Bundesrechnungshof: Deutsche Bahn entwickelt sich zu „Sanierungsfall“

Zu einem „Fass ohne Boden“ könnte die Deutsche Bahn ohne grundlegende Reformen werden. Dies erklärt der Bundesrechnungshof in seinem jüngsten Bericht.
Eine Ampel steht auf rot vor den Gleisen am Hauptbahnhof in Richtung Essen.
Die Probleme bei der Deutschen Bahn (DB) haben sich aus Sicht des Bundesrechnungshofs in den vergangenen Jahren vergrößert.Foto: Marcel Kusch/dpa
Von 18. März 2023

„Chronische Krise“, „Sanierungsfall“, „Fass ohne Boden“: Die Deutsche Bahn sieht sich durch den Bundesrechnungshof in dessen jüngst veröffentlichtem Bericht mit markigen Worten bedacht. Das gesamte System Eisenbahn sei durch die Lage des Konzerns gefährdet, äußert Präsident Kay Scheller.

Dieses System sei noch unzuverlässiger geworden, und auch die wirtschaftliche Lage der DB AG habe sich weiter verschlechtert. Außerdem seien die Ziele unrealistisch geworden, die sich der nach wie vor zu 100 Prozent im Staatsbesitz befindliche Konzern bis 2030 gesetzt habe. Der Eigentümer Bund will bis dahin den Personenverkehr per Bahn verdoppeln und den Bahnanteil am Güterverkehr auf 25 Prozent erhöhen.

Deutsche Bahn im Fernverkehr unpünktlich wie nie zuvor

Die Deutsche Bahn ist zwar nach wie vor eines der größten Schienenverkehrsunternehmen weltweit und betreibt ein umfangreiches Gleisnetz in Deutschland und Europa. Trotz ihrer Größe und Bedeutung hat die DB jedoch seit Jahr und Tag mit zahlreichen strukturellen Problemen und Herausforderungen zu kämpfen.

Zu den gravierendsten gehört dabei die Infrastruktur: Schienen, Bahnhöfe, Signalanlagen und sonstige Einrichtungen sind in vielen Teilen des Landes veraltet und in schlechtem Zustand. Dies führt zu technischen Problemen und macht zahlreiche Baumaßnahmen erforderlich.

Die Folge sind häufige Verspätungen und Zugausfälle. Waren im Jahr 2009 noch 81,2 Prozent aller Züge im DB-Fernverkehr pünktlich, hielten im Vorjahr nur 65,2 Prozent den Fahrplan ein. Im Bericht des Bundesrechnungshofes heißt es dazu:

Die DB AG verfehlt seit langem die Kundenansprüche an Pünktlichkeit und Verlässlichkeit. Im Jahr 2022 war mehr als jeder dritte Fernverkehrszug unpünktlich – ein Negativrekord.“

Unbefriedigende Ergebnisse auch im Güterverkehr

Ein weiteres gravierendes Problem ist die hohe Verschuldung, die regelmäßig öffentliche Unterstützung erforderlich macht, um die Betriebskosten zu decken. Der Bundesrechnungshof sieht die Deutsche Bahn vor „operativen und finanziellen Problemen, die sich in Anzahl und Dringlichkeit verschärfen“.

Derzeit liege der Schuldenstand bei mehr als 30 Milliarden Euro, zuletzt seien täglich fünf Millionen dazugekommen. Die DB entwickele sich „zu einem Fass ohne Boden“. Auch im Güterverkehr verfehle der Konzern seine Ziele. Die DB Cargo weite „ihre Verluste seit Jahren aus“ und erbringe „keinen messbaren Beitrag, Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern“. Der Bundesrechnungshof geht auch hart mit Auslandsinvestitionen ins Gericht. DB Arriva sei im europäischen Ausland im Nahverkehr tätig und dortige Defizite belasteten die DB AG.

Der seit dem Jahr 2019 beschlossene Rückzug im Interesse der Verbesserung des heimischen Schienennetzes sei nur in Ansätzen verwirklicht. Generell gilt die Deutsche Bahn aufgrund ihrer Größe und Komplexität oft als träge und ineffizient in ihren Entscheidungen und Maßnahmen.

Deutsche Bahn von Fachkräftemangel betroffen

Die Deutsche Bahn sei auch unzureichend aufgestellt mit Blick auf den Wettbewerb. Vor allem im Fernverkehr sei der Konzern zunehmender Konkurrenz ausgesetzt. Anbieter wie FlixTrain, ÖBB oder Leo Express bieten oft günstigere Preise und eine bessere Servicequalität als die DB. Auch sie ziehen Kunden von der Bahn ab.

Eine weitere Herausforderung für den Konzern stellt der Fachkräftemangel dar. Die DB hat in den letzten Jahren zunehmend Probleme, genügend qualifiziertes Personal zu rekrutieren. Insbesondere im Bereich der Lokführer und Zugbegleiter gibt es einen Mangel an Arbeitskräften, was zusätzlich zu Engpässen im Betrieb beiträgt.

Zudem belasten extreme Wetterereignisse, die vielerorts mit dem Klimawandel in Verbindung gebracht werden, auch die DB. Hitzeperioden oder Starkregen können zu Störungen im Betrieb führen und die Infrastruktur beschädigen. Die Politik setzt die Deutsche Bahn unter Druck, ihre CO₂-Emissionen zu reduzieren und den Einsatz von erneuerbaren Energien zu erhöhen.

Bund soll Schienennetz vom Konzern abspalten

Der Bundesrechnungshof fordert vom Bund ein „Drehbuch“, das ein Gesamtkonzept für den Konzern erkennen lässt. Dieses solle auch deutlich machen, wie das Bundesverkehrsministerium (BMDV) den Handlungsstau systematisch auflösen wolle.

Das Schienennetz selbst solle der Bund vom Konzern abspalten, fordert Scheller. Wie die „Tagesschau“ berichtet, will die Bundesregierung aber an der Organisation als integriertem Konzern festhalten. Bahnhöfe und Netz sollen weiter zum Bahnkonzern gehören, man wolle diese jedoch gemeinwirtschaftlich ausrichten. Auch aus den Auslandsgeschäften solle sich die Bahn nach dem Willen des Bundesrechnungshofs schneller und konsequenter zurückziehen.

Scheller sieht die Verantwortung für die Misere nicht allein bei der DB AG selbst. Vielmehr habe die Bundesregierung „ein fehlerhaftes System über Jahre akzeptiert, tatenlos zugeschaut, nicht gegengesteuert“. Als alleiniger Eigentümer, Geldgeber und verkehrspolitischer Gestalter sei der Bund nun in der Verantwortung. Dessen Gemeinwohlverpflichtung beinhalte auch die Gewährleistung einer funktionierenden Bahn.

Minister Wissing macht Vorgängerregierungen für Versäumnisse verantwortlich

Der Bund habe, so heißt es im Bericht, „ambitionierte, aber auch realistische Ziele abzuleiten und eine konsistente Strategie für die DB AG umzusetzen“. Bundesverkehrsminister Volker Wissing erklärte, es gebe bereits ein Konzept zur Streckensanierung, das man „Punkt für Punkt“ abarbeite. Allerdings könne man nicht „rückwärts regieren“ und Versäumnisse von Vorgängerregierungen ausräumen.

Der Bundesrechnungshof unterstreicht wiederum seine Auffassung, dass die Sanierung allein nicht ausreichen werde, um die Wachstumsziele der Bahn zu ermöglichen. Seinen Bericht leitet die Einrichtung nun an den Bundestag weiter. Dort soll es eine Debatte über mögliche Konsequenzen aus der Bestandsaufnahme geben.



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