Energie: Preisschock für mittelständische Unternehmen

Vielerorts steht durch die Energiekosten die Produktion auf dem Spiel. Mittelständische Unternehmen fordern dringend einen Energiegipfel.
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Stromzähler. Symbolbild.Foto: iStock
Von 14. Januar 2022
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Binnen eines Jahres erhöhten sich die Kosten für Strom um ein Vielfaches. Das trifft nicht nur Haushalte, sondern auch Unternehmen. Der Bundesverband der mittelständischen Wirtschaft fordert daher die dringende Einberufung eines Energiegipfels.

„Die in weiten Teilen politisch verursachte Kostenexplosion bedroht Wachstum, Beschäftigung und den über Jahrzehnte erarbeiteten Wohlstand“, erklärt Markus Jerger, Geschäftsführer des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft. Die steigenden Energiekosten belasten die Produktionskosten massiv und machen sie teilweise nicht mehr rentabel.

Bundesregierung und Wirtschaft sollten nach tragfähigen Lösungen suchen: „Der Mittelstand erwartet von einem solchen Energiegipfel wirksame Maßnahmen zur Kostendämpfung und damit zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen.“

Die Einfuhrpreise für Erdgas haben sich laut dem Verbraucherportal Verivox 2021 verdreifacht, an den Spotmärkten im kurzfristigen Handel liegen sie aktuell für eine Megawattstunde bei rund 150 Euro und mehr. Im langjährigen Mittel lag der Preis zwischen 10 und 25 Euro je MWh. Heizöl verteuerte sich um rund 40 Prozent und wird durch den steigenden CO2-Preis noch weiter steigen. Ähnlich bei den Stromkosten, an den Spotmärkten liegt der Preis für eine MWh derzeit bei rund 325 Euro – im langjährigen Mittel waren es zwischen 35 und 55 Euro.

Unternehmen stellen Produktion ein

Einige Unternehmen zogen bereits die Reißleine, legten aufgrund der hohen Energiekosten in Deutschland Produktionslinien still oder drosselten die Herstellung. Beispielsweise wurde in der Glashütte Freital eine Produktionslinie auf unbestimmte Zeit abgeschaltet und die zweite auf ein Viertel der Kapazität heruntergefahren.

„Auf der Basis der aktuellen Energiekosten macht die Produktion keinen Sinn. Die Energiekosten sind höher als der Umsatz“, zitiert das „Handelsblatt“ den Geschäftsführer der Glashütte, Stefan Jugel. „Wir haben uns entschlossen, an unserem Produktionsstandort in Freital eine Produktionslinie komplett abzustellen.“ Das Unternehmen stellt Glasflaschen und andere Gläser her.

Christoph René Holler, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Keramischen Industrie, erklärt, dass einige Unternehmen Schwierigkeiten haben, für die Monate Januar oder Februar Gaslieferverträge zu bekommen, die eine kostendeckende Produktion ermöglichen würden. „Das könnte in Einzelfällen die Produktion gefährden.“

Ein in der Allgemeinheit eher unbekanntes Problem der Keramikbranche ist, dass weißes Porzellan nach aktuellem Stand der Technik nur durch den Brand mit Erdgas entstehen kann. In einem strombasierten Ofen kann die physikochemische Reaktion nicht entwickelt werden. Die Branche ist auf Erdgas angewiesen.

Landwirtschaft: Düngemittel? 

Ein ähnliches Bild zeigt sich in der Agrochemie und der AdBlue-Produktion. Auch hier zählt Erdgas als Rohstoff und Ausgangsbasis für andere Produkte.

„Aufgrund der unverändert hohen Gaspreise sieht sich die Geschäftsführung der SKW Piesteritz gezwungen, zeitweise eine Ammoniakanlage herunterzufahren“, erklärt das Stickstoffwerk bei Lutherstadt Wittenberg. Bereits im November wurden die Ammoniak- und die Adblue-Produktion gedrosselt. Es ist keine ökonomisch sinnvolle Produktion von Düngemitteln mehr möglich. 

Andere Unternehmen der Agrochemie haben ebenfalls ihre Ammoniakproduktion auf Eis gelegt (darunter BASF und der norwegische Düngemittelhersteller Yara). Europaweit stellten infolge des unrentablen Gaspreises mehrere chemische Unternehmen ihre Produktion gänzlich und auf unbestimmte Zeit ein.

„Wir warnen eindringlich vor Ernteausfällen und Versorgungsengpässen“, erklärte der Vorsitzende der Geschäftsführung Petr Cingr. Im Fall von fehlendem Dünger droht ein Anstieg der Lebensmittelpreise, Düngemittel auf Stickstoff- und Phosphorbasis bilden ein Rückgrat der Landwirtschaft.

Von der AdBlue-Produktion sind alle Diesel-Fahrzeuge betroffen, gleichfalls alle europäischen Schiffe und alles, was mit Katalysatoren ausgerüstet ist.

„Das Rückgrat der deutschen Industrie stirbt“

Andere betroffene Unternehmen gibt es neben der chemischen Industrie auch bei Stahl- und Aluminiumhütten, die eine Voraussetzung für die Autoindustrie Deutschlands bilden.

„Der rasante Anstieg der Preise für Industriestrom und Erdgas bedeutet für viele mittelständische Industriebetriebe der Stahl- und Metallverarbeitung, dass sie nicht mehr in Deutschland produzieren können“, erklärte der Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung im Oktober 2021. Der Verband vertritt mehr als 5.000 Betriebe, vor allem Familienunternehmen. Er erklärt: „Das Rückgrat der deutschen Industrie stirbt.“ Die großen Konzerne, unter anderem in der Autoindustrie, sollten die Lage ihrer mittelständigen Zulieferer „anerkennen“. 

Ebenfalls im Oktober 2021 forderte das Bündnis Faire Energiewende, das 10.000 mittelständische Industrieunternehmen mit rund einer Million Beschäftigten in Deutschland vertritt, dass das produzierende Gewerbe „schnellstmöglich um einen überwiegenden Teil der rein nationalen CO₂-Kosten entlastet werden“.

Die Regierung müsse sich dringend mit der Situation an den Energiemärkten befassen und die Finanzierung der Energiewende neu ausrichten. „Kein Unternehmen kann auf Dauer wettbewerbsfähig sein, wenn es Zusatzkosten tragen muss, die die Wettbewerber nicht haben“, erklärte Dr. Uwe Mazura, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der deutschen Textil- und Modeindustrie.

Auch die Produktion vieler Baustoffe benötigt große Energiemengen und verteuerte sich, was zu den bereits gestiegenen Rohstoffpreisen hinzukommt.

Verteuerung durch Energiewende: „Greenflation“

Ruchir Sharma, globaler Chefstratege des Investors „Morgan Stanley“, spricht in seinen „10 großen Trends für die Wirtschaft 2022“ von „Greenflation“. Damit ist eine Verteuerungswelle durch die Energiewende gemeint. Die Nachfrage nach „grünen“ Metallen wie Kupfer und Aluminium würde sich durch die Nachfrage aus dem Energiesektor erhöhen.

Die ökonomischen Effekte könnten die weltweite Klimapolitik entgleisen lassen, zitiert ihn das „Handelsblatt“. Neue umweltpolitische Vorgaben würden die Produktion auf Dauer erschweren, was zudem CO₂-freien Strom deutlich teurer machen würde als bisher gedacht. Gleiches gilt für die Rohstofferzeugung und den Anstieg der Rohstoffpreise.

Fehlen die Rohstoffe – auch weil sie auf Grund von Energiekosten nicht ausreichend produziert werden –,  wird es mit der Energiewende schwierig. „Wir müssen aufpassen, dass unsere schöne Energiewende nicht am Rohstoffmangel scheitert“, meint Karl Lichtblau, Ökonom am Institut der deutschen Wirtschaft. Bei 22 chemischen Elementen sieht er Probleme und entsprechende Knappheit, darunter bei Kupfer (Windräder), Lithium (Batterieproduktion) oder Platin (Wasserstofferzeugung).

99,75 Cent pro kWh

Nach Angaben der Bundesnetzagentur haben im Jahr 2021 rund 40 Energielieferanten aufgegeben. Betroffene Verbraucher und Unternehmer müssen sich nach neuen Lieferanten umsehen. Zunächst werden diese über die Grundversorger versorgt. Oft ist der neue Preis dreifach so hoch, schnell geht es um vierstellige Beträge.

Zwei Beispiele: Im Rahmen der Vertragskündigungen durch den Stromversorger Stromio müssen Neukunden im Raum der Stadtwerke Düren derzeit 99,75 Cent pro Kilowattstunde Energie zahlen. Bestandskunden liegen bei 30,84 Cent pro Kilowattstunde, wie der „Kölner Stadtanzeiger“ berichtete. 

Im Nachbarkreis Euskirchen übernimmt das Unternehmen e-regio die Neukunden, hier beträgt der Strompreis aktuell 82,35 Cent pro Kilowattstunde. Bestandskunden zahlen in der Grundversorgung derzeit 31,95 Cent pro Kilowattstunde. Spätestens nach drei Monaten müssen Kunden einen neuen Liefervertrag abgeschlossen haben.

Andere Stromversorger bieten überhaupt keine Angebote für Neukunden an, darunter sind derzeit Eprimo, Green Planet und EWS Schönau. 

Marktbereinigung und Großhandelsstrompreise

Eine andere Folge des hohen Gaspreises ist, dass weitere Stromversorger verschwinden werden. EON-Chef Leonhard Birnbaum nennt es eine Marktbereinigung, wo es um „unsolide Spekulanten nicht schade“ sei. Birnbaum warnte gleichzeitig vor Energie-Engpässen und politischen Unsicherheiten. Die Häuser würden nicht kalt bleiben, aber es würde „teurer für die Bürger“.

Strom- und Gaskäufe sind von Unternehmen zum Teil jahrelang im Voraus vereinbart. Im Vorfeld verlangen die Rohstoffhändler Sicherungsleistungen. Energiekonzerne wie Uniper müssen zuvor einen gewissen Teil an die Händler überweisen. Steigen die Gaspreise, müssen auch die vorher zu zahlenden Summen erhöht werden. Uniper SE erweiterte aus diesem Grund seine Absicherung um bis zu 11,8 Milliarden Euro, darunter sind bis zu 2 Milliarden Euro aus staatlichen KfW-Mitteln.

Der durchschnittliche Day-Ahead-Großhandelsstrompreis (Handel von Strom für den folgenden Tag) belief sich 2021 auf 96,85 Euro/MWh (im Vorjahr 2020 waren es 30,47 Euro/MWh). Im Jahresverlauf zeigte sich insgesamt eine Entwicklung zu höheren Großhandelsstrompreisen.

Was fordert der Verband der Mittelständischen Unternehmen?

Zurück zu den mittelständischen Unternehmern. Der Bundesverband stellte in einer aktuellen Umfrage bei seinen Unternehmern fest, dass mehr als 90 Prozent damit rechnen, dass die Preise für Energie in Zukunft noch weiter steigen werden. Mehr als die Hälfte der Unternehmer des Verbandes sieht „sich nicht imstande, die explodierenden Energiepreise zu schultern.“

Die Bundesregierung sollte erkennen, dass die Lage am Energiemarkt ihre Klimaziele unterläuft, bilanzierte Jerger. Bisher zeige die Politik dem Mittelstand jedoch die „kalte Schulter“. Ein Vorschlag der Unternehmer ist, als ersten Schritt die Stromsteuer auf das europäische Mindestniveau zu senken.

Hohe Energiepreise haben nicht nur negative Konsequenzen: Finanzminister Christian Lindner (FDP) rechnet aufgrund dieser mit deutlichen Mehreinnahmen. Aus Energie- und Stromsteuern werden voraussichtlich rund 1,4 Milliarden Euro mehr in die Staatskasse fließen als 2021. Den größten Anteil daran zahlen Autofahrer durch die Steuer auf den Verkauf von Kraftstoffen.

Erst am 1. Januar 2023 soll die Finanzierung der EEG-Umlage über den Strompreis beendet werden, was die Stromkosten etwas verringern könnte. Den energieintensiven Unternehmen hilft das nicht – sie sind von dieser Abgabe befreit.



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