko, durch viele kleine Sprengsätze, die großflächig über den Köpfen der Menschen freigesetzt werden können, auch unbeteiligte Zivilisten zu töten. Deshalb ist es eigentlich international geächtet, sie zu verwenden: 110 Staaten, darunter Deutschland, verpflichteten sich im sogenannten „Oslo-Übereinkommen“ („Convention on Cluster Munition [CCM]“) schon vor Jahren, Streumunition weder zu produzieren, noch zu transportieren, noch zu lagern – und schon gar nicht einzusetzen. Die Ukraine und Russland gehören allerdings nicht zu den Unterzeichnern. Russland musste schon viel Kritik einstecken, weil seine Armee angeblich Streumunition in der Ukraine nutzt.
Der „Kollateralschaden“ moderner Streumunition sei wegen der technischen Weiterentwicklung heute aber „nicht mehr so groß“ wie beispielsweise noch in den 1940er- und 1950er-Jahren, beschwichtigte der anonyme Landesvertreter.
Luftalarm in weiten Teilen der Ukraine
Nach Angaben des Nachrichtenportals „t-online“ wurde am Morgen des 26. Januar in großen Teilen der Ukraine Luftalarm ausgelöst. In den Regionen Kiew, Odessa und Dnipropetrowsk sei der Strom vorsorglich ausgeschaltet worden.
Zuvor soll das ukrainische Militär nach eigenen Angaben 24 russische Drohnen in der Zentralukraine und in der Region Kiew zerstört haben. Ein weiterer Schaden sei nicht entstanden. Mit weiteren Luft- und Raketenangriffen durch das russische Militär sei zu rechnen.
Deutsche Kampfpanzer für Kiew genehmigt
Am Abend des 24. Januar 2023 hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) grünes Licht für die Lieferung von Leopard-2-Kampfpanzern aus Bundeswehrbeständen an die Ukraine gegeben. Die USA sagten nach Informationen der österreichischen Zeitung „Kurier“ bereits 31 Abrams-Panzer zu. Polen und Finnland wollten ebenfalls je 14 Leopards liefern, Norwegen acht, Portugal wahrscheinlich vier und Spanien womöglich 53. Aus Großbritannien bestehe eine Zusage für 14 Challenger-Kampfpanzer, aus Frankreich für 14 Panzer des Typs Leclerc.
Dass auch andere Staaten außer Deutschland schwere Angriffswaffen aus deutscher Produktion nach Kiew entsenden dürfen, entschied Scholz vier Tage nach einem Treffen hochrangiger westlicher Militärvertreter auf der amerikanischen Luftwaffenbasis im rheinland-pfälzischen Ramstein.
Scholz: „Vertrauen Sie der Bundesregierung“
Bei einer Regierungsbefragung im Bundestag am 25. Januar bat Scholz die Bürger um Verständnis für seine Entscheidung: „Vertrauen Sie mir, vertrauen Sie der Bundesregierung.“
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bezeichnete die historische Entscheidung in den ARD-„Tagesthemen“ als „alternativlos“. Er sei nun „erleichtert“. Pistorius kündigte zudem an, die materiellen Lücken bei der Bundeswehr, die durch Lieferungen an die Ukraine entstanden seien, schnell zu schließen. Womöglich schon in der kommenden Woche wolle er über den Nachschub mit Vertretern der Rüstungsindustrie sprechen.
Union will schnelle Verträge für Rüstungsindustrie
Der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Florian Hahn (CSU), verlangte im Gespräch mit der „Augsburger Allgemeinen“ von Pistorius, verbindliche Aufträge für Leopard 2-Panzer an die Rüstungsindustrie zu vergeben, um den Bestand bei der Bundeswehr und in der Ukraine aufzufüllen.
„Es ist fundamental wichtig für die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands, umgehend Leopard-Panzer, Munition und alles Weitere nachzubeschaffen, was die Bundeswehr abgeben musste“, so Hahn. „Wir müssen alle hoffen, dass der neue Verteidigungsminister die Nachbeschaffung nicht genauso sträflich vernachlässigt wie seine Vorgängerin.“
[Mit Informationen aus Agenturen]
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