Risikofaktor Rohstoffe: Die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft

Mehr als 20 Rohstoffe gelten in Bayern als „Risiko-Rohstoffe“. Sie müssen importiert werden, die Versorgungssicherheit ist gefährdet.
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Ein Bagger belädt einen Muldenkipper mit Bauxit. Bauxit wird für die Herstellung von Aluminium benötigt.Foto: iStock
Von 26. Dezember 2021
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Für einen schnellen Hochlauf einer batteriebetriebenen E-Mobilität ist nicht ausreichend Kobalt vorhanden, schreibt das Kölner Institut der deutschen Wirtschaft. Nicht nur wichtige Rohstoffe wie Kobalt, Lithium und Graphit könnten in den kommenden Jahren knapp werden.

Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die der Verband der Bayerischen Wirtschaft (vbw) in Auftrag gegeben hat. Neben bayerischen Unternehmen beziehen auch andere Hersteller viele Rohstoffe aus dem Ausland, daher dürfte die Studie auch für andere Bundesländer interessant sein.

Die Importabhängigkeit Deutschlands zeigt sich besonders bei Metallerzen und -konzentraten wie Graphit, Seltene Erden, Magnesium und Wolfram. Sie wurden im Jahr 2019 vollständig importiert, allen voran aus China.

Bei 22 Rohstoffen sieht das IW die Lage besonders kritisch. Die Versorgung mit diesen Stoffen, die vor allem für die Energiewende höchst wichtig sind, ist nicht gut abgesichert. Sie sind Risiko-Rohstoffe. Dazu gehören Kobalt, Tantal, Niob, Gallium, Rhodium, Zinn, Neodym, Yttrium, Wolfram, Palladium, Indium, Lithium, Platin, Scandium, Selen, Magnesium, Germanium, Chrom, Eisen, Graphit, Silber und Molybdän.

Die Lage am Rohstoffmarkt zeigt den Verfechtern einer strikten E-Mobilität Grenzen auf. Bis 2055 sollen mit den EU-Plänen von „Fit for 55“ die jährlichen Emissionen von Neuwagen um 100 Prozent verringert werden, was faktisch ein Verbot von Verbrennungsmotoren bedeutet. Neben Kobalt, Lithium und Graphit für Batterien werden in Elektroautos auch Seltene Erden wie Neodym und Dysprosium (in den Magneten der Elektromotoren) benötigt. Es ist daher auch aus Rohstoffsicht unklar, ob sich E-Mobilität in großem Maßstab durchsetzen kann oder trotz politischer Milliardenförderungen an der Realität scheitern wird.

Angebot und Nachfrage stimmen nicht überein

Von der heiklen Rohstofflage sind jedoch noch weitere Industriezweige als die Autoindustrie betroffen – nahezu alle Branchen klagen über Materialmangel.

2021 wurden und werden weiterhin weniger Rohstoffe abgebaut als vor der Corona-Zeit. Im Laufe des Jahres 2020 sind zahlreiche Bergbauunternehmen und Minen geschlossen worden. Dann fuhren Konzerne und Fabriken ihre Produktion wieder hoch – Angebot und Nachfrage sind nicht seither im Lot.

Eine Ursache sieht Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer des vbw, auch in der jahrelangen Unachtsamkeit der Politik, das Thema Rohstoffversorgung als Top-Thema zu behandeln.

Gerade bei spezifischen Rohstoffen, die für Elektromobilität (Kobalt, Lithium, Graphit) oder 5G (Materialien für den Antennenbau und die Elektronik) benötigt werden, steigen zudem massiv die Kosten.

Beispielsweise verteuerte sich Rhodium, das in Katalysatoren benötigt wird, zwischen September 2018 und September 2021 um 355 Prozent. Im dritten Quartal 2021 stiegen die Preise für wichtige Industriemetalle drastisch. Lithium (eingesetzt in Batterien) kostet nun 224 Prozent mehr, Magnesium (unverzichtbar für die Stahlindustrie) verteuerte sich um 181 Prozent.

Die Rote Gruppe im Rohstoff-Risiko-Index

Die vom IW Köln speziell für die bayerische Wirtschaft erstellte Studie nutzt zur Bewertung einen Rohstoff-Risiko-Index. Untersucht wurden 45 Rohstoffe, die im Wesentlichen anhand der „Rohstoffwirtschaftlichen Steckbriefe“ und der „Rohstoffliste“ der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe ausgewählt wurden. Im Ergebnis kristallisierte sich eine Rote Gruppe mit besonders kritischer Lage heraus, eine Orangene im mittleren Versorgungsrisiko und eine Grüne Gruppe ohne Beschaffungsrisiko.

Hier ein Blick auf die Gruppe mit einem kritischen Beschaffungsrisiko.

Als höchstes Risiko für die bayerische Wirtschaft wird die Absicherung mit dem Rohstoff Kobalt angesehen, es wird davon gesprochen, dass das Metall bei einem Boom der E-Mobilität nur für elf Jahre ausreichend verfügbar ist. Kobalt stammt zu 69 Prozent aus der Demokratischen Republik Kongo, wo es teilweise von Kindern aus der Erde geholt wird. Das Land ist politisch instabil. Zwiespältig ist die Funktion chinesischer Unternehmen, die eine wichtige Rolle bei der Gewinnung und Weiterverarbeitung eingenommen haben.

Lithium und die Seltenen Erden: Hier ist Deutschland (und Europa) fast vollständig auf Importe angewiesen. An förderwürdigen Mengen wird in Deutschland geforscht und eine Lithiumförderung aus unterirdischem Thermalwasser im Oberrheingraben geprüft.

Tantal, Niob, Wolfram, Chrom und Molybdän benötigt die Stahlindustrie; sie kommen auch in elektronischen Bauteilen vor. Die Platingruppenelemente Rhodium, Palladium und Platin stecken unter anderem in Katalysatoren und Brennstoffzellen. Zinn, Gallium, Indium, Selen und Germanium verbergen sich oft in LCDs und Flachbildschirmen.

Eisen zählt ebenfalls zu den für Bayern kritischen Rohstoffen. Die Preise verdreifachten sich von September 2018 je Tonne Feinerz von 68 Dollar auf 214 Dollar im Juni 2021. Damit verteuert sich die Stahlerzeugung ungemein, was sich nicht nur auf den Maschinenbau und die Bauindustrie auswirkt.

Lediglich acht der 45 untersuchten Rohstoffe sind in der Beschaffung unproblematisch und zählen zur Grünen Gruppe. Diese Mineralien werden in vielen Ländern gefördert und eine Monopolbildung ist kaum möglich. Dazu zählen Quarzsand, Betonit, Kalkstein (Zement), Kaolin, Gips und Anhydrit, Schwefel, Glimmer und Steinsalz.

Mehr Engagement der Politik gefordert

In Deutschland wird die Versorgung mit Rohstoffen zuallererst als Aufgabe der Unternehmen selbst angesehen. Einzelne Unternehmen können zwar Verträge abschließen, haben jedoch kaum Einfluss auf die wirtschaftliche und politische Stabilität in Förderländern.

Der Verband der Bayerischen Wirtschaft fordert angesichts der Studienergebnisse vom Bund mehr Ambitionen für eine zukunftsfähige Rohstoffversorgung. Unternehmen müssten bei internationalen Rohstoffprojekten unterstützt werden, erwartet Hauptgeschäftsführer Brossardt.

Für Bertram Brossardt steht die unsichere Rohstoffversorgung in direktem Zusammenhang mit den politischen Verhältnissen und der Industriepolitik einzelner Staaten. Er fordert klare Regeln und verlangt, künstliche Verknappung und ungerechtfertigte Preiserhöhungen zu unterbinden.

Neben dem Import und der inländischen Rohstoffförderung sieht Brossardt auch die Wirtschaft in Bezug auf Recycling und Wiederverwendung in der Pflicht. Die EU und die nationalen politischen Institutionen sollten den Zugang zu den Rohstoffmärkten offenhalten und gute Beziehungen zu rohstoffreichen Ländern pflegen, Handelshemmnisse abbauen, protektionistischen Tendenzen entgegengetreten sowie die Grundlagenforschung fördern.

Für Rohstoffe ist als zentrale Institution in Deutschland die Deutsche Rohstoffagentur DERA maßgebend, sie erarbeitet Leitlinien für die Bundesregierung und übernimmt ein kontinuierliches Rohstoffmonitoring.

Rohstoffpartnerschaften

Der Zugang zu Rohstoffen wird in der internationalen Politik durchaus als Drohmittel eingesetzt. Das Vorhaben Australiens, Neodym-Vorkommen zu erschließen (ein Metall der Seltenen Erden), interpretierte Peking beispielsweise als Angriff. Daraufhin verschärfte die chinesische Regierung den Handelskonflikt beider Länder.

Die Europäische Kommission spielt bei der Rohstoffpolitik ebenfalls eine Rolle – unter steigender Beachtung des Green Deal. Zudem vertritt die Kommission die EU-Mitgliedsstaaten in allen Außenhandelsfragen. Das bedeutet, dass sie die Rohstoffversorgung in ihrer Handelspolitik berücksichtigen muss.

Ende September 2020 wurde durch die EU-Kommission die Europäische Rohstoffallianz gegründet, mit der Europa seine Abhängigkeit von Drittländern bei kritischen Rohstoffen reduzieren will. Über strategische Partnerschaften – die erste wurde im Juni 2021 mit Kanada abgeschlossen – sollen Rohstoffe für Europa gesichert werden. Im Fall von Kanada bezieht es sich auf Rohstoffe wie Lithium, Kobalt, Graphit und Mangan.

Um 2010 arbeitete die deutsche Regierung bereits an eigenen „Rohstoffpartnerschaften“, wie sie mit Kasachstan, der Mongolei und Peru vertraglich gesichert wurden. Der Verband der Bayerischen Wirtschaft fordert weitere Partnerschaften dieser Art.

Die EU spricht von 30 „Kritischen Rohstoffen“

Intern führt die Europäische Union eine sogenannte „Critical Raw Materials“-Liste, auf der sich mehr und auch andere Rohstoffe wiederfinden als in der Studie für Bayern. Insgesamt sind es 30 (Stand Dezember 2020).

Um auf die EU-Liste zu gelangen, müssen die Materialien zwei Kriterien erfüllen: sie müssen eine entscheidende wirtschaftliche Bedeutung haben und nicht zuverlässig innerhalb der EU abgebaut werden können.

Unabhängig von aktuellen Schwierigkeiten gelten folgende Rohstoffe im EU-Maßstab als kritisch (alphabetisch sortiert): Antimon, Baryt, Bauxit, Beryllium, Borat, Flussspat, Gallium, Germanium, Hafnium, Indium, Kobalt, Kokskohle, Leichte Seltene Erden, Lithium, Magnesium, Naturkautschuk, Natürlicher Graphit, Niob, Phosphorit, Phosphor, Platingruppenmetalle (Platin, Palladium, Rhodium, Ruthenium, Osmium, Iridium), Scandium, Schwere Seltene Erden, Siliziummetall, Strontium, Tantal, Titan, Vanadium, Wismut und Wolfram.

Neben den kritischen Rohstoffen haben einige Materialien für die EU wie Zinn, Tantal/Coltan, Niob, Wolfram und Gold den Status „Konfliktrohstoffe“. Beide Listen überschneiden sich. Der eingrenzende Faktor ist hier die politische Lage im Abbaugebiet sowie die Arbeits- und Umweltbedingungen bei der Förderung. Ab Januar 2021 werden diese Stoffe von Kontrollstellen der EU schärfer beobachtet.

Lithium in Brandenburg

An den Rohstoffbörsen zeigen die Preise seit Längerem nur in eine Richtung, nach oben. Neben den Förderkosten steigen vor allem auch die Transportkosten und Gebühren, was es für deutsche Unternehmen nicht einfacher macht. Inwieweit sich Europa – oder Deutschland – mit Rohstoffen selbst autonom versorgen könnte, ist unklar. Zumindest bei den Seltenen Erden würden bei einem Abbau in Deutschland die Kosten jene der chinesischen Produktion weit übersteigen.

Bei Lithium scheint zumindest ein erster Weg in Reichweite, nachdem die kanadische Firma Rock Tech Lithium ankündigte, im brandenburgischen Guben eine Fabrik zur Herstellung von batteriefähigem Lithium aufzubauen. In der Fabrik, nach Unternehmensangaben die erste ihrer Art in Europa, soll ab 2024 jährlich rund 24.000 Tonnen Lithium-Hydroxid hergestellt werden.

Zu Beginn der Produktion soll die Firma mit Lithium aus einer kanadischen Mine beliefert werden. Künftig soll aber ein immer größerer Anteil der verwendeten Rohstoffe aus wiederverwerteten Batterien gewonnen werden, wie Rock Tech Lithium betonte. Bis 2030 sollen so um die 50 Prozent der in der Produktion verwendeten Rohstoffe aus wiederverwerteten Quellen stammen.



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