Automobilindustrie in der Krise (Teil 1): So ernst steht es um Deutschlands Stolz

Die Corona-Pandemie zeigt die Fallstricke der Abhängigkeit der Automobilindustrie vom chinesischen Markt. Deutschlands Stolz und Schlüsselindustrie befindet sich in einer beispiellosen wirtschaftlichen Katastrophe: "Nicht alle Unternehmen werden es schaffen" – Auch Daimler sei bereits ein Übernahmekandidat.
Von 21. Mai 2020

Deutschlands Schlüsselindustrie, Schmuckstück und ganzer Stolz steht vor enormen Herausforderungen. Die Automobilindustrie, die wichtigste Säule der deutschen Volkswirtschaft, befindet sich in einer Krise, die schlimmer ist als die Finanzkrise 2008. Bereits im ersten Quartal 2020 verzeichneten die Autohersteller beispiellose Verkaufseinbrüche.

Entlassungen, Insolvenzen, Firmenübernahmen und weitere Kurzarbeit sei alles möglich, sagen Branchenexperten. Was sind die Grundursachen für die beispiellose Krise? Wo ist der Ausweg? Die Artikel-Reihe „Deutsche Automobilindustrie in der Krise“ der Epoch Times geht diesen Fragen nach und zeigt Möglichkeiten auf, dem Dilemma zu entkommen. Hier kann Teil 2 nachgelesen werden.

„Nicht alle Unternehmen werden es schaffen“ – Auch Daimler sei bereits ein Übernahmekandidat

Der Ernst der Lage in der Automobilindustrie zeigte sich in den vergangenen Wochen allein in der medialen Berichterstattung. „Wir laufen in eine Corona-Weltwirtschaftskrise wie wir sie seit 1929 nicht mehr erlebt haben“, sagte Ferdinand Dudenhöffer kürzlich im Interview gegenüber „Focus“. „Die Corona-Krise trifft die konjunkturabhängige Automobilbranche besonders hart“, schrieb „Börse am Sonntag“.

Es handele sich um „eine Frage der Existenz“, berichtete „Automobil Industrie“. NTV schrieb:  Die „Corona-Krise zerlegt die Autoindustrie“. Und die Unternehmensberatung „Roland Berger“ berichtete: „Diese Krise ist anders“.

„Ich gehe nicht davon aus, dass wir in fünf Jahren eine vergleichbare Struktur in den Produktionsketten vorfinden werden“, so Dudenhöffer weiter. Große Zulieferer wie Continental oder Bosch seien in noch größerer Gefahr als die Autohersteller selbst. Auch Daimler sei bereits ein Übernahmekandidat. Alle Unternehmen würden es jedenfalls nicht schaffen. Ein Erholungsprozess könnte außerdem 10 Jahre dauern, sagte Dudenhöffer gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ (Stand März).

Beispielloser Einbruch der Neuwagenverkäufe 

Europaweit sind die Verkäufe im April um rund 76 Prozent eingebrochen, wie Zahlen des europäischen Verbands der Autohersteller ACEA zeigen. Es handele sich hier um den „stärksten monatlichen Rückgang der Fahrzeugnachfrage seit Beginn der Aufzeichnungen“. Darüber hinaus brach der Absatz in Spanien und Italien sogar um etwa 97 Prozent ein, in Frankreich um rund 88 Prozent. In Deutschland waren es rund 61 Prozent, um die der Absatz zurückging.

Und in China selbst sanken die Autoverkäufe im Februar um 79 Prozent und im März um 43 Prozent, wie „Reuters“ berichtete. Für die USA schätzt das US-Autoforschungsunternehmen Edmunds und Cox Automotive eine Verkaufs-Rückgang von 53 Prozent.

Auch die Aussichten für die Zukunft sind düster. Weltweit rechnet Dudenhöffer mit einem Verkaufs-Einbruch von 18 Prozent im Jahr 2020, sagte der Automobilexperte gegenüber dem „Deutschlandfunk“. Für China erwartet der chinesische Verband der Automobilhersteller (CAAM) darüber hinaus je nach Eindämmung der Pandemie einen Einbruch zwischen 15 und 25 Prozent bei den Verkäufen, wie „Reuters“ berichtete.

Deutschland müsste Autos verkaufen – nur wohin?

Um der Krise entgegen zu wirken, müsste Deutschland Autos verkaufen, so Dudenhöffer. Nur, wohin? Der deutsche Markt und der US-Markt seien bereits gesättigt. An Wachstum sei hier nicht mehr zu denken. Auf 1.000 Einwohner kämen in Deutschland bereits 570 Autos, in Amerika sogar 850. Was bliebe dann als Alternativ? Der Export, doch wohin? Bereits jetzt exportiert Deutschland gut zwei Drittel der Autos.

„Die Italiener, Spanier, Franzosen und Amerika haben derzeit andere Sorgen und denken nicht über größere Investitionen nach“, so Dudenhöffer. Potenzial gäbe es nur auf dem chinesischen Markt, dort kämen auf 1.000 Einwohner nur 100 Autos. Der Markt sei aber noch nicht stabil, so Dudenhöffer weiter. Momentan bricht in China sogar die zweite Corona-Welle aus.

China ist im Übrigen bereits jetzt einer der wichtigsten Absatzmärkte für die deutsche Autobranche, denn Deutschland exportiert rund 8 Prozent Autos nach China. Damit ist China nach Großbritannien und den USA der drittwichtigste Handelspartner von Deutschland.

Seit Mitte März steht die Autoindustrie in Deutschland nahezu still. Zuvor stand die Industrie in China still. Das schlägt sich natürlich in den Zahlen für das erste Quartal nieder. Jeder große Autohersteller hat im ersten Quartal einen nahezu beispiellosen Einbruch beim Betriebsergebnis („EBIT“, Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) erlitten. Hier nur einige Beispiele zum Betriebsergebnis:

  • Daimler: Minus 68 Prozent (von 2.798 Millionen Euro auf 617 Millionen Euro)
  • Volkswagen: Minus 89 Prozent (von 3.900 Millionen Euro auf 900 Millionen Euro)
  • Audi: Minus 99 Prozent (von 1.100 Millionen Euro auf 15 Millionen Euro)
  • BMW: Minus 57 Prozent (von 1.375 Millionen Euro auf 589 Millionen Euro).

Das lässt ahnen, wie bitter die Zahlen für April aussehen.

Kündigungen: „Wie es am Jahresende aussieht, das weiß heute noch keiner“

„In Deutschland gehen wir von 100.000 Beschäftigten bei Autobauern und Zulieferern aus, die ihren Job verlieren könnten – es könnten aber auch noch mehr werden“, sagte Dudenhöffer gegenüber „Focus“Bereits jetzt könnten bei 132 Zulieferern bis zu 12.500 Arbeitsplätze auf der Kippe stehen, falls die Nachfrage anhält, ergab eine Mitgliederumfrage des Branchenverbands VDA. Aktuell würde jede zehnte Stelle gestrichen. Und Unternehmen erwägen bereits, bis zu 40 Prozent der Stellen abzubauen.

Autozulieferer wie ZF haben bereits mitgeteilt, dass sie Beschäftigungsabbau nicht ausschließen können. Auch BMW schließt betriebsbedingte Kündigungen nicht mehr aus, wie „Elektronik Automotive“ berichtete. „Wie es am Jahresende aussieht, das weiß heute noch keiner“, soll BMW-Betriebsratschef Manfred Schoch zu den Mitarbeitern in einem Podcast gesagt haben. BMW rechnet mit „drastisch“ sinkendem Absatz im laufenden Quartal.

Volkswagen musste wegen des Verkaufseinbruchs in der Corona-Krise die Arbeit nach dem jüngsten Wiederanlauf teilweise schon wieder herunterfahren und auch weitere Kurzarbeit beantragen.

Deutschlands Abhängigkeit von der Automobilindustrie

Die Automobilindustrie ist zweifelsohne einer der wichtigsten Industriezweige in Deutschland und ein wichtiger Teil der nationalen Wirtschaft. „Mit der Automobilindustrie steht und fällt die Zukunft unseres Wirtschaftsstandortes“, sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gegenüber der „Welt am Sonntag“ im Jahr 2019.

In vielen deutschen Städten wie Zwickau, Eisenach, Wolfsburg ist der Lebensstandard eng mit der Automobilindustrie verbunden. Wenn eine Autofabrik schließt, kann dies große Auswirkungen auf die Wirtschaft eines Ortes haben, wie zum Beispiel die Schließung des Opel-Werk in 2014, das einst bis zu 22.000 Mitarbeiter beschäftigte.

„An keiner anderen Branche der Privatwirtschaft hängen so viele Jobs in Deutschland wie an der Automobilindustrie“, hieß es in der „Zeit“. Zum Jahresende 2019 beschäftigte die reine Autobranche rund 833.000 Menschen, wie der Branchenverband VDA berechnete. Die Zahlen basieren auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes.

Doch das ist noch nicht alles. Die Autoindustrie benötigt auch Vorleistungen wie Gummi, Kunststoffe und Metalle und auch Dienstleistungen (Handel, Verkehr, Lager, Werbung und Studien). Alles in allem könnten rund 1,8 Millionen Arbeitsplätze eng mit der Autoindustrie – oder vier Prozent aller Erwerbstätigen – verbunden sein, wie das Statistische Bundesamt (Stand 2019) ermittelte.

Auf nochmal rund das Vierfache kommt Arndt Kirchhoff, geschäftsführender Gesellschafter der Kirchhoff-Gruppe und Vizepräsident des VDA. „Die Autoindustrie ist einfach der allergrößte Hebel. Davon hängen mehr als sechs Millionen Arbeitsplätze ab“, so der Unternehmer im Interview mit dem „Handelsblatt“.

Keine Branche kann beim Jahresumsatz mithalten

Gemessen am Bruttosozialprodukt ist der Anteil der Autoindustrie auch hoch. Etwa 5 Prozent betrage der Anteil, wie Papiere des ifo-Instituts und Zahlen des Statistischen Bundesamtes für 2016 widerspiegeln. Das bedeute, dass rund fünf Euro pro 100 Euro der deutschen Produktion aus der Automobilindustrie kommen.

Zum Vergleich: Im Baugewerbe betrug die Wertschöpfung 5,3 Prozent (2019), im Tourismus 4,4 Prozent (2019), in der Pharma-Branche 0,88 Prozent (2018) und im Maschinenbau 3,5 Prozent (2017)

Auch beim Jahresumsatz könne keine andere Branche mithalten, schreibt „Business Insider“. In 2019 betrug der Umsatz im In- und Ausland rund 440 Milliarden Euro. Hier eine Analyse vom „Business Insider“:

Quelle: https://www.businessinsider.de/wirtschaft/mobility/so-wichtig-ist-die-autoindustrie-wirklich-fuer-die-deutsche-wirtschaft/

Vier Bundesländer stellen mehr als 75 Prozent der Arbeitsplätze der Autoindustrie

„Für vier Bundesländer ist der Sektor von besonders herausgehobener Bedeutung“, heißt es in einer Studie der Siftung Arbeit und Umwelt der Industriegesellschaft Bergbau, Chemie, Energie. In den Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Saarland konzentriert sich die Automobilindustrie – und damit auch die Verbindung nach China.

Und weiter: „Diese Bundesländer stellen mehr als 75 Prozent der Arbeitsplätze“, heißt es in der Studie. Hier die Beschäftigungszahlen in den Bundesländern:

In diesen Ländern ist die Kurzarbeit auch am höchsten, wie aus einer Auswertung der Bundesagentur für Arbeit hervorgeht. Insgesamt seien je 5 Prozent aller Arbeitsplätze in Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen von der Autoindustrie abhängig. Im Saarland betrage der Anteil sogar rund 7 Prozent.

All diese vier Bundesländer gehören nach Zahlen des Robert Koch-Instituts zu den am meisten von der Corona-Pandemie betroffenen Bundesländern (mit Hamburg dazwischen auf Platz vier). Zahlenmäßig zeigt sich zumindest der Trend, dass es um so leichter scheint, sich den Virus einzufangen, je enger die wirtschaftliche Verbindung mit der Kommunistischen Partei Chinas ist – sowohl innerhalb Deutschlands, als auch weltweit.

Die Ursachen für die Abhängigkeit von China reichen weit in die 1980er Jahre zurück, als die deutsche Automobilindustrie mit Volkswagen unter Bundeskanzler Helmut Kohl den chinesischen Markt mit Auftragsdiplomatie betrat.

Fortsetzung folgt. 



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