Demografie schlägt durch: Wirtschaftsweise empfiehlt Rentenkürzung

Das „Abschmelzen“ höherer Altersbezüge und ein höheres Renteneintrittsalter empfiehlt Ökonomin Monika Schnitzer. Die demografische Lage sei eindeutig.
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Rentenversicherung.Foto: über dts Nachrichtenagentur
Von 10. Januar 2023

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Die Rente ist sicher – nicht zwingend aber ihre Höhe. Die Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Monika Schnitzer, regt nun sogar einen Eingriff in bestehende Ansprüche an. Der demografische Wandel mache entsprechende Schritte erforderlich.

„Besonders hohe Renten“ solle man, so Schnitzer gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“, „künftig abschmelzen“, um das deutsche Rentensystem zu sichern:

Wer üppige Rentenansprüche erarbeitet hat, bekäme dann etwas weniger.“

Rentenkassen jetzt schon aus dem Bundeshaushalt stabilisiert

Es seien aber noch weitergehende Reformen erforderlich. Es zeichne sich eine Erhöhung der Beitragssätze ab – und damit solle die Regierung gar nicht erst unnötig warten. Vielmehr solle sie diese „jetzt schon anheben, um die starke Babyboomer-Generation, die bald in Rente geht, noch an den Kosten zu beteiligen“.

Schnitzer bekräftigte erneut die vom Rat der Wirtschaftsweisen bereits wiederholt vorgebrachte Forderung nach einem schrittweisen Anheben des Renteneintrittsalters auf 70 Jahre. Andernfalls müsse der Bund immer mehr an Haushaltsmitteln aufwenden, um die Löcher in der Rentenkasse zu stopfen. Dieses Geld würde anderswo fehlen. Im Klartext würde das bedeuten:

Kein Geld für Bildung, für Verkehrswege, für erneuerbare Energien. Ich habe große Sorge, dass das hinten runterfällt.“

Kamen auf einen Altersrentner im Jahr 1962 noch sechs Beitragszahler, waren es 1992 nur noch 2,7 und 2019 nur noch 2,1 – Tendenz: weiter fallend.

Demografische Krise verschärft sich noch weiter

Derzeit liegt das Medianalter der deutschen Wohnbevölkerung bei 47,8. Das bedeutet, die Hälfte der Einwohner ist jetzt schon älter. Während derzeit noch 37 Prozent der deutschen Wohnbevölkerung älter als 65 Jahre ist, wird deren Anteil in den kommenden Jahrzehnten auf fast 70 Prozent steigen. In Ostdeutschland sind es jetzt schon 48 Prozent.

Zum Vergleich: Im Jahr 1870 waren weniger als zehn Prozent der Wohnbevölkerung in den Gebieten des späteren Deutschen Reiches älter als 65. Mit dem Problem immer schnellerer Überalterung steht Deutschland nicht allein – diese zeigt sich in ganz Europa.

Einer Prognose der UNO zufolge werden Ende des Jahrhunderts 16 Prozent weniger Menschen in Deutschland leben als im Jahr 2000. Dabei sei die Zuwanderung bereits einberechnet. In Ungarn erwartet sie ein Minus von 30 Prozent, in Italien von 35 und in Polen gar von 40 Prozent. Eine deutlich günstigere Altersverteilung zeichnet sich jedoch auch dann noch nicht ab.

Umlageprinzip bei der Rente bislang politisches Tabu

Das bislang praktizierte Umlageprinzip im Bereich der Altersrente anzutasten, gilt dennoch bis heute als politisches Tabu. Diesem zufolge werden die laufenden Rentenzahlungen direkt durch die Einzahlungen der rentenversicherungspflichtigen Erwerbstätigen finanziert. Je weiter die Überalterung voranschreitet, umso weniger ist dieses System noch finanzierbar.

Mit der sogenannten Aktienrente, die mit Beginn des Jahres im Rechtsbestand ist, hat die Ampelkoalition auf Initiative der FDP eine erste Modifikation gewagt. Die Aktienrente soll den Einstieg in eine zumindest teilweise Kapitaldeckung des Rentensystems darstellen.

Anders als in Ländern wie Schweden oder Norwegen ist eine direkte Investition gesetzlicher Rentenbeiträge in Aktienfonds in Deutschland noch nicht angedacht. Stattdessen nimmt der Bund ab 2023 ein Darlehen in Höhe von zehn Milliarden Euro auf. Auf diese Weise soll aus dem Bundeshaushalt ein Kapitalstock entstehen, dessen Erträge die Rentenkassen stützen sollen.

Erträge aus Fonds für Bundes-Aktienrente dient nur Beitragsstabilisierung

Dem „t-online“-Portal zufolge stellt diese Regelung allerdings nicht mehr als einen ersten Minimalkonsens dar. Zehn Milliarden Euro, so heißt es dort, entsprächen gerade einmal dem Gegenwert der Rentenausgaben des Bundes für zehn Tage.

Es wäre „Finanztip“ zufolge eine Aktienanlage des Bundes in einem Umfang von mehr als 210 Milliarden Euro erforderlich, um eine Beitragssteigerung von nur einem Prozent zu verhindern. Bei dieser Berechnung geht das Portal von jährlichen Durchschnittsrenditen von acht Prozent am Aktienmarkt aus.

Dies ist auch Bundesfinanzminister Christian Lindner bewusst. Er erklärte gegenüber dem „Tagesspiegel“, um die Rentenkassen dauerhaft stabilisieren zu können, bräuchte es „mittel- bis langfristig eine dreistellige Milliardensumme“.

Entsprechend wird die Aktienrente in ihrer jetzigen Form keine höheren Renten ermöglichen, sondern lediglich dazu beitragen, dass die Beiträge nicht ausufern. Die Ampel will die Höhe des Beitragssatzes bis 2026 bei 18,6 Prozent stabilisieren. Im Jahr 2027 soll er auf etwa 19,3 Prozent steigen.

Private Vorsorge für Rente bleibt unverzichtbar

Um den Altersvorsorgefonds in schlechten Zeiten zu stabilisieren, müsste der Bund auch diesen aus Steuermitteln stabilisieren. Andernfalls drohten Schwankungen der Beitragssätze in Abhängigkeit von Kursschwankungen an den Börsen. Allerdings wäre dieser Aufwand deutlich geringer als jetzt, wo der Bund mit mehr als einem Viertel des Bundeshaushalts das Rentensystem stabilisiert.

Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) ist gegenüber den Erfolgsaussichten des Projekts skeptisch. DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel weist auf ein Grundprinzip seriöser Finanzanlage hin:

Jedem Privatanleger rät man davon ab, Aktiendepots über Schulden zu finanzieren.“

Aus den Erträgen des Kapitalstocks müssten zudem erst die Darlehenszinsen zurückbezahlt werden, was auf Kosten der Rendite gehe. Es sei deshalb fraglich, ob es tatsächlich zu einer Entlastung kommen werde.

Finanzexperten raten deshalb auch Betroffenen, sich nicht auf die Tragfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung zu verlassen. Stattdessen solle man als Versicherter versuchen, sich zum frühestmöglichen Zeitpunkt ein zusätzliches privates Standbein zu schaffen. Dies könne etwa in Form eines eigenen Aktiensparplans oder einer betrieblichen Altersvorsorge vonstattengehen. Für Geringverdiener und kinderreiche Familien könne auch ein Riester-Sparplan sinnvoll sein.



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