Intervallfasten im Universum: Forscher entschlüsseln großen Appetit Schwarzer Löcher

Labradore sind für ihren unersättlichen Hunger bekannt – ähnlich wie Schwarze Löcher. Dass letztere wesentlich schneller fressen als bislang gedacht, entdeckten jüngst Forscher der Northwestern University (USA). Die neuen Erkenntnisse bringen nicht nur Chaos ins Weltall, sondern auch in herkömmliche Theorien.
Im Zentrum der Spiralgalaxie M81 befindet sich ein supermassives schwarzes Loch 70 Millionen mal dichter als unsere Sonne
Schwarze Löcher. Im Zentrum der Spiralgalaxie M81 befindet sich ein supermassives schwarzes Loch 70 Millionen mal dichter als unsere Sonne.Foto: NASA/CXC/Wisconsin/D.Pooley & CfA/A.Zezas
Von 5. Oktober 2023

Forscher der Northwestern University (USA) haben herausgefunden, dass Schwarze Löcher wesentlich schneller fressen als bislang gedacht. Diese Entdeckung könnte erklären, warum Quasare sehr schnell aufflackern und wieder verblassen.Früher nahmen Astronomen an, dass sich Schwarze Löcher langsam ernähren. Forscher der Northwestern University, USA, haben nun jedoch die Essgewohnheiten der supermassereichen außerirdischen Objekte neu kennengelernt. So deuten neue Simulationen darauf hin, dass Schwarze Löcher ihre Nahrung viel schneller verschlingen, als es das herkömmliche Verständnis vermuten lässt.

Demnach verwirbeln die sich drehenden Schwarzen Löcher die sie umgebende Raumzeit derart, dass der riesige Gaswirbel – die sogenannte Akkretionsscheibe –, der sie umgibt und ernährt, einfach zerreißt. Übrig bleibt eine innere und eine äußere Teilscheibe, wobei Schwarze Löcher zunächst den inneren Ring verschlingen. Die dabei entstandene Lücke wird durch nachkommende Trümmer der äußeren Teilscheibe gefüllt. Wenn dieses Futter vollständig vertilgt ist, rutscht neues Material nach – solange bis das Futter alle ist.

Dieser Prozess des sich endlos wiederholenden „Fressens-Auffüllens-Fressens“ dauere nur wenige Monate – eine schockierend kurze Zeitspanne, denn bisher nahmen Astronomen an, dass die Vernichtung der Materie Hunderte Jahre dauern würde.

Licht ins Dunkel gebracht

Mit dieser neuen Entdeckung könnten Wissenschaftler nun auch das Verhalten von Quasaren erklären. Quasare zählen zu den hellsten Objekten, die Sternensucher am Nachthimmel beobachten können. Sie flackern plötzlich auf und verschwinden ebenso schnell wieder.

„Die klassische Theorie der Akkretionsscheibe besagt, dass sich die Scheibe langsam entwickelt“, so Studienleiter Nick Kaaz von der Northwestern University. „Aber einige Quasare – die aus schwarzen Löchern entstehen und Gas aus ihren Akkretionsscheiben fressen – scheinen sich über Zeitskalen von Monaten bis Jahren enorm zu verändern. Es sieht so aus, als ob der innere Teil der Scheibe – wo das meiste Licht herkommt – zerstört und dann wieder aufgefüllt wird.“

Aufbau eines Schwarzen Lochs

Der Aufbau eines Schwarzen Lochs nach klassischer Theorie. Foto: ts/Epoch Times nach ESO (CC BY 4.0)

Eben diese Beobachtung passte nicht mit den bisherigen Erkenntnissen der Astronomen zusammen. „Die klassische Theorie der Akkretionsscheibe kann diese drastische Veränderung nicht erklären. Aber die Phänomene, die wir in unseren Simulationen sehen, könnten dies möglicherweise. Das schnelle Aufhellen und Abdunkeln steht im Einklang mit der Zerstörung der inneren Regionen der Scheibe“, so Kaaz weiter.

Irrtum mit Folgen

Schwarze Löcher und ihre Anhängsel waren seit ihrer Entdeckung ein schwer lösbares astronomisches Mysterium. Akkretionsscheiben, die Schwarze Löcher umgeben, sind physikalisch komplizierte Objekte, weshalb sie Forscher kaum modellieren können. Unter dieser Einschränkung entstand die herkömmliche Theorie, die die Frage nach dem schnellen Aufleuchten und abrupten Abdunkeln bis völligem Verschwinden nur unzureichend beantwortete.

Wegen der eingeschränkten Untersuchungsmöglichkeit nahmen Astronomen fälschlicherweise an, dass Akkretionsscheiben relativ geordnet sind. Nach bisheriger Vorstellung wirbelten Gas und Teilchen um das Schwarze Loch herum – und zwar auf gleicher Höhe und in gleicher Drehrichtung wie das Schwarze Loch. Über einen Zeitraum von Hunderten bis Hunderttausenden Jahren sollten dann die Gaspartikel wie in einem Wasserstrudel allmählich ins Zentrum wandern und so das Schwarze Loch füttern.

„Jahrzehntelang ging man davon aus, dass die Akkretionsscheiben mit der Rotation des Schwarzen Lochs übereinstimmen“, sagte Kaaz. „Aber das Gas, das diese Schwarzen Löcher füttert, weiß nicht unbedingt, in welche Richtung das Schwarze Loch rotiert. Warum sollten sie also automatisch ausgerichtet sein? Wenn man die Ausrichtung ändert, verändert sich das Bild deutlich.“

Die neueste Simulation einer Akkretionsscheibe der amerikanischen Forscher zeigt, dass die Regionen, die das Schwarze Loch umgeben, viel unordentlicher und turbulenter sind als bisher angenommen.

Mehr wie ein Kreisel, weniger wie eine Platte

Mithilfe von „Summit“ – einem der weltweit größten Supercomputer – konnten die Astronomen nun eine täuschend echte 3D-Simulation einer Akkretionsscheibe erstellen, die alle bekannten physikalischen Aspekte berücksichtigt – einschließlich Einsteins Relativitätstheorie.

„Schwarze Löcher sind extreme Objekte der allgemeinen Relativitätstheorie, da sie die Raumzeit um sich herum beeinflussen“, erklärt Kaaz. „Wenn sie sich drehen, ziehen sie den Raum um sich herum wie ein riesiges Karussell mit sich und zwingen ihn, sich ebenfalls zu drehen. Dieses Phänomen wird als Frame-Dragging-Effekt bezeichnet. Dadurch entsteht in der Nähe des Schwarzen Lochs ein sehr starker Einfluss, der in größerer Entfernung immer schwächer wird.“

Der Frame-Dragging-Effekt lässt die gesamte Scheibe in Kreisen wackeln, ähnlich wie ein Kreisel sich vorwärts bewegt. Aber die innere Scheibe will viel schneller wackeln als die äußeren Teile. Dieses Ungleichgewicht der Kräfte führt dazu, dass sich die gesamte Scheibe verformt und Gas aus verschiedenen Teilen der Scheibe zusammenstößt. Die Kollisionen erzeugen helle Schocks, die das Material gewaltsam immer näher an das Schwarze Loch herantreiben.

Je stärker die Verformung wird, desto schneller wackelt die innerste Region der Akkretionsscheibe, bis sie vom Rest der Scheibe abbricht. Dann, so die neuen Simulationen, beginnen die Teilscheiben, sich unabhängig voneinander zu entwickeln. Anstatt sich wie eine flache Platte gleichmäßig zu bewegen, wackeln die Teilscheiben mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Winkeln wie die Räder eines Gyroskops nun unabhängig voneinander.

„Wenn die innere Scheibe abreißt, wird sie sich unabhängig voneinander bewegen“, so Kaaz. „Sie bewegt sich schneller, weil sie näher am Schwarzen Loch ist und weil sie klein, also leichter zu bewegen ist.“

Wenn sich zwei duellieren, gewinnen Schwarze Löcher

Jene Stelle, wo sich die inneren und äußeren Teilscheiben trennen, wird als Reißregion bezeichnet. Nach der neuen Simulation ist diese Reißregion gleichzeitig der Ort, an dem der „Fressrausch“ der Schwarzen Löcher tatsächlich beginnt. Während die Reibung versucht, die Scheibe zusammenzuhalten, will die Verdrehung der Raumzeit durch das drehende Schwarze Loch sie auseinanderreißen.

„Es entsteht ein Wettbewerb zwischen der Drehung des Schwarzen Lochs sowie der Reibung und dem Druck im Inneren der Scheibe“, erklärt Kaaz. „In der Reißregion gewinnt dann das Schwarze Loch. Die inneren und äußeren Scheiben kollidieren miteinander. Die äußere Scheibe schabt Schichten der inneren Scheibe ab und drückt sie nach innen.“

Jetzt überschneiden sich die Teilscheiben in verschiedenen Winkeln. Die äußere Scheibe schüttet Material auf die innere Scheibe. Diese zusätzliche Masse schiebt auch die innere Scheibe in Richtung des Schwarzen Lochs, wo sie verschlungen wird. Anschließend zieht die Schwerkraft des Schwarzen Lochs Gas aus der äußeren Region in die nun leere innere Region, um sie wieder aufzufüllen.

Schwarze Löcher zu Quasaren

Laut den Forschern können diese schnellen „Fressen-Auffüllen-Fressen“-Zyklen möglicherweise die Quasare mit ihrem „wechselnden Aussehen“ erklären. In Spitzenzeiten kann ein einfacher Quasar tausendmal mehr Energie aussenden als die gesamten 200 bis 400 Milliarden Sterne der Milchstraße. Jene, die ein wechselndes Aussehen aufweisen, seien sogar noch extremer, so die Forscher. Sie scheinen sich über die Dauer von Monaten „ein- und auszuschalten“ – eine winzige Zeitspanne für einen Quasar.

Auch hier konnte die klassische Theorie bislang keine Erklärung für das Quasar-Phänomen liefern. „Die innere Region einer Akkretionsscheibe, aus der der größte Teil der Helligkeit stammt, kann völlig verschwinden – und zwar sehr schnell über Monate hinweg“, so Kaaz.

„Wir sehen, wie sie im Grunde völlig verschwindet. Das System hört auf, hell zu sein. Dann wird es wieder heller und der Prozess wiederholt sich. Die herkömmliche Theorie kann nicht erklären, warum es überhaupt verschwindet und sie erklärt auch nicht, wie es sich so schnell wieder auffüllt.“

Die neue Entdeckung bietet zudem die Möglichkeit, Antworten auf die immer noch rätselhafte Natur von Schwarzer Löchern zu geben. „Wie Gas zu einem Schwarzen Loch gelangt, um es zu füttern, ist die zentrale Frage in der Akkretionsscheibenphysik“, so Kaaz. „Wenn wir wissen, wie das geschieht, können wir sagen, wie lange die Scheibe hält, wie hell sie ist und wie das Licht aussehen sollte, wenn wir sie mit Teleskopen beobachten wollen.“

Die Studie erschien am 20. September 2023 in der Zeitschrift „The Astrophysical Journal“.



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