Das Ende von Bretton Woods: Ein mephistophelischer Handel

Präsident Nixon veränderte die Geldwelt: Gutes Goldgeld wurde in schlechtes Papiergeld getauscht. Seither kann sich der Staat alles kaufen und seine Macht ausweiten. Das Geld vom Gold zu lösen, und es auch noch dem Staat und seiner Zentralbank anzuvertrauen, wird sich wohl noch als eine der größten Torheiten der menschlichen Geschichte erweisen, schreibt Thorsten Polleit, Chefvolkswirt der Degussa.
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Vor 50 Jahren, am 15. August 1971, hob die US-Administration unter Präsident Richard Nixon (1913-1994) die Goldeinlösbarkeit des US-Dollars auf.Foto: iStock
Von 15. August 2021

Vor fast 50 Jahren, am 15. August 1971, hob die US-Administration unter Präsident Richard Nixon (1913-1994) die Goldeinlösbarkeit des US-Dollars auf. Eine unilaterale Entscheidung der Amerikaner mit überaus weitreichenden Folgen. Durch sie wurden alle wichtigen Währungen der Welt zu ungedecktem Geld, also einem Geld, das keine Edelmetallbindung mehr hat. Damit war das Ende des Systems von Bretton Woods besiegelt, das 1944 beschlossen wurde. Um die weltweite Geldordnung für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg festzulegen, trafen sich damals 730 Delegierte aus 44 Nationen im gleichnamigen US-Bundesstaat in New Hampshire.

Man kam überein, dem US-Dollar den Status der Weltreservewährung zu geben. 35 US-Dollar entsprachen einer Feinunze Gold (also 31,10347… Gramm). Alle übrigen Währungen (wie französischer Franc, britisches Pfund, Schweizer Franken etc.) waren mit einem festen Wechselkurs an den Greenback (US-Dollar) gebunden und in ihn eintauschbar. Auf diese Weise waren auch sie – zumindest indirekt – an das Gold angebunden.

Allerdings sollte man nicht meinen, das System von Bretton Woods sei so etwas wie eine Neuauflage des Goldstandards gewesen. Weit gefehlt. Es war bestenfalls so etwas wie ein „Pseudo-Goldstandard“.

Denn obwohl der US-Dollar in physischem Goldfeingewicht definiert war, lief in den großen Volkswirtschaften der Welt im Tagesgeschäft längst kein Gold mehr um. In den USA beispielsweise hatte im Jahr 1933 US-Präsident Franklin D. Roosevelt (1882–1945) den Goldbesitz für US-Bürger sogar unter Strafe verboten. Banken und Konsumenten mussten ihr Gold dem US-Schatzamt aushändigen. Im Gegenzug bekamen sie dafür US-Dollar-Banknoten und Guthaben bei der US-Zentralbank. Nur im internationalen Zahlungsverkehr, bei Transaktionen zwischen Zentralbanken, war der US-Dollar noch in Gold einlösbar.

Doch kurz vor Kriegsende war man der Auffassung: Ganz ohne Gold kann es kein verlässliches Weltwährungssystem geben. Die damals in Bretton Woods miteinander konkurrierenden Vorschläge zur Gestaltung des Weltgeldsystems – der sogenannte „Keynes-Plan“ wie auch der „White-Plan“ – wiesen entsprechend beide dem Gold eine wichtige Ankerfunktion zu. Das gelbe Metall wurde als so etwas wie perfektes Geld angesehen; zumindest konnte niemand sagen, wie man es durch etwas Besseres hätte ersetzen können.

Heraus kam in Bretton Woods jedoch letztlich nur ein „Dollar-Devisen-Standard“. Die Welt verließ sich damit auf das Versprechen der Vereinigten Staaten von Amerika, dass sie auf Verlangen den US-Dollar vollumfänglich gegen physisches Gold eintauschen werden. Keine gute Entscheidung, wie sich zeigen sollte. Doch zunächst funktionierte das System von Bretton Woods – trotz seiner Schwachstellen – recht gut. Die Volkswirtschaften erholten sich, Welthandel und Weltkapitalverkehr expandierten.

Bereits in den 1950er-Jahren begannen die Amerikaner allerdings, sich in einer kriegerischen Außenpolitik zu verzetteln. Die Kosten für den Korea- und Vietnamkrieg finanzierten sie vor allem durch Ausgabe neuer US-Dollars. Wie nicht anders zu erwarten, begann daraufhin die Güterpreisinflation in die Höhe zu klettern. Die Kaufkraft des US-Dollars schwand zusehends und damit auch das Vertrauen in die Weltreservewährung. Immer mehr Nationen begannen daraufhin, ihre US-Dollars in Gold einzutauschen.

Die Goldreserve der Amerikaner – sie belief sich anfänglich auf etwa Zweidrittel des weltweiten Währungsgoldes – schmolz dahin wie Schnee in der Sonne. Amerika drohte die Zahlungsunfähigkeit. Deshalb zog Präsident Nixon im Sommer 1971 die Notbremse. Er beschloss, den US-Dollar nicht mehr – wie es vertraglich vereinbart war – in Gold einzulösen. Das kam dem wohl größten monetären Enteignungsakt der Neuzeit gleich. Das Geld auf der Welt wurde dadurch mit einem Schlag grundlegend verändert.

Alle Währungen wurden zum nicht einlösbaren Papiergeld beziehungsweise „Fiat-Geld“, ein Geld, das sich per Kreditvergabe der Zentralbanken und Geschäftsbanken ungehindert vermehren lässt. Mit dem Fiat-Geld kam die chronische Inflation: Das Phänomen also, dass die Preise der Güter und Dienstleistungen im Zeitablauf immer weiter ansteigen.

Die Ausgabe von Fiat-Geld durch Bankkreditvergabe verursacht zudem wiederkehrende Spekulationswellen, Blasenentwicklungen und Finanz- und Wirtschaftskrisen. Im Bestreben, die Fiat-Geldmengen immer weiter auszudehnen, senken die Zentralbanken die Marktzinsen künstlich herab und halten so einen Scheinaufschwung („Boom“) in Gang, der aber früher oder später in einer Rezession („Bust“) enden muss. Da dabei die Verschuldung stärker anschwillt, als die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zunimmt, wird die volkswirtschaftliche Schuldenpyramide immer größer und erdrückender.

Vor allem der Staat wird dank des Fiat-Geldes immer größer und mächtiger. Seine Zentralbank stellt ihm schließlich jede gewünschte Geldmenge auf dem Kreditwege zur Verfügung. Der Finanzierung staatlicher Ausgabewünsche sind daher keine Grenzen gesetzt, der Staat kann sich sprichwörtlich alles kaufen und seine Macht ausweiten. Seine Expansion geht unweigerlich auf Kosten der Freiheiten von Bürgern und Unternehmern.

Die Abkehr vom Goldgeld vor etwa 50 Jahren hat also sehr weitreichende Folgen für die westlichen Volkswirtschaften gehabt, und große Probleme haben sich dabei aufgebaut. Spätestens seit der politisch diktierten Lockdown-Krise 2020/2021 hat die globale Verschuldung bedenkliche Rekordwerte erreicht. So schätzt das International Institute of Finance (IIF), dass Ende des ersten Quartals 2021 die globale Verschuldung bei 289 Billionen US-Dollar lag, das waren 360 Prozent der Weltwirtschaftsleistung. Nüchtern betrachtet handelt es sich um einen Schuldenberg, den wohl niemand mehr zurückzahlen kann und auch nicht will.

Die großen Zentralbanken der Welt haben daher die Marktzinsen auf oder sogar unter die Nulllinie gesenkt, und sie finanzieren defizitäre Staaten und Banken mit der Ausgabe von immer mehr neuem „aus dem Nichts“ geschaffenen Geld. Sprich: Man greift ungeniert zur Inflationspolitik, um das System über Wasser zu halten. Doch das wird zu einer immer stärker um sich greifenden Geldentwertung führen, die sich für das Fiat-Geldsystem sogar im Extremfall als selbstzerstörend erweisen könnte.

Wenn das Fiat-Geldsystem vor dem Kollaps bewahrt werden soll, werden die Volkswirtschaften auch noch das Wenige, was vom freien Wirtschafts- und Gesellschaftssystem noch übrig ist, über Bord werfen müssen; werden nicht umhinkommen, mit immer mehr Ge- und Verboten, Regularien, Gesetzen und Steuern die Korrektivkräfte der Märkte, die auf die Bereinigung der aufgelaufenen Fehlentwicklungen drängen, lahmzulegen und auszuschalten. Das Abgleiten in die Befehls- und Lenkungswirtschaft, in die Unfreiheit, ist die Folge.

Man kann es auch so formulieren: Das Fiat-Geld ist dauerhaft nicht vereinbar mit einer freiheitlichen Wirtschaft und Gesellschaft. So gesehen ist die Abkehr vom Goldgeld, die ihren dramatischen Endpunkt im Sommer 1971 fand, mehr als nur ein geschichtlich isoliertes Ereignis. Es war vielmehr ein mephistophelischer Handel: Gutes Goldgeld wurde gegen schlechtes Papiergeld getauscht. Das Geld vom Gold zu lösen, und es auch noch dem Staat und seiner Zentralbank anzuvertrauen, wird sich wohl noch als eine der größten Torheiten der menschlichen Geschichte erweisen.

Thorsten Polleit, Jahrgang 1967, ist seit April 2012 Chefvolkswirt der Degussa. Er ist Honorarprofessor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth, Adjunct Scholar am Ludwig von Mises Institute, Auburn, US Alabama, Mitglied im Forschungsnetzwerk „Research On money In The Economy“ (ROME) und Präsident des Ludwig von Mises Institut Deutschland. Thorsten Polleit ist als Investor aktiv und berät institutionelle Investoren. www.thorsten-polleit.com

Dieser Artikel erschien zuerst in der gedruckten Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe 5 vom 14. 08.2021. 



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