Entdeckungen im Schloss Esterházy: Chinesische Zauberwelt in Ungarn im 18. Jahrhundert

Kaiserin Maria Theresia liebte das prächtige Kulturzentrum des Fürsten Esterházy. Joseph Haydn lebte und arbeitete beinahe 30 Jahre lang im Schloss als enger Vertrauter des Fürsten. Doch nur wenige wissen, dass Fürst Nikolaus Esterházy ein echter China-Liebhaber war.
Titelbild
Das Schloss Esterházy aus der Vogelperspektive.Foto: Eszterháza Zentrum (Zsolt Batár)
Von 28. September 2023

Das auch als „ungarisches Versailles“ bekannte Schloss Esterházy in Fertőd befindet sich in der Nähe der österreichisch-ungarischen Grenze. Im 18. Jahrhundert war das Schloss ein kultureller Anziehungspunkt ganz Europas.

Seine heutige Form erhielt es in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, basierend auf den Ideen und Plänen von Nikolaus I., der auch „der Prachtliebende“ genannt wurde. Der Barockkomplex ist ein einzigartiges Architekturereignis seiner Zeit. Dem Besucher fällt vor allem eine endlose Verehrung des Ostens und Chinas durch den ehemaligen Schlossherrn auf.

Die Figur der chinesischen Heldin Mulan ist zum Beispiel an der Wand des ehemaligen Arbeitszimmers des Fürsten zu sehen, neben einer Fülle von Wandmalereien im China-Stil. Viele verschiedene große und kleine Kunstwerke in fast jedem der Säle laden den Besucher in eine Zauberwelt ein. Diese ist eine Mischung aus europäischem Barock sowie christlichen und traditionellen chinesischen Ideen.

Die „zauberhafte Welt von Eszterháza“ erreichte Ende des 18. Jahrhunderts ihren Höhepunkt. Fürst Nikolaus schuf einen wahren kulturellen Adelshimmel um sich herum – ohne zu sparen. So war er zum Beispiel von Joseph Haydns Musik so angetan, dass er ihn als seinen ständigen Musiker anstellte.

Das Tor von Eszterháza. Foto: Eszterháza Zentrum (Zsolt Batár)

Prinz Nikolaus hat eine Zauberwelt erschaffen

Neben der Familie Széchenyi ist die Familie Esterházy vielleicht die bekannteste ungarische Adelsfamilie, schreibt Antal Esterházy, der derzeitige Bewohner des Schlosses in Fertőd. Die fürstliche Vergangenheit der Familie reicht bis in die Zeit der Vertreibung der Türken im 17. Jahrhundert zurück.

Die legendäre Figur der Adelsfamilie wurde eine Generation später geboren. Fürst Nikolaus I., „der Prachtliebende“, kam 1714 in Wien auf die Welt. Als junger Mann zeichnete er sich in mehreren militärischen Feldzügen aus. Im Alter von 48 Jahren nahm sein Leben eine entscheidende Wendung. Er wurde Nachfolger seines Bruders Antal Pál II. Esterházy, der unerwartet und ohne Kinder verstarb. So erbte er das Herzogtum und das damit verbundene Vermögen – er wurde der fünfte Fürst Esterházy.

Gemeinsam mit seiner Frau, Maria Elisabeth Ungnad von Weissenwolff (Gräfin des Deutschen Reiches), begann er bald darauf mit dem Bau des Rokoko-Wunderwerks, des Schlosses in der Gegend des heutigen Fertőd. Das Gebäude ist eine Art Kunstpalast, gefüllt mit unzähligen historischen Artefakten. Darüber hinaus lebte Kultur in seinen Mauern; das 126 Zimmer fassende Schloss war Schauplatz zahlreicher Theater- und Musikaufführungen.

Ab 1770 war der neue Prachtbau Veranstaltungsort einer Reihe groß angelegter Esterházy-Festivitäten. Dabei handelte es sich um mehrtägige Partys. Opern wurden zur Unterhaltung der vornehmen Gäste aus aller Welt aufgeführt. Jagden, Festessen, Tänze und Feuerwerke wurden veranstaltet – der Konzertmeister des Hofes war Joseph Haydn.

Einer der prestigeträchtigsten Gäste bei den spektakulären Feierlichkeiten war Königin Maria Theresia, Kaiserin des Deutsch-Römischen Reiches. Auch Johann Wolfgang von Goethe war zugange. Er betitelte aufgrund seiner Erlebnisse die prächtigen Feste als „Zauberreich von Esterházy“. Von hier aus erhielt der Fürst den Spitznamen „der Prachtliebende“ oder „der Glänzende“ Nikolaus.

Der Herr des Schlosses starb 1790. Nach Jahren der Vernachlässigung arbeiten die jetzige Fürstenfamilie und der ungarische Staat nun daran, das Schloss in Fertőd wieder in seinem alten Glanz erstrahlen zu lassen.

Die Decke im Festsaal des Schlosses mit einem göttlichen Abbild von Apollo, dem Gott der Licht und der Künste. Foto: ef / Epoch Times

Der Prunksaal des Schlosses: das Apollo-Zimmer. Foto: ef / Epoch Times

Eines der Zimmer in der Suite der Fürstin. Foto: ef / Epoch Times

Eine Nachbildung des ehemaligen Bettes in der Suite der Fürstin. Foto: ef / Epoch Times

Der Prinz und seine besondere Liebe zu China

Wenn man das Schloss Esterházy in Fertőd besucht, mag es überraschen, dass das Schloss eine Fülle von chinesischen Artefakten aufweist. Viele der Wände der Räume erinnern an mystische chinesische Landschaften und zeigen ein himmlisches China – in der Fantasie der Künstler jener Zeit.

Eine Erklärung für die Begeisterung des Prinzen für China könnte sein, dass viele wohlhabende Europäer im 18. Jahrhundert chinesische Luxusgüter sammelten. Sie galten im damaligen Europa als wertvolle Statussymbole.

Die Szene der Heimkehr der Heldin Mulan im ehemaligen fürstlichen Arbeitszimmer. Foto: ef / Epoch Times

Beliebt waren beispielsweise lackierte Stellwände, die in Europa oft zerschnitten und in hölzerne Wandvertäfelungen integriert wurden. So wurde auch das chinesische Lackkabinett in der fürstlichen Wohnung des Schlosses gestaltet.

Nur mit Mühe gelang es dem Prinzen, die chinesischen Tafeln zu erhalten, welche die Wände der Räume bedeckten. Allein die Kosten für den Transport waren enorm – ganz zu schweigen von den Mühen, den Kauf überhaupt in Auftrag zu geben. Vom Besucherführer des Schlosses ist zu erfahren, dass die damalige Niederländische Ostindien-Kompanie dem Fürsten wertvolle Unterstützung dabei leistete. Nikolaus besann sich auf seine „guten Kontakte“, die er durch seine Studien in den Niederlanden geknüpft hatte.

Die Bilder an den Wänden des Arbeitszimmers des Prinzen zeigen hauptsächlich Szenen von kaiserlichen Jagden und den „Garten der Lüste“. Letztere stellen Szenen in den Damenappartements des chinesischen Hofes dar.

Detail eines Rahmens für einen Samtstuhl mit einer chinesischen Figur. Ähnliche Figuren und Miniaturen sind in fast jedem Raum des Hauptgebäudes zu finden. Foto: ef / Epoch Times

Chinoiserie – eine mystische Fantasiewelt

Die blauen Wandgemälde im Schloss sind Meisterwerke eines besonderen Stils. Sie wurden im Geiste des Kults der sogenannten „Chinoiserie“ geschaffen.

Der Stil lässt im Grunde eine Fantasiewelt entstehen, denn diese Kunstwerke wurden nicht von Chinesen geschaffen. Tatsächlich ließen sich die europäischen Kunsthandwerker ab dem 17. Jahrhundert von chinesischen Zierelementen inspirieren. Sie sahen sie auf Schränken, Porzellangefäßen, Stickereien und dergleichen, welche aus China importiert wurden.

„Die Chinoiserie, die mit dem Barock und dem Rokoko einhergeht, zeichnet sich durch ein hohes Maß an Vergoldung und Lackierung aus. Typisch ist auch die weit verbreitete Verwendung von blauen und weißen Farben. Die verwendeten Formen sind oft asymmetrisch. Dabei sind die orientalischen Formen und Motive sehr dominant“, schreibt der ungarische Kunsthistoriker József Vadas.

Eines der „Chinesischen Zimmer“ zeigt ein markantes blau-weißes Wandgemälde im Chinoiserie-Stil. Foto: ef / Epoch Times

Im Schloss des „Prachtliebenden“ sind zahlreiche Chinoiserien zu finden: Meditationspagoden auf Fantasiebäumen, viele Räuchergefäße, verschiedene orientalische Fahrzeuge und taoistische Figuren und Szenen.

Auffällig ist eine Vermischung der Kulturen: eine chinesische Dame mit einem orientalischen Regenschirm in der Hand und orientalischer Kleidung. Dazu hat sie eine europäische Kopfbedeckung im Stil der Renaissance und westlich anmutende Gesichtszüge. Gemischt sind auch die orientalischen Weihrauchfässer in den Händen chinesischer Reisender. Ihre Form erinnert an die in der römisch-katholischen Kirche verwendeten Weihrauchkessel.

Detail aus einem der charakteristischen blau-weißen Wandgemälde aus dem imaginären China. Foto: ef / Epoch Times

Ein Teil der chinesischen Fantasiewelt mit einer prächtigen Uhr und taoistischen Miniaturskulpturen aus China darunter. Foto: ef / Epoch Times

Eine Hochburg der klassischen Musik

Es ist unmöglich, die enorme Opulenz des fürstlichen Hofes in einem einzigen Beitrag zu erfassen. Was der unfassbaren Pracht, den zahlreichen Appartements, Pagoden, Kapellen, Theatern, die alle in Eszterháza zu finden waren, die Krone aufsetzte, war ihre Rolle in der Musik und die Qualität ihrer Konzerte. Kaiserin Maria Theresia sagte:

Wenn ich eine gute Oper erleben will, muss ich nach Eszterháza fahren.“

Und gute Opern waren am Hof der Esterházy-Fürsten garantiert. Dirigent an der Spitze der Oper, Joseph Haydn, war der Hauptlieferant. Der weltberühmte Musiker trat im Alter von 29 Jahren in den Dienst der Esterházy-Fürsten. Er lebte und spielte dort die nächsten 30 Jahre lang, sehr zur Freude des begeisterten Publikums.

„Was uns heute der klassische Stil bedeutet – vor allem die Sinfonie und das Streichquartett – wurde hier, weit weg vom Lärm der Welt, unter Haydns Hand geschmiedet“, erklärt ein stolzer Moderator des Schlosses heute. Er fügt hinzu, dass Haydns Werk „Eszterháza für einen historischen Moment zu einem Zentrum der europäischen Hochkultur machte“.

Wie tief die Beziehung zwischen Esterházy und dem Komponisten war, dokumentierte Haydn selbst. In einem seiner Briefe heißt es: „Ich wünsche, im Dienste Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen zu leben und zu sterben.“

Das Opernhaus wurde im Herbst 1768 eröffnet. Da der Fürst unter anderem Baryton spielte, wurden viele für Baryton komponierte Werke aufgeführt. Das Baryton, ein Streichinstrument aus der Familie der Gamben, hat meist sechs oder sieben Darmsaiten über dem Griffbrett und einen Satz Saiten aus Draht, die den Ton bereichern.

Auch italienische Opern waren sehr beliebt. Anlässlich des Besuchs von Kaiserin Maria Theresia im Jahr 1773 wurden neue Haydn-Kompositionen wie die italienische Oper „L’infedelta delusa“ („Der Untreue“) aufgeführt. Im Marionettentheater präsentierte er sein deutschsprachiges Stück „Philemon und Baucis“.

Der „Sala Terrena“ oder „Gartensaal“ ist ein im Erdgeschoss liegender Saal. Er schafft einen fließenden Übergang zum Garten. Foto: Eszterháza Zentrum (Zsolt Batár)

2023, auf dem Grundstück der Esterházys

Das Schloss wird aktuell mit Unterstützung des ungarischen Staates kontinuierlich restauriert. Derzeit finden hier eine Reihe von Konzerten und Veranstaltungen statt. Des Weiteren beherbergt es Dauer- und Wechselausstellungen, die der Öffentlichkeit zugänglich sind.

Zum Schloss gehört ein herrlicher Barockpark. Der Bereich, welcher der Öffentlichkeit zugänglich ist, umfasst fast 200 Hektar. Das weitläufige Grundstück besteht aus einem offenen barocken Garten, einer Fasanerie und einem Wildgarten. Berühmt ist der Park auch für seinen prächtigen Rosengarten.

In der Blütezeit des Parks während der Zeit von Fürst Nikolaus Esterházy präsentierte der damals 300 Hektar große Park zudem Statuen, Springbrunnen, Wasserfälle, nach mythologischen Göttern benannte Vergnügungen und eine chinesische Pagode.

Heute ist das Schloss das Zuhause des derzeitigen Fürsten Esterházy, Fürst Antal Esterházy, und seiner Frau, Prinzessin Svetlana Esterházy-Bardadim. Das Fürstenpaar nimmt auch an zahlreichen Veranstaltungen persönlich teil.


Fürst Antal Esterházy und seine Frau, die heutigen Bewohner des Schlosses. Foto: ef / Epoch Times



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