Landwirtschaft: Ein Strukturbruch ungeahnten Ausmaßes steht bevor

Industrielle Agrarkonzerne statt bäuerliche, regionale Landwirte? Sterben traditionelle landwirtschaftliche Betriebe aus? Die Lage der Bauern ist fragil.
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Sind kleine Höfe und bäuerliche Familienwirtschaft in Deutschland noch erwünscht?Foto: iStock
Von 2. Oktober 2021

Die Landwirtschaft ist im Umbruch. Schweine-, Geflügelzüchter und Schäfer melden Probleme an, kleinere Landwirte können den Aufwand oft nicht mehr stemmen. Viele geben auf. Große Betriebe, industrielle Agrarkonzerne, können mit den Auflagen mithalten – auch dadurch, dass sie im Ausland tätig werden.

Sogar vor einem Kollabieren der landwirtschaftlichen Tierhaltung in Deutschland wird durch den Präsidenten der Geflügelwirtschaft, Friedrich-Otto Ripke, gewarnt.

Es zeichnet sich ein Strukturbruch unbekannten Ausmaßes ab. Wie ist die Lage?

Fast die Hälfte der Schweinehalter will aufgeben

Im Süden Deutschlands wollen fast drei Viertel der Sauenhalter und mehr als die Hälfte der Schweinemäster in den nächsten zehn Jahren ihre Schweinehaltung beenden. Das zeigt eine neue Studie vom 28. September.

Deutschlandweit sind es etwas weniger, die aussteigen wollen: 6 von 10 Sauenhaltern und 4 von 10 Schweinemästern. Diese Zahlen alarmieren, sie stammen aus einer belastbaren Umfrage von Juli und August 2021, die durch die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) durchgeführt wurde. 

Bei etwa jedem sechsten Betrieb ist der Ausstieg schon sehr konkret, schon eingeleitet oder steht innerhalb der nächsten zwei Jahre bevor.

Zu viele Auflagen, zu geringe Planungssicherheit

Bei der Frage nach dem Warum sind sich alle einig: Es ist die Summe an Auflagen, welche die Schweinehalter erdrückt und zum Ausstieg treibt.

Insbesondere die fehlenden Planungssicherheiten und Perspektiven, der fehlende politische Rückhalt und die gesellschaftliche Stimmung macht die Schweinehalter mürbe. Weitere Gründe, die noch vor der miserablen Marktlage und damit ökonomischen Gründen rangieren, sind Vorgaben zur Abferkelung sowie die gesellschaftliche Stimmung.

Die Realität dürfte noch schlimmer sein, die Ausstiegsraten wahrscheinlich noch höher, schreibt die ISN.

„Die Schweinehaltung verlagert sich schon jetzt in andere Länder. Das ist kein Hirngespinst, sondern Fakt. Während wir hierzulande unseren Sauenbestand massiv zurückfahren, wird er beispielsweise in Ländern wie Spanien in annähernd gleicher Zahl aufgestockt“, sagt Heinrich Dierkes, Vorsitzender der Interessengemeinschaft.

Dierkes warnt: „Es brennt lichterloh in der Schweinehaltung, natürlich macht uns Schweinehaltern die aktuell katastrophal schlechte Marktsituation arg zu schaffen. Aber dass so viele von uns aufhören, ist besonders auch eine Folge der fehlenden Perspektive und des fehlenden Rückhalts vonseiten der Politik.“

Andere Landwirte, ähnliches Bild: Geflügelzüchter

Die Lage in der Geflügelwirtschaft ist nicht besser. „Die Erzeugerpreise sind niedrig, die Futterpreise hoch. Da lassen viele Landwirte die Ställe einfach leer stehen, um nicht mit jedem neu eingestallten Tier weiteres Geld zu verlieren.“ Der Präsident der Geflügelwirtschaft, Friedrich-Otto Ripke, ergänzt, dass vor allem der Bereich der Putenhaltung betroffen sei.

2021 grassierte die Vogelgrippe in Deutschland, rund 150 Betriebe mussten ihre Tiere keulen. Es entstanden Schäden von 30 Millionen Euro. Hinzu kam der Einbruch der Gastronomie durch die Lockdown-Maßnahmen. Viele Geflügelhalter sagen sich: „Ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr“, so Ripke.

Eine Geflügelfarm in Deutschland. Foto: iStock

Andere Landwirte, gleiche Probleme: Schäfer

Schäfer und Landwirte machten am 26. September erneut in Berlin auf sich aufmerksam. Es waren weniger Traktoren unterwegs als zum Jahresbeginn, doch es werden vermutlich wieder mehr werden. Grund war für sie die verfehlte Landwirtschaftspolitik der vergangenen Jahre.

„Jetzt sind wir Landwirte in das Fadenkreuz einer Öko-Propaganda geraten“, sagt Wendelin Schmücker, Vorsitzender des Fördervereins der Deutschen Schafhaltung. Mit populistischer Manipulation von Fakten sowie mit professioneller Stimmungsmache in Medien und sozialen Netzwerken würde die öffentliche Meinung beeinflusst, sodass diese Standpunkte gegen sie eingenommen hätten.

„Es darf aber nicht vergessen werden: Geld regiert die Welt; aber Geld kann man nicht essen“, so Schmücken weiter.

Auch die Schäfer sind an die Rahmenbedingungen und Auflagen der Politik gebunden. Einige davon würden es ihnen unmöglich machen, so zu wirtschaften, dass sie überleben. 

Obwohl die scheidende Landwirtschaftsministerin erklärt habe, dass die Landwirtschaft systemrelevant sei, seien nur Gesetze auf den Weg gebracht worden, die Landwirte weiter einschränken.

Vermögensteuer bricht Landwirten das Genick

Würde eine Vermögenssteuer von 1 Prozent, wie von einigen Parteien vor der Wahl gefordert, umgesetzt, dann würde sie das Einkommen von Landwirten bis zu 54 Prozent reduzieren.

Ackerflächen und Wald sind für Familienbetriebe Existenzgrundlage und gleichzeitig Teil des Betriebsvermögens. Rund 75 Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe und 40 Prozent aller privaten Waldflächen in Deutschland wären betroffen. Das ergab eine repräsentative Studie der Georg-August-Universität Göttingen und der BB Göttingen GmbH.

Bei den Landwirten würde ein Prozent Vermögenssteuer das Nettoeinkommen um mindestens 29 bis hin zu 54 Prozent senken. Bei forstwirtschaftlichen Betrieben sinkt das Einkommen um 14 bis 29 Prozent.

Max von Elverfeldt, Vorsitzender der Familienbetriebe Land und Forst, erklärt: „Die Vermögensteuer trifft die Land- und Forstwirte ungeheuer hart, denn sie wird radikal zu einer sukzessiven Destabilisierung und Verkleinerung der Betriebe führen. Überspitzt gesagt, haben wir es bei der Vermögensteuer in unserer Branche mit einer schleichenden Enteignung zu tun.“

Green Deal lässt Betriebe sterben oder abwandern

Die Produktion bricht in allen wichtigen landwirtschaftlichen Produktionszweigen ein, die landwirtschaftlichen Einkommen sinken deutlich, die Ausfuhren gehen zurück. Die Erzeugerpreise steigen und ein Großteil der schrumpfenden europäischen Produktion wird ins Ausland verlagert.

Genau vor diesen Folgen warnte der wissenschaftliche Dienst der EU-Kommission (JRC) in seinem sogenannten technischen Bericht zu den Auswirkungen des Green Deal auf die Landwirtschaft und den Agrarhandel. Der Green Deal soll die Emissionen der Landwirtschaft verringern. Ziel ist auch, bis 2030 rund ein Viertel aller landwirtschaftlichen Flächen biologisch zu bewirtschaften.

Gleichzeitig stellt der Verband der europäischen Landwirte und Genossenschaften Copa Cogeca fest, dass der Bericht nicht deutlich auf die zu erwartenden Probleme hinweist. Ganz im Gegenteil: „Selten hat ein Bericht so sorgfältig darauf verzichtet, zu sagen, was er zu sagen hat.“

Da durch die EU Maßnahmen zur Emissionsreduzierung eingeführt wurden, droht eine Abwanderung vieler Unternehmen – oder die Stilllegung. Bei Getreide rechnet die JRC mit einem Rückgang der Produktion um etwa 15 Prozent. Die Tierbestände würden deutlich reduziert. Das Fleischangebot würde um 14 bis 16 Prozent sinken, das Rohmilchangebot um etwa 10 Prozent.

Was schlagen die Landwirte vor?

Offen bleibt die Frage: Ist bäuerliche, regionale und kleinräumige Landwirtschaft in Deutschland von der Politik gewollt? Die politischen Weichen stehen auf Zentralisierung, auf industrielle Erzeugung und den Einsatz von Hightech, auf Import. Auch im Ausland sollen die Tierbestände halbiert werden, beispielsweise in den Niederlanden. Woher kommen künftig die Nahrungsmittel?

Die Interessenorganisation der bäuerlichen Familienbetriebe ist bereit für Veränderungen, fordert jedoch anderes als die EU-Kommission. Die Freien Bauern wollen Bauernhöfe statt Agrarkonzerne, Eigenverantwortung statt Bürokraten-Willkür, regionale Erzeugung statt Billigimporte aus Übersee, Marktwirtschaft statt Preisdiktat durch Monopole und Kulturlandschaft statt noch mehr Wildnis.

Dass die heimische Landwirtschaft inklusive der aus eigener Fläche ernährten Tierhaltung fast vollständig klimaneutral arbeitet, bestätigte eine andere Studie, die vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft herausgegeben wurde.

Erstellt wurde das Papier mit dem Titel „Landwirtschaft und Klimawandel: Stimmt die Rechnung?“ von Prof. em. Dr. Friedrich Kuhlmann, Institut für Betriebslehre der Agrar- und Ernährungswirtschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen.

Die künftige Regierung sollte den ländlichen Raum als Motor für Unternehmertum und Nachhaltigkeit begreifen und Klima- und Artenschutz mit und nicht gegen die Familienbetriebe vorantreiben, fordert Max von Elverfeldt (Familienbetriebe Land und Forst). „Wir stehen für eine solche Zusammenarbeit bereit.“

Langfristig bedeutet die Industrialisierung der Landwirtschaft eine Abkehr vom jahrhundertealten Modell des bäuerlichen Familienbetriebes mit selbstständigen Bauern, kleinen Betrieben und mithelfenden Familienangehörigen. So formulierten es die Analysten Claus Niegsch und Michael Stappel Anfang 2020. Große, kapitalintensive Agrarindustrie mit modernster Technik sowie spezialisierte Betriebe würden die künftige deutsche Landwirtschaft prägen.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung.



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