„Mein“ Hongkong – damals und heute

Titelbild
Typische Marktstimmung: Verkäufer jeglicher Art gibt es immer noch auf den Strassen. (Foto: Catherine Li)
Von 25. Dezember 2006

Verändertes Stadtbild: Hochragende Glasfassaden und die stählerne Skyline, ein nie endendes Symbol für Hongkongs Reichtum und Fortschritt. (Verändertes Stadtbild: Hochragende Glasfassaden und die stählerne Skyline, ein nie endendes Symbol für Hongkongs Reichtum und Fortschritt. (Foto: Catherine Li)

Ein Zwerg inmitten eines dichten Betonwaldes

Für ein sechsjähriges Mädchen, das als Flüchtling von der kleinen Stadt Deqing in einer Nachtreise auf dem Dampfschiff nach Guangzhou (Kanton) fuhr, war die britische Kronkolonie Hongkong ein Ehrfurcht gebietendes magisches Land. Wie ein verängstigter Zwerg inmitten eines dichten Waldes großer Betongebäude hielt ich mich fest an der Hand meiner Mutter. So konnte ich vermeiden von den großen Menschen, die durch die Straßen eilten, angestoßen zu werden.

Damals bangten die Leute um die Wasserversorgung

In diesen Tagen hatten die Leute wirklich Angst. Das Rote China wollte die Wasserversorgung vom Festland nach Hongkong unterbrechen. Die Einwohner benutzten sogar Blechdosen, um Regenwasser für ihren täglichen Wasserbedarf zu sammeln. China verzichtete jedoch darauf die Drohung umzusetzen, denn Hongkong ist Chinas Fenster zu einer größeren Welt und insbesondere die Quelle des Devisenhandels.

Entbehrung für die Freiheit

Die Briten und die Flüchtlinge von Kowloon, die in engen Wohnverhältnissen lebten, betrachteten diese Situation als eine kleine Entbehrung im Tausch für die Freiheit. Die scharfen Gerüche der Stadt und die aussichtsreichen Möglichkeiten ermutigten die Einwohner die Industrialisierung voranzutreiben.

Kindheitserinnerungen werden wach

Wenn ich an heißen schwülen Tagen von der Schule nach Hause lief, blieben meine Schuhe meistens wie angewurzelt auf dem Pflaster vor der Eisdiele kleben, bis meine Mutter mit meinem älteren Bruder und mir zusammen hineinging. Dabei waren meine Gedanken bei jener kühlenden Süßigkeit, die langsam in meinem Mund dahin schmilzt.

Nachdem wir wieder draußen waren, erblickte ich den Stand von einem Hausierer. Dieser Mann knetete einen hell gefärbten Ball aus klebrigem Reis, um die richtige Konsistenz eines Teiges herzustellen. Mit einer Töpferscheibe hauchte er der sagenumwobenen Figur des Affenkönigs Leben ein. Alle Kinder drängten sich nach vorne um die Ersten zu sein, für ein paar Cent eine Figur zu erhalten.

Typische Marktstimmung: Verkäufer jeglicher Art gibt es immer noch auf den Strassen. (Typische Marktstimmung: Verkäufer jeglicher Art gibt es immer noch auf den Strassen. (Foto: Catherine Li)

Überfluss auf dem Markt

Am Wochenende nahm mich meine Mutter mit auf den Markt zu den Ständen, die mit Baldachinen überdeckt waren, um Lychees zu kaufen. Wenn ich in das süße weiße Fruchtfleisch biss, achtete ich darauf, dass der Saft nicht meine Hand bekleckerte. Am Gemüsestand schenkte uns die Frau des Landwirts meistens einen Bund Petersilie als Dank, dass wir bei ihr eingekauft hatten.

Nachher gingen wir zum Fischmarkt, wo meine Mutter einen noch lebenden Fisch für das Abendessen auswählte. Ich wusste, dass es eine feine Mahlzeit geben würde.

Entzückt vom Vogelmarkt

Als die wichtigsten Esswaren eingekauft waren, liefen wir eilig zum Blumenmarkt, um einen bunten Blumenstrauß zu kaufen. Aber meine Beine fühlten sich vom langen Laufen so gummiartig an, dass ich mich darüber beklagte, keinen weiteren Schritt mehr gehen zu können. Sobald mir meine Mutter dann versprach, nachher einen kleinen Hügel hoch zu gehen, wo zahlreiche Vögel in Bambuskäfigen auf dem Vogelmarkt feilgehalten wurden, war meine Müdigkeit plötzlich verschwunden. Entzückt von dieser Belohnung folgte ich tapfer meiner Mutter. Als ich dann auf dem Vogelmarkt hörte, dass ein Papagei „Ni hao“ (zu deutsch in etwa „Guten Tag“) auf Kantonesisch sagte, verwandelte sich mein Gesicht sofort zu einem Lächeln. Ich war begeistert von meinem neuen gefiederten Freund. Nur widerwillig folgte ich meiner Mutter nach Hause. All dies hatte ich vor über einem halbem Jahrhundert erlebt.

Die Leute sind geschäftiger

Kürzlich suchte ich meine Kindheitsorte wieder auf. Grelle Leuchtreklamen schmücken heute die verkehrsreichen Straßen von Kowloon. Die Läden sind geschäftiger als zur Zeit meiner Kindheit. Berge von Kleidungsstücken, Schuhe und Taschen versperren die Durchgänge der Woman Street. Da die Preise fix sind, wird nicht mehr gefeilscht. Als ich mit der U-Bahn zur Victoria Insel fuhr, begrüßte mich ein noch größerer Wald aus Beton, Stahl und Glas.

Obwohl meine Hongkong-Freunde, die vom Rückgang des Wirtschaftswachstums, den Auswirkungen von SARS und der hohen Arbeitslosenrate sprachen, ist der Hafen trotzdem mit schwer beladenen Containerschiffen besetzt. Die massive und noch anmutige Kabelbrücke, die den Flughafen mit dem Industrie- und Handelszentrum verbindet, ist spektakulär.

Fundamentale Rechte – ein Privileg

Trotz allem ist da ein nagender Zweifel in meinem Herzen. Welchen Preis bezahlen die Leute von Hongkong für all das, was ich vor mir sehe? Zufällig begegnete ich auf der Victoria Insel einer friedlichen Kundgebung, die von der Polizei eskortiert wurde. Dies erinnerte mich an das Hongkong von früher. Es berührte mein Herz, diesen Protest zu sehen. Denn dies bedeutet, dass die Menschen noch für ihren Glauben einstehen. Es existiert eine Gesellschaftsordnung. Die Polizei hat sich nicht in dieses Privileg des fundamentalen Rechtes eingemischt.

Ja, Hongkong hat sich verändert. Es ist moderner, erfolgreicher, größer und schöner geworden als ich es in Erinnerung habe. Es ist noch immer die Perle des Orients, die ich liebe wie eh und je.



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