Neuer Rekord bei den Strompreisen – das Leben wird teurer

Wie viel müssen Sie für Strom und Nahrungsmittel ausgeben? Immer mehr.
Von 17. September 2021

In der diesjährigen Sommerbefragung der R+V Versicherung geben die 2.400 Studienteilnehmer die persönliche finanzielle Lage als wichtiges Problem an.

53 Prozent der Menschen fürchten Steuererhöhungen und Leistungskürzungen durch Corona, die Hälfte der Befragten steigende Lebenshaltungskosten und ebenso viele die Kosten für die Steuerzahler durch die EU-Schuldenkrise. Auf Platz vier findet sich eine mögliche Überforderung des Staates durch Flüchtlinge mit 45 Prozent.

Die Sorge um die Wirtschaft liegt für 40 Prozent der Befragten erst auf Platz zehn des Rankings. Im Vergleich zum Vorjahr wird die Lage der Wirtschaft demnach als besser angesehen, denn mitten in der Corona-Krise, als das Geschäftsleben erlahmte, sorgten sich 48 Prozent der Befragten darum. Interessant ist auch, dass 41 Prozent der Menschen eine Überforderung der Politiker befürchten.

Das Statistische Bundesamt bestätigt in seinen Septembermeldungen die steigenden Lebenshaltungskosten, die die Menschen spüren und befürchten. Neben den Energiepreisen stiegen auch die Großhandelspreise und die Erzeugerpreise für landwirtschaftliche Produkte an:

Vergleich der Preisentwicklung von August 2021 und 2020. Quelle: Statistisches Bundesamt

Neuer Rekord: Stromkosten bei 30,54 Cent pro kWh

Einige der Zahlen sollte man sich genauer ansehen.

Für Privatkunden steigen die Strompreise erneut an. Sie erreichten Anfang September einen neuen historischen Höchststand von 30,54 Cent pro Kilowattstunde (bei einem Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 4.000 kWh). Grundlaststrom kostet an der Leipziger Energiebörse EEX derzeit doppelt so viel wie im Sommer 2020.

Zum Vergleich: Im internationalen Durchschnitt kostet die Kilowattstunde rund 12 Cent, in den USA 13 Cent. In anderen großen Industrienationen wie Kanada, Russland, Südkorea oder China müssen weniger als zehn Cent bezahlt werden. Preistreiber in Deutschland ist der hohe Anteil an Steuern, Umlagen und Abgaben.

Eine Überraschung war auch, dass im ersten Halbjahr 2021 der in Deutschland erzeugte und in das Stromnetz eingespeiste Strom überwiegend aus konventionellen Energieträgern stammte. Im Gegensatz zum Vorjahr war Kohle der wichtigste Energieträger, es wurde 35,5 Prozent mehr Kohlestrom erzeugt. Ursache dafür war das windarme Frühjahr.

Kohle machte 27,1 Prozent der insgesamt eingespeisten Strommenge aus. Die Einspeisung aus erneuerbaren Energien sank dagegen um 11,7 Prozent. Insbesondere die Stromeinspeisung aus Windkraft war mit einem Rückgang um 21,0 Prozent deutlich niedriger als im 1. Halbjahr 2020.

Unsicherheiten beim Erdgas

Eine unerwartete Verteuerung gibt es bei Erdgas. Erdgas verteuerte sich seit Anfang des Jahres im Mittel um fast zwölf Prozent.

Derartige Preisänderungen treten normalerweise am Jahresende auf und nicht im Sommer. Im Winter ist die Nachfrage nach Erdgas höher und die Erdgasspeicher leeren sich, im Sommer werden sie wieder aufgefüllt. Derzeit sind die durchschnittlichen Füllstände der Gasspeicher ungewöhnlich niedrig.

Die NZZ formuliert es drastisch und titelt: „Spielt Moskau mit der Erdgasknappheit? Im Winter könnte es in Europa zu einem Preisschock am Gasmarkt kommen.“ Dahinter steckt die Beobachtung, dass der russische Staatskonzern Gazprom weniger Erdgas lieferte als erwartet. Spekuliert wird, ob es sich um einen Erpressungsversuch pro Nord Stream 2 handelt.

Hinzu kommen Marktüberlegungen rund um die Bundestagswahl und mögliche Koalitionen: Die Grünen stehen als einzige Partei der Pipeline Nord Stream 2 ablehnend gegenüber und fordern einen Stopp des Projektes. Es sei klima-, energiepolitisch und geostrategisch schädlich (vor allem für die Ukraine).

Eine weitere Ursache vermutet Tom Marcek-Manser, Gasanalytiker für Europa. Gazprom könnte auch in der Lage sein, nicht mehr Erdgas liefern zu können. Ob Russland nun, wie befürchtet, Energie als geopolitische Waffe in Europa nutzt oder nicht – letzten Endes zahlt der Verbraucher mehr für seinen Strom.

Im Vergleich mit der ersten Ölkrise

Im Großhandel zogen durchschnittlich die Verkaufspreise um 12,3 Prozent an. Ursache sind die stark gestiegenen Preise für viele Rohstoffe und Vorprodukte. Zudem war das Preisniveau in den Vorjahresmonaten durch die Corona-Krise sehr niedrig.

Steigerungen in diesem Ausmaß sind selten. Um Vergleichszahlen zu finden, muss auf den Oktober 1974 zurückgegriffen werden. In jenem Oktober der ersten Ölkrise waren die Großhandelspreise um 13,2 Prozent gestiegen.

Verteuerungen gibt es auch im Nahrungsmittelbereich, besonders auffällig sind die Entwicklungen bei Milch und Salat.

Ein großes Problem für die Landwirte ist der Schweinepreis. Dieser fällt und fällt, auch wenn es im Supermarkt nicht so drastisch zu sehen ist. Trotz erheblichen Rückgangs in der deutschen Schweinefleischerzeugung kann der Einbruch durch die Nachfrage nicht aufgefangen werden.

Ein Krisentreffen mit Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner ist in Vorbereitung. Ursache sind die Corona-Gegenmaßnahmen, die zu einem Schweinestau und daraufhin zu einer Absatzkrise führten. „Wenn die Gesellschaft will, dass hierzulande Schweine anders gehalten werden, dann muss sie heute etwas dafür tun, dass es morgen überhaupt noch schweinehaltende Betriebe gibt, die das könnten. Wer heute pleitegeht, kann morgen gewiss nicht mehr investieren!“, erklärt Dr. Torsten Staack, Geschäftsführer der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands, dazu.

Gefühlte Inflation und offizielle Inflation

Die Inflationsrate in Deutschland wurde für August offiziell mit +3,9 Prozent angegeben. Die Rate errechnet sich aus der monatlichen Preisentwicklung aller Waren und Dienstleistungen, die private Haushalte in Deutschland für Konsumzwecke kaufen (im Vergleich zum Vorjahresmonat). Im Juli 2021 hatte sie bei +3,8 Prozent gelegen, im Juni 2021 waren es +2,3 Prozent. Eine höhere Inflationsrate gab es offiziell zuletzt im Dezember 1993 mit +4,3 Prozent.

Fachleute kritisieren den verwendeten Warenkorb als nicht repräsentativ und erklären, dass die tatsächliche Inflation höher sei. Finanzexperte Dr. Markus Krall bemängelt, dass Vermögenswerte wie Immobilien und Aktien nicht berücksichtig würden.

Die Statistiker verschleiern die Geldentwertung, schreiben auch die Ökonomen Prof. Philipp Bagus und Andreas Marquart in ihrem Buch „Warum andere auf Ihre Kosten immer reicher werden“ (2014). Sie fragen: Wie viel müssen die Menschen für die beiden größten Posten in ihrem Haushaltsbuch ausgeben, für Strom und Nahrungsmittel? Die Gewichtung dieser beiden Bereiche sei im Warenkorb der Statistiker viel zu niedrig angesetzt. Im Basisjahr 2015 wurde offiziell damit gerechnet, dass rund 32 Prozent für Wohnung und Nebenkosten und 10 Prozent für Nahrungsmittel ausgegeben werden müssen.

Die Inflation – und das ist das, was die Teilnehmer an der Untersuchung von R+V gegenüber äußerten – ist für Menschen in Deutschland spürbar höher. Sie müssen für Wohnung und Nahrungsmittel prozentual viel mehr Geld ausgeben als die Statistiker angeben.



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