Deutsche Forscher entdecken dritte Form des Magnetismus

Mit ihrer neuen Entdeckung brechen die Forscher der Universität Mainz und der Tschechischen Akademie der Wissenschaften in Prag mit der bisher bekannten Unterteilung des Magnetismus. Es gibt weiterhin nur zwei magnetische Pole – Nord und Süd – aber drei verschiedene Arten von Magneten.
Deutsche Forscher entdecken dritte Form des Magnetismus
Eine Form der alltäglich verwendeten Magneten sind die sogenannten Ferromagnete, die ein starkes Magnetfeld erzeugen.Foto: iStock
Von 23. Februar 2024

Ursprünglich gingen Wissenschaftler davon aus, dass es zwei Formen des sogenannten Magnetismus gibt: Den seit mehreren Jahrtausenden bekannten ferromagnetischen Zweig und den vor etwa einem Jahrhundert entdeckten antiferromagnetischen Zweig.

Den Physikern um Dr. Libor Šmejkal von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) ist es jüngst gelungen, einen dritten Zweig direkt experimentell nachzuweisen. Nachdem sie den sogenannten Altermagnetismus, was so viel bedeutet wie veränderter Magnetismus, bereits vor einigen Jahren theoretisch vorhergesagt hatten, konnten sie seine Existenz nun bestätigen.

Grenzen für die Informationstechnologie

Bei einem Magneten denken wir normalerweise an Ferromagneten mit starkem Magnetfeld – jene kleinen Helfer, die zu Hause eine Einkaufsliste am Kühlschrank halten oder die Funktion eines Elektromotors ermöglichen

Das Magnetfeld eines Ferromagneten entsteht, weil Millionen seiner Atome in dieselbe Richtung ausgerichtet sind. So kann das Magnetfeld auch genutzt werden, um den elektrischen Strom in Komponenten der Informationstechnologie zu modulieren.

Gleichzeitig stellt das ferromagnetische Feld jedoch eine ernsthafte Einschränkung für die räumliche und zeitliche Skalierbarkeit der Komponenten dar. Daher lag in den vergangenen Jahren ein wesentlicher Forschungsschwerpunkt auf dem zweiten, dem antiferromagnetischen Zweig.

Antiferromagnete sind weniger bekannte, aber in der Natur viel häufiger vorkommende Materialien. Bei ihnen wechseln sich die Richtungen der atomaren Magnetfelder an benachbarten Atomen ab, wie weiße und schwarze Felder auf einem Schachbrett. Insgesamt erzeugen sie dadurch also keine (unerwünschten) Magnetfelder und sind daher antimagnetisch. Aus diesem Grund haben die Antiferromagnete noch keine aktive Anwendung in der Informationstechnologie gefunden.

Altermagnete vereinen „unvereinbare“ Vorteile

Die erst vor wenigen Jahren vorhergesagten Altermagnete vereinen die Vorteile von Ferromagneten und Antiferromagneten, die als grundsätzlich unvereinbar galten. Sie haben darüber hinaus weitere einzigartige Vorteile, die in den anderen Zweigen nicht zu finden sind.

Man kann sich Altermagnete als magnetische Anordnungen vorstellen, bei denen sich nicht nur die magnetischen Atommomente benachbarter Atome, sondern auch die Ausrichtung der Atome im Kristall abwechseln.

Auf diese Weise erzeugen Altermagnete kein äußeres Magnetfeld, aber die Elektronen im Inneren spüren ein Magnetfeld, das tausendmal stärker ist als das Feld des Magnets am Kühlschrank. Diese Felder können elektrische Ströme ähnlich wie bei Ferromagneten modulieren und sind daher potenziell sehr attraktiv für Anwendungen in der Nanoelektronik.

Darüber hinaus haben Wissenschaftler bereits mehr als 200 Kandidaten für die neue Form des Magnetismus identifiziert. Diese weisen Eigenschaften von Isolatoren, Halbleitern, Metallen und sogar Supraleitern auf.

Der Beweis war die ganze Zeit da

Schon seit einiger Zeit forschen Physiker an diesen Materialien, doch ihre altermagnetische Natur blieb ihnen stets verborgen. Dann folgte 2019 der erste Lichtblick: Den Forschern um Dr. Libor Šmejkal gelang es in einer Reihe von Studien, die unkonventionell magnetischen Materialien theoretisch zu identifizierten und zwei Jahre später als neuen dritten Typ von Magnetismus zu etablieren.

Da der Altermagnetismus weitreichende und noch nie dagewesene Möglichkeiten für Forschung und Anwendung eröffnet, kam es fast unmittelbar nach der theoretischen Vorhersage zu einer Welle von Folgestudien durch Forscher aus der ganzen Welt. Schließlich musste nur noch der direkte experimentelle Beweis erbracht werden. Bis jetzt.

Ein solcher Nachweis gelang deutschen und tschechischen Physikern, die Kristalle aus Mangantellurid (MnTe) untersuchten. Bislang galt dieses Material – wie Mangan selbst – als klassischer Antiferromagnet. Da die magnetischen Momente benachbarter Manganatome in entgegengesetzte Richtungen zeigen, erzeugen sie kein externes Magnetfeld um das Material herum.

Basierend auf Vorhersagen konnten die Forscher nun jedoch herausfinden, in welche Richtung das „Licht“ auf hochwertige MnTe-Kristalle scheint. Ihr Fazit: Trotz des Fehlens eines externen Magnetfelds sind die elektronischen Zustände im Inneren des Materials stark Spin-gespalten. Das Ausmaß und die Form dieser Aufspaltung stimmen perfekt mit den quantenmechanischen Vorhersagen des Altermagnetismus überein.

Außerdem konnten die Forscher zum ersten Mal eine sogenannte Spinpolarisierung nachweisen. „Dies ist ein direkter Beweis dafür, dass MnTe weder ein herkömmlicher Antiferromagnet noch ein herkömmlicher Ferromagnet ist, sondern zu einem neuen, altermagnetischen Zweig der magnetischen Materialien gehört“, sagte Libor Šmejkal.

Neuer Magnetismus ebnet neue Wege

„Nach den ersten Vorhersagen und angesichts des schnell wachsenden weltweiten Interesses an Altermagnetismus freuen wir uns, dass wir zum experimentellen Nachweis in MnTe beitragen konnten“, so Šmejkal weiter.

Jairo Sinova, Mitautor der Studie, ergänzt: „Die Entdeckung des Altermagnetismus hat neue Wege in der weltweiten Forschung nach neuen physikalischen und materiellen Prinzipien für hochskalierbare und energieeffiziente IT-Komponenten eröffnet.“

Es sei zudem bemerkenswert, dass dieses Feld immer mehr in den Fokus rücke. Kürzlich erschienen weitere Studien, die verschiedene andere Eigenschaften altermagnetischer Materialien bestätigen. Die Entdeckung des Altermagnetismus scheint somit erst der Anfang einer aufregenden neuen Ära des Magnetismus zu sein.

Die Studie erschien am 14. Februar 2024 in der Fachzeitschrift „Nature“.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion